Zum Wesen physikalischer Aussagen
Wo Theoretische Physiker oder Wissenschaftler, die sich mit Quantenphysik beschäftigen, über ihre Arbeitsergebnisse sprechen, oder sie in Büchern darstellen, hat man oft den Eindruck, es könne sich hier wohl nur um Science Fiction handeln.Dennoch ist dem nicht so, und dies zu begreifen, sollte man sich eine Aussage von Niels Bohr — einem der Väter der Quantenphysik — ins Gedächtnis rufen. Er sagte (wie Aage Peterson sich erinnert):
Gegenstand der Physik ist nur, was wir über die Natur sagen können.
Insbesondere, so sagt Bohr, gilt:
Es gibt nur eine abstrakte quantenphysikalische Beschreibung.
Anton Zeilinger (siehe Seite 309-310 seines Buches Einsteins Spuk) präzisiert das, indem er anhand eines konkreten Experiments nachweist:
Der quantenphysikalische Zustand eines Systems ist nichts Absolutes: Er ist nur Darstellung von Wissen, das wir über eine konkrete physikalische Situation haben, und ist aus eben diesem Grunde abhängig von allen Einzelheiten unserer Versuchsanordnung, auch wenn über einige davon noch gar nicht entschieden wurde.
Das quantenphysikalische Experiment, das Zeilinger an dieser Stelle diskutiert, ist überzeugendes Beispiel für tatsächlich alles, was diese seine Aussage uns mitteilt. Mehr noch: Es zeigt, dass die einen quantenphysikalischen Zustand beschreibenden Zahlen schon vorliegen können, noch BEVOR die Natur es uns auch nur PRINZIPIELL ermöglicht, alle darin enthaltene Information zu entschlüsseln (man könnte meinen: noch bevor jene Information tatsächlich existiert, denn welche Aussage dann wirklich gefunden wird, hängt davon ab, über welche letzte Messung man die betrachteten Quanten zwingt, sich auf einen bestimmten Zustand hin zu konkretisieren — auf einen Zustand, der offensichtlich mitbestimmt wird durch die Art dieser Messung ebenso wie durch die zuvor beobachteten, mit ihnen verschränkten, nun aber gar nicht mehr existierenden Quanten).
Zum Wesen physikalischer Objekte (und der Wirklichkeit)
Aus dem, was Niels Bohr und Anton Zeilinger — aber keineswegs nur sie — uns sagen, folgt zwingend:die der Mensch sich macht, aus dem Wunsch heraus,
das Verhalten der Natur verstehbar und vorhersagbar zu machen.
Seltsamerweise sind diese Modelle — nicht aber die Natur selbst — das, was dem Menschen als die ihn umgebende Wirklichkeit erscheint.
Besonders gutes Beispiel hierfür ist unser Sonnensystem:
- Als Teil der Natur hat es sich über die letzten 5000 Jahre hinweg nicht verändert.
- Als Teil dessen aber, was der Mensch als Teil der Wirklichkeit sah, hat es sich ganz dramatisch verändert.
Konsequenz daraus: Unsere Wirklichkeit besteht aus Aussagen, die wir als wahr erachten, deren Wahrheitsgehalt sich aber — auch aus unserer Sicht heraus — im Laufe der Zeit mehr und mehr relativiert. In der Summe ist Wirklichkeit deswegen identisch mit dem, was die Natur uns vermuten lässt, dass sie wäre — ihr wahres Wesen aber scheint sie uns gezielt zu verbergen: Sie spielt mit uns Verstecken.
Heisenberg schrieb 1959: Bei Experimenten über atomares Geschehen haben wir es mit Dingen und Tatsachen zu tun, die ebenso real sind wie irgendein Phänomen im täglichen Leben. Aber die Atome und Elementarteilchen sind nicht gleichermaßen real; sie bilden eher eine Welt von Möglichkeiten als eine von Dingen oder Tatsachen.
Zur engen Verwandtschaft von Physik und Mathematik
Physik gliedert sich in 2 Teile:- Experimentalphysik einerseits: Als solche beobachtet Physik das Verhalten der Natur und sucht Wege, es zunehmend besser und genauer beobachtbar zu machen.
- Theoretische Physik andererseits: Als solche versucht Physik mathematisch formulierbare Modelle zu finden, mit denen sich voraussagen lässt, wie sich die Natur uns zeigen wird (entweder in Zukunft
oder dort, wo Experimentalphysik sie bisher noch nicht beobachten konnte oder — aus welchen Gründen auch immer — niemals wird beobachten können).
Interessant daran ist, dass sich der grundsätzliche Unterschied zwischen
- der Natur (als Black Box im Sinne der Informatik) einerseits
- und unserem jeweils besten Modell, ihr Verhalten vorhersagbar zu machen, andererseits (die Informatiker der 80-er Jahre hätten es als abstrakten Datentyp bezeichnet)
Mathematik nämlich besteht aus zweierlei:
- aus der Gesamtheit M(Wa) aller mathematischen Wahrheiten einerseits (geschaffen durch die Natur, der Mensch kann sie lediglich entdecken)
- und aus durch Menschen geschaffener Terminologie und Methodik, solche Wahrheiten zu entdecken und dafür zu nutzen, das Verhalten der uns umgebenden
Realität zu beschreiben und vorhersagbar zu machen. Nennen wir diesen Teil M(Te,Me) — Terminologie und Methodik.
sehen Mathematiker — so könnte man sagen — als Paar ( Wa:Ax ).
Unsere einzige Berechtigung dafür, die Aussagen Ax als wahr gelten zu lassen, besteht darin, dass der Mensch sie stets nur als zutreffend angetroffen hat: Die Natur zeigt sich uns so, dass wir annehmen müssen, Ax treffe zu.
Der entscheidende Unterschied zwischen der Natur und ihrer Reduktion auf ein uns Menschen durch sie nahegelegtes Ax besteht darin, dass die Natur (genauer: wie sie sich uns zeigt) etwas extrem Komplexes ist, wohingegen Ax etwas extrem Einfaches sein kann:
Die heute am meisten genutzte Variante von Ax besteht aus
- den logischen Begriffen TRUE, FALSE, NOT, OR sowie dem durch Aristoteles entdeckten Axiom vom ausgeschlossenen Dritten (Basis unserer Logik),
- den Begriffen der Menge, der Klasse und dem sog. Auswahlaxiom
- sowie einigen wenigen Begriffen und Axiomen, aus denen sich all das ergibt, was Mathematiker als zahlentheoretische Erkenntnisse bezeichnen.
auf ein sehr einfaches Paar ( Wa:Ax ).
Da Ax uns durch die Natur nahegelegt wurde,
hat die sich uns gegenüber sozusagen selbst als Mathematik M(Wa) dargestellt.
Das sehe ich als den einzig plausiblen Grund dafür, dass sich das Verhalten der Natur so erstaunlich gut und genau über Mathematik beschrieben lässt.
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