Kosmos





Der Kosmos: Gedanken über das Allumfassende

   





D i s k u s s i o n


  Beitrag 1057-107
Eine Frage

 
H... aus 1057-106:
Guten Tag,

Gegenwärtig glauben wir ja, dass das U. stets weiter expandiert (wegen akt. Materiedichte ~3*10-31g/cm3 < kritische Dichte 10-29g/cm3. Das impliziert auch eine neg. räuml. Krümmung (= Raum erstreckt sich ins Unendliche, es gibt unendlich viele kosmische Objekte). Da ist jedoch noch das Problem mit der "dark matter" ...

Hi H...,

kannst du näher begründen, warum negative Krümmung Unendlichkeit zur Folge haben sollte?

Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 1057-109
Beantwortet Wikipedia sie richtig?

 
H... aus 1057-108:
Hi grtgrt,

ich kann es versuchen. Die negative Krümmung bewirkt eine pseudosphärische Form (im 3-dim. so etwas wie ein "Sattel"), im Gegensatz zur sonst flachen oder spärischen. Damit entsteht ein offenes U.. Bildlich gesprochen kann man sich hier auf Geodäten bewegen und nie an den Ausgangspunkt zurückkehren, was zum Beispiel bei pos. Krümmung nicht der Fall ist. Letztlich kann man die Friedmann-Gl. in Ω-Darstellung nutzen, der "Ωq -Term ist dabei der Krümmungsterm,
der positiv ist bei Annahme der Nichtexistenz von dunkler Materie (gemäss aktueller Einsicht).

Ich glaube, vorstellen kann man sich hier nicht viel, und mein Beispiel hinkt natürlich. Denn schliesslich krümmt sich der Raum nicht als Objekt
in irgendeinem anderen Raum, sondern die Krümmung ist inhärent und nicht "von aussen" beobachtbar.

Danke, H...,

bisher habe ich das ebenso gesehen. Mich verwirrt aber, dass in Wikipedia (im Abschnitt: Zusammenhang zwischen Massendichte, lokaler Geometrie und Form) klar und deulich gesagt wird: "Das Gesamtvolumen eines hyperbolischen Universums kann sowohl unendlich als auch endlich sein".

Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 1057-121
Geometrie ist keine Frage der Sicht

 
 
Zitat von Harti:
Hallo H...,
ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass die Beschreibung eines Objektes als hyperbolisch oder sphärisch keine Eigenschaft des Objektes ist, sondern lediglich die Beobachterposition zu dem Objekt festlegt. ...

Hi Harti,

was du da sagst, ist völlig falsch, denn ob eine Fläche hyperbolische, euklidische oder sphärische (elliptische) Geometrie hat, hängt einzig und allein von ihr selbst ab, genauer: davon, ob es darin zu einer Geraden durch einen Punkt außerhalb der Geraden stets mindestens zwei Parallelen gibt, genau eine, bzw. gar keine.

Bitte lese dazu den Abschnitt Grundlagen in Wikipedia.

Zwei Geraden heißen parallel zueinander, wenn sie sich nicht schneiden (was Nicht-Mathemaiker unter Parallelität verstehen, ist die Parallelität im Sinne euklidischer Geometrie).


PS: Welches der 3 möglichen Parallelenaxiome in unserem Universum denn nun wirklich gilt (sprich: welche Geometrie es hat), hängt ab von seiner Materie-Dichte (ganz so wie Henry das in Beitrag 1057-119 erklärt).

Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 1906-3
Beispiele flacher und nicht flacher Geometrie

 
Harti in 1906-2:
Hallo Grtgrt,

was genau muss ich mir unter einer "flachen Geometrie" vorstellen. Kann man den Begriff genauer definieren ?

Um konkret zu werden, kann ich einen Regentropfen mit Hilfe eines flachen Geometriemodells beschreiben ?

Hi Harti,

im 2-Dimensionalen wäre eine Fläche flacher Geometrie vergleichbar mit einem — aufgerollten oder flach daliegenden — Stück Papier.

Aber auch die Oberfläche eines geraden Ofenrohrs hat flache Geometrie. Der Grund hierfür: Man kann das Rohr aufschneiden und seine Oberfläche dann zu einem flach daliegenden Blech machen. Gleiches gilt für eine Torusoberfläche.

Entscheidend ist nicht die Form, sondern wie groß im Raum (oder in einer krummen Fläche) die Summe aller Winkel eines Dreiecks ist.


Genauer:


Nur die Winkelsumme in Dreiecken bestimmt, wie ein Raum gekrümmt ist

Quelle: Prof. Ulrich Walter erklärt Raumkrümmung



Stringtheoretiker sprechen gerne von "aufgerollten Dimensionen". Lisa Randall sagt dazu:

Zitat von Lisa Randall:
The curled-up space is still mathematically flat ... because you can unroll the dimension to something you would recognize as flat; that is NOT true for a sphere, for example.

Die Oberfläche eines Regentropfens hat gekrümmte Geometrie (KEINE flache also).

Flache Geometrie ist euklische Geometrie.

Gruß, grtgrt
 

 Beitrag 0-479
Kosmologie — wie sich unser Weltbild entwickelt hat

 
 

 
Zum Weltbild der Kosmologen

 
 
Ein Markstein der Geschichte der Naturwissenschaft — man könnte sagen, ihre Geburt in Mitteleuropa — war das 1543 posthum veröffentlichte Werk des polnischen Astronomen Nikolaus Koernikus.
 
Es trug den Titel De revolutionibus orbium celestium. Kopernikus vertrat darin die Meinung, dass sich nicht die Sonne um die Erde, sondern die Erde und alle anderen Planeten um die Sonne herum bewegen — eine Ansicht, die schon einer der griechische Philosoph Aristarch von Samos (310-260 v. Chr.) — vertreten hatte, die dann aber im Vergessenheit geriet um durch das Weltbild des Ptolemäus (etwa 100 v. Chr.) ersetzt zu werden, an dem dann später der katholischen Kirche so sehr gelegen war.
 
Der neue Blick auf den Kosmos, für den Kopernikus eintrat, schockierte das Abendland — vor allem aber die Theologen — so sehr, dass das Wort » Revolution « aus dem lateinischen Titel des Werkes auch in den politischen und sozialen Kontext einging und dort bis heute Synonym für eine umwälzende Entwicklung ist.
 
Im 16. Jahrhundert war Europa noch völlig unter dem Bann der katholischen Kirche, die weiterhin fest auf das ptolemäische Weltbild setzte, nach dem die Erde als Mittelpunkt des Universums galt und der Mensch als die Krone der göttlichen Schöpfung.
 
Als Galileo 1609 das damals eben erst entdeckte Fernrohr auf den Himmel richtete, sah er, dass die Milchstraße aus unzähligen, schwach leuchtenden Sternen besteht, und so erkannte man erstmals, dass die Sonne ein nur durchschnittlicher Stern unter vielen ist. Heute wissen wir, dass zur Milchstraße über 100 Millionen Sterne gehören, von den viele unserer Sonne recht ähnlich sind.
 
Erst im frühen 20. Jahrhundert aber wurde klar, dass es neben der Milchstraße noch andere Galaxien (sog. » Weltnebel « wie man damals sagte) gibt:
 
Erst jetzt gelang es, auch den Andromedanebel als große Menge von Sternen zu erkennen, und so wurde klar, dass selbst unsere Milchstraße im Universum nichts Außergewöhnliches darstellt.
 
Diese Erkenntnis führte zum heute allgemein anerkannten sog. » kosmologischen Prinzip «, nach dem das gesamte Weltall — weiträumig gesehen — gleichförmig aufgebaut und von überall gleicher Qualität ist.
 
Heute — zu Beginn des 21. Jahrhunderts — sind die führenden Kosmologen ebenso wie auch die Stringtheoretiker der Meinung, dass selbst das gesamte beobachtbare Universum nur winzig kleiner Teil eines von ganz unglaublich vielen sog. Taschenuniversen ist, in einem wahrscheinlich unendlich großen Multiversum also ebenfalls wieder nur durchschnittliche Qualität hat. Lediglich seine Eigenschaft, biologisches Leben zuzulassen, könnte es von vielen, aber sicher nicht allen anderen unterscheiden.

 

 Beitrag 0-250
Kosmologie — wie sie sich zu echter Wissenschaft entwickelt hat

 
 

 
Kosmologie im Wandel der Zeiten

 
 
Unter Kosmologie verstand man zu unterschiedlichen Zeiten recht Unterschiedliches:
     
  • Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein stand das Wort für eine Mischung aus Astronomie, Astrologie und dem Nachdenken über die Welt als Ganzes.
     
    Schönes Beispiel hierfür ist König Alfonso X., Herrscher über Kastilien im 13. Jahrhundert, genannt "der Weise":
       
      Er gab neue astronomische Tafeln in Auftrag in der Hoffnung, durch exakteres Wissen über die Position der Planeten zutreffendere Horoskope zu bekommen.
       
      Dass er wirklich klug war und wissenschaftlches Gespür hatte, zeigt die Tatsache, dass er sich von Astronomen genau erklären lies, wie man sich nach dem damaligen Weltbild die Bewegung der Planeten dachte. Als man ihm jedoch die Feinheiten der ptolemäischen Zyklen erklärte — das damals etablierte Weltbild —, zeigt er sich skeptisch: "Hätte der Allmächtige mich befragt, bevor er die Schöpfung in Angriff nahm, ich hätte ihm etwas Einfacheres nahegelegt."

    Den letzten Versuch, an einer deutschen Hochschule eine Vorlesung für Astrologie zu etablieren hat 1817 Johann Wilhelm Pfaff, Professor für Mathematik und Astronomie an der Universität Erlangen, gemacht. Im Jahr vorher hatte er ein astrologisches Lehrbuch veröffentlicht.
     
     
    Erstaunlich auch:
     
    Noch 1950 hat sich Wilhelm Hartmann, ein promovierter Astronom, der zunächst an der Sternwarte Hamburg arbeitete, dann aber Direktor der Sternwarte und des Planetariums in Nürnberg geworden war, öffentlich zu astrologischen Grundaussagen bekannt: Er hatte seinerzeit Kollegen aufgefordert, zusammen mit ihm die Grundlagen der Astrologie auf Stichhaltigkeit hin zu überprüfen, stieß dabei auf wenig Hilfsbereitschaft, aber doch auf unterschiedliche Überzeugungen, und arbeitete dann alleine an diesem Vorhaben, wobei er — aus seiner Sicht — zu einem positiven Ergebnis kam (angeblich wider seine ursprüngliche Erwartung):
     
    In seinem 1950 erschienen Buch Die Lösung des uralten Rätsels um Mensch und Stern soll auf Seite 117 zu lesen sein: "Für mich ist diese kosmische Impulslehre kein 'Glaube' mehr, keine 'Annahme', sondern in ihren Grundzügen ein an tausend Beispielen bewiesenes Wissen. Es mag sein, dass einige Voraussetzungen später durch andere ersetzt werden müssen, dass einige weitergehende Schlüsse falsch sind; der Schluss jedoch, zu welchem diese Grundzüge führen, nämlich dass wir Menschen dauernd kosmische Impulse empfangen, die unser Handeln, Fühlen und Denken beinflussen, ist für mich unerschütterliche Tatsache."
     
    Etwa zur gleichen Zeit soll der recht bekannte Psychoanlytiker Prof. Karl Gustav Jung gesagt haben: "Die moderne Astrologie nähert sich mehr und mehr der Psychologie und klopft bereits vernehmlich an die Tore der Universitäten." Er hat die Astrologie in seine Arbeiten integriert, was besonders deutlich wird in seinem Werk Synchronicity: A causal Connecting Principle (1952).
     
    Meine Meinung: Jung wie auch Hartmann war wohl nicht klar, dass wer eine allzu kleine Stichprobe betrachtet (von nur etwa 1000 Menschen) nicht erwarten darf, eine wenigstens grob auch für die gesamte Menscheit richtige Aussage zu erhalten. Eine Studie aus 2006 bestätigt das: Man hat in ihrem Rahmen Daten über etwa 15.000 Menschen durchforstet und darin keinerlei Bestätigung astrologischer Aussagen gefunden.
     
     
    Insgesamt also gilt:
     
    Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat so mancher Wissenschaftler eher an Astrologie als an Kosmologie im modernen Sinne geglaubt:
     
       
    • Noch 1930 soll der Kernphysiker Ernest Rutherford es für notwendig erachtet haben, seine Mitarbeiter zu warnen: "Ich will in meinem Institut niemand über das Universum reden hören". Für ihn nämlich stand dieses Wort für haltlose Spekulation und Pseudowissenschaft. [ Einsteins Arbeiten nahm er dennoch ernst und hat sich schon sehr früh damit befasst. ]
       
    • Der Physiker Paul Davies schreibt: "Selbst als ich in den 60-er Jahren in London studierte, witzelten Zyniker, dass es Spekulationen gäbe, Spekulationen im Quadrat — und die Kosmologie."
       
    • Umgekehrt aber: Als Wilhelm Hermann — so etwa 1940 — Mitstreiter für ein kleines Forschungsprojekt gesucht hat, mit dem er beweisen wollte, dass es nun endlich an der Zeit sei, einzusehen, dass man astrologische Aussagen nicht ernst nehmen dürfe, soll ihm ein damals relativ bekannter Astronom einen Korb gegeben haben mit der Warnung: "Und was, wenn doch?"
       
      Und tatsächlich ist ja Hermann (s.o.) über dieses — von ihm dann alleine durchgezogene Projekt — zu einem überzeugten Anhänger der Astrologie geworden. Ihn als Spinner abzutun wäre dennoch nicht gerechtfertigt: Er hat sich vorurteilslos um Wahrheit bemüht.
       
    • Astrologie — im Mittelalter noch Zwillingsbruder der Astronomie — verlor schon im frühen 19. Jahrhundert ihren wissenschaftlichen Status, wurde aber dennoch sogar noch im 20. Jahrhundert kontrovers diskutiert und ist mit wissenschaftlicher Methodik erst 2006 durch eine Studie dreier Psychologen falsifiziert worden. Doch noch 1950 hatte der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung die Astrologie in seiner Eigenschaft als Hochschullehrer "auf dem Weg zurück in die Universitäten" gesehen.
       
    • Interessant ist, dass eine wirklich wissenschaftlich zu nennende Auseinandersetzung mit der Astrologie — genauer: dem vermuteten Wahrheitsgehalt astrologischer Geburtshoroskope — i.W. erst ab 1950 stattfand: Gab es vor 1950 noch kaum empirische Studien dazu, waren es 1975 schon etwa 500. Besonders gewichtige Argumente gegen den Sinn astrologischer Regeln lieferte die Zwillingsforschung. [A]
       
    • Einer der ersten Astronomen, die Astrologie kritisch zu hinterfragen begannen, war Johannes Kepler. Trotz seines Buches [kp] hat er sich schließlich — in einer erst 1625 erfolgten Ergänzung zum Wallenstein-Horoskop — von Astrologie distanziert.
       
    • Die wahrscheinlich letzten Astronomen, die ein Buch über Astrologie schrieben — nun sie zu begraben —, waren Culver und Ianna (1984).
       
    • Eine Ausnahme: Der britische Astronom Percy Seymour (zunächst Hochschullehrer in Plymouth, dann Direktor des William Day Planetariums in Hagerstown) bekennt sich selbst heute noch zur Astrologie. Er schrieb zwischen 1988 und 1998 mehrere Bücher darüber und glaubt, die Bewegung der Sterne und Planeten könne das Gehirn ungeborener Kinder beeinflussen. Er ist Fellow von beiden: der Royal Astronomers' Society und der Astrological Society. Interview mit Seymour + /m
       
      Lediglich an die Sternzeichen-Horoskope der Illustrierten und Frauenzeitschriften hat im 20. Jahrhundert wohl kein Wissenschaftler mehr geglaubt.
       
      Mit wissenschaftlicher Methodik durch Astrologen selbst hinterfragt — ja sogar falsifiziert — wurde Astrologie erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts: Grundlage war eine über 45 Jahre andauernde Beobachtung von etwa 2000 Personen, die sämtlich 1958 in derselben Woche (in London) geboren wurden [Geoffrey Dean, 2003]. /m
       
       
    • VORSICHT aber: Die oben erwähnten Wissenschaftler haben sich vorurteilsfrei die Frage gestellt, ob astrologische Aussagen Sinn machen könnten. Gemeint ist das im Sinne des Quantenphysikers Carl-Friedrich von Weizsäcker, der einmal gesagt haben soll, dass die Naturwissenschaft noch nicht weit genug entwickelt sei, um behaupten zu können, dass an der Astrologie nichts dran sein könne.
       
      Neben solch ehrlichen Denkern gab es aber schon immer — und gibt es bis heute — zahlreiche Horoskopschreiber, die einfach nur Geld mit der Leicht­gläubig­keit anderer Leute verdienen wollten bzw. wollen. Dass solche Scharlatane bis heute nicht ausgestorben sind, zeigen einige Zahlen im Pressebericht "Die moderne Astrologie hat nichts Magisches" (2011).
       

     
  • Doch schon mit Einsteins Relativitätstheorie und Hubbles Entdeckung der Expansion des Raumes begann ein Entwicklung, welche dem Begriff » Kosmologie « einen ganz neuen Sinn gab:
     
    Die Kosmologie wandelte sich zu Astrophysik, einer echten Wissenschaft, deren Vertreter mit Sterndeuterei und physikfremder Philosophie nichts mehr zu tun haben wollten.

     
    Dennoch stand sie noch etwa 50 weitere Jahre im Geruch einer Pseudowissenschaft, die nicht so recht ernst genommen wurde, da zahlreiche ihrer Thesen allzu weit hergeholt erschienen.
     
    Und so hat man Kosmologen noch Jahrzehnte lang ein wenig belächelt, und gerne gesagt:
     
     
    » Kosmologen befinden sich selten im Zweifel, aber oft im Irrtum. «

     
    Dieser Spruch, als Warnung gedacht, geht übrigens auf Lev Landau zurück, der ja selbst führender Kosmologe war.
     
    Dass sein Urteil viel Wahrheit enthielt, belegen zahlreiche Beispiele, darunter folgendes:
       
      Noch bis Ende der 60-er Jahre dachten Kosmologen, unser Universum sei nur etwa 1,5 Milliarden Jahre alt. Und das, obgleich Geologen schon Ende der 50-er Jahre Erdgestein gefunden hatten, dessen Alter sie auf knapp das 3-fache bezifferten.
       
      Geklärt hat sich diese Diskrepanz erst, nachdem die Hubble-Konstante unter Zuhilfenahme moderner Technologie viel genauer als zuvor bestimmbar wurde. Noch bis etwa 1970 arbeitete man mit dem 1929 noch von Hubble selbst errechneten Wert. Der aber — so sah man nun — war um etwa den Faktor 7 zu hoch.
       
      Wie über den genauen Wert des Hubble-Parameters selbst heute noch gestritten wird, beschreibt Wendy L. Freedman: Mit unterschiedlicher Methodik kommt man zu Werten, die etwa 8 Prozent differieren.

     
    Steven Weinberg, Nobelpreisträger für Physik, bekannte: » Es fiel den Physikern außerordentlich schwer, überhaupt eine Theorie über das frühe Universum ernst zu nehmen. Ich beziehe hier meine eigene Einstellung vor 1965 mit ein. «
     
    Frank Tipler: » Die erste solide Vorhersage der von Einstein 1917 begründeten Kosmologie — die kosmische Hintergrundstrahlung und ihre Temperatur — fand erst 1965 Bestätigung. «
     
     
    Der Astrophysiker Pedro G. Ferreira berichtet in seinem Buch Die perfekte Theorie (S. 100-104):
       
      Mit Einsteins Tod 1955 geriet seine allgemeine Relativitätstheorie aufs Abstellgleis. Sie war vom Interesse an der Quantentheorie überflügelt, wurde von führenden Physikern — Oppenheimer etwa — abgelehnt und brauchte dringend frisches Blut und neue Entdeckungen, ihr wieder Schub zu geben.
       
      Samual Goudsmit, 1951-1966 Herausgeber des Physical Review, wollte die Veröffentlichung von Arbeiten über » Gravitation und Grundlagentheorie « sogar untersagen. Dass es nicht soweit kam, ist dem Einspruch von John Archibald Wheeler zu verdanken, der Gefallen an Einsteins Theorie gefunden hatte.
       
      Nachhaltig wiederbelebt wurde Einsteins Gravitationstheorie dann in den 1960-er Jahren, als man sich — getrieben durch Wheeler (Princeton), Sciama (Cambridge) und Seldowich (Moskau) sowie deren Schüler — stark für Schwarze Löcher zu interessieren begann, was dann schließlich klar gemacht hat, dass sie tatsächlich existieren.

     
    Heute (2019) ist Einsteins Theorie aktueller denn je: Schuld daran sind Entdeckungen, die zur Bestätigung der Urknalltheorie geführt haben, der nun schon mehrfach gelungene Nachweis von Gravitationswellen sowie das erste Photo eines Schwarzen Lochs (aufgenommen 2017, aus diesen Daten vollständig zusammengesetzt erst 2019).
     
     
  • Heute hat die Kosmologie sich als Wissenschaft im besten Sinne voll etabliert:
       
      Die richtige Vorhersage (1933) und spätere Entdeckung (1964) der kosmischen Hintergrundstrahlung sowie deren genaue Vermessung mit Hilfe moderner Forschungssatelliten haben gezeigt, dass Astrophysiker und Kosmologen inzwischen nicht weniger genau zu beobachten und nicht weniger scharf zu schlussfolgern wissen als andere Physiker auch.
       
      Viel geholfen hat der Aufstieg der Radioastronomie und die damit verbundene Möglichkeit, Radioquellen zu lokalisieren und genau zu beobachten.
       
      Die sich heute abzeichnende Möglichkeit, das Universum auch abzuhören (d.h. Gravitationswellen zu empfangen und zu deuten) wird ganz sicher zu einem weiteren großen Fortschritt führen.

     
    Wie schnell Kosmologen Theorien, die falsch sind, zu widerlegen wissen, zeigt sich an der Steady State Theorie und daran, dass auch die Urknalltheorie — solange sie noch nicht durch die geradezu unerhört anmutende Inflationstheorie ergänzt war — noch viel Widersprüchliches in sich hatte.
     
     
  • Dennoch: Ganz so empirisch wie andere Wissenschaften kann die Kosmologie nicht vorgehen, wenn es darum geht, sich Vorstellungen zu erarbeiten, wie die Welt jenseits des Beobachtungshorizonts von uns Menschen aussehen könnte.
     
    Warum aber sollte extrapolierende Physik nicht ebenso seriös sein können wie empirische?
     
    Und beschäftigen sich z.B. Stringtheoretiker heute nicht auch mit Ideen, die vergleichbar weit hergeholt erscheinen wie die der Kosmologen?

 
Michio Kaku schreibt 2013:
 
» Die Vorstellung, es könnte über die 3 bekannten Raumdimensionen hinaus noch weitere geben, hielt man noch bis kurzem für Science-Fiction-verdächtig. Nicht wenigen Physikern galt diese Vorstellung sogar als lächerlich, und Forscher am CalTech, die etwa 1980 über die Möglichkeit von Wurmlöchern und Zeitreisen nach­dachten, wurden selbst von Kollegen, die sie gut kannten, für etwas verrückt gehalten.
 
Doch inzwischen ist die Welt der Physik auf den Kopf gestellt worden: Es gibt heute kaum eine größere Universität ohne eine Forschungsgruppe, die sich mit höherdimensionalen Theorien beschäftigt. «
 

 
Dennoch: Dass selbst heute noch etablierte Hochschullehrer für Theoretische Physik und Kosmologie in eben dieser Rolle hin und wieder im Brustton der Überzeugung Theorien publizieren, die ganz sicher nicht als wissenschaftlich einzuordnen sind, zeigt sich am Beispiel des Buches von Frank J. Tipler: Die Physik der Unsterblichkeit: Moderne Kosmologie, Gott und die Auferstehung der Toten, dtv 1995. Mehr dazu in [ Wissenschaft & Religion ].
 
 
 
 
 
Wurzeln der alten Kosmologie

 
Wurzeln der alten, teilweise noch vorchristlichen Kosmologie waren
     
  • astronomische Beobachtungen,
     
  • so eine Art Zahlenmystik ( religiös interpretiert durch die erst jüdische, dann christliche Kabbala )
     
  • und hermetische Philosopie ( welche sich zur Zeit, als Johannes Kepler aufwuchs, konkretisiert hatte zu Alchemie und Astrologie ):
     
    Noch zu Kepler Jugendzeit wurde eine wahre Flut astrologischer, kabbalistischer und alchemistischer Texte veröffentlicht, und selbst Isaak Newton — geboren 1643, 13 Jahre nach dem Tode Keplers — soll sich mehr mit Alchemie als mit Physik beschäftigt haben.

 
 
 
Zwischen alter und neuer Kosmologie

 
Schnittstelle zwischen der alten und der neuen Kosmologie war eindeutig das Wirken von Johannes Kepler als kaiserlicher Hofastronom in Prag: Auf Basis sehr genauer Beobachtungsdaten (die noch sein Vorgänger Tycho Brahe gesammelt hatte),
     
  • kam es durch Kepler zur Entdeckung der richtigen Gesetze der Planetenbewegung.
     
  • Zugleich aber hat Kepler in seinem Buch » Weltharmonik « das alte kosmologische Weltbild nochmals ganz besonders genau und umfassend beschrieben und durch Überlegungen mathematischer Art bereichert. Dieses Buch soll voll sein von astrologischen, alchemistischen, pythagoräischen und mystischen Konzepten. Erste Zweifel, die Kepler an der Wahrheit astrologischer und alchemistischer Aussagen gekommen sind, seien dort noch nicht erwähnt.

 
 
 
Worin sich heutige Kosmologie von Astrophysik unterscheidet


Thomas Görnitz (1999):
 
Unter dem Kosmos versteht man alles, wovon zu erfahren (bzw. Wissen zu erlangen) uns nicht prinzipiell unmöglich ist.
 
Es hat somit der  K o s m o s  nicht nur eine physikalische, sondern auch eine geistige Dimension.
 
 
Im Fokus der Kosmologie stehen Geburt und Evolution des Weltalls — Astronomie und Astrophysik aber befassen sich vor allem mit Gaswolken, Galaxien, Sternen und Planeten.
 

Physiker tendieren dazu, die Kosmologie — fälschlicherweise — einfach nur als ein Teilgebiet der Astronomie zu sehen.


 

 Beitrag 0-326
Begründer moderner Kosmologie: Henrietta Leavitt, Edwin Hubble und Georges Lemaitre

 
 

 
Henrietta Leavitt — Edwin Hubble — Georges Lemaître

 
 
Als Begründer der modernen Kosmologie muss man wohl vor allem Henrietta Levitt (1968-1921), Edwin Hubble (1889-1953) und Georges Lemaître (1894-1966) sehen:
     
  • Henrietta Leavitt war eine — recht unbekannte — amerikanische Astronomin, die als erste eine Technik entdeckt hat, Entfernungen im Weltall zu messen. Erst diese Technik, später neu entdeckt durch Shapley, hat die Astronomen — kurz nachdem Leavitt gestorben war — in die Lage versetzt, zu erkennen, dass es über unsere Milchstraße hinaus noch andere » Welteninseln « gibt.
     
    Erst etwas später nannte man sie, wie heute, » Galaxien «.
     
     
  • Durch Edwin Hubble über 5 Jahre hinweg gesammelte genaue Beobachtungsdaten haben zur Erkenntnis geführt, dass der Abstand zwischen weit voneinander entfernten Welteninseln (Galaxien) sich ständig vergrößert.
     
     
  • Georges Lemaître schließlich — bekannt als Begründer der Urknalltheorie — war einer der wenigen, die sich mit Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie schon früh überaus gründlich befasst hatten. Ihm gelang es sogar, Einstein selbst gleich 2 Mal in wichtigen Punkten erfolgreich zu korrigieren:

       
    • Einstein nahm die Entdeckung, dass der Raum expandiere, zunächst mit großer Skepsis auf. Er war aufgewachsen in der Überzeugung, dass das Universum als Ganzes statisch sei. Lemaître traf sich mit Einstein und versuchte, ihm seine Vorurteile auszureden, womit er zunächst wenig erfolgreich war: Ihre Berechnungen — so antwortete Einstein ihm — sind zwar mathematisch richtig, aber Ihre Physik ist schrecklich.
       
      Erst später musste Einstein zugeben, dass Lemaître doch Recht hatte.
       
       
    • So ein Vorgang wiederholte sich: Einstein hatte sein » kosmologische Konstante « als geringfügige, aber bedeutende Abänderung seiner Gleichungen eingefügt in der Hoffnung, seine Theorie so mit einem statischen Universum vereinbar zu machen. Als er später dann doch einräumen musste, dass das Universum nicht statisch sein kann, bezeichnete er das Einfügen dieser Konstanten als seine größte Eselei.
       
      Lemaître, viel weitsichtiger und Einsteins Gleichungen schon besser verstehend, versuchte ihn umzustimmen: Diese Konstante, so argumentierte er, mache das Universum nicht statisch, könne aber dennoch Berechtigung haben und müsse keineswegs verworfen werden.
       
      Wieder behielt Lemaître recht: Wie wir heute wissen, ist die Konstante notwendig, wenn Einsteins Gravitationstheorie mit der Tatsache in Einklang sein soll, dass die Expansion des Universums — wie wir seit 1998 wissen — sogar  b e s c h l e u n i g t  vor sich geht.
       
       
    • Lemaître war weitsichtig genug, nicht nur Einstein zu korrigieren, sondern auch Papst Pius XII, als der 1951 in einer öffentlichen Rede argumentierte, der Urknall bestätige die Schöpfungsgeschichte. Lemaître erkannte sofort, wie gefährlich diese Argumentation sein konnte. Er nahm deswegen Kontakt zur päbstlichen Akademie der Wissenschaften auf und versuchte so, den Papst davon zu überzeugen, die Sache auf sich beruhen zu lassen: Öffentliche Verlautbarungen, wonach zwischen dem Schöpfungsakt und dem Urknall eine Beziehung bestünde, seien unangebracht.
       
      Lemaître war überzeugt, dass man Wissenschaft und Religion nicht miteinander vermischen dürfe. Er soll wörtlich geschrieben habe: Die Bibel hat von der Physik und die Physik hat von Gott keine Ahnung.
       
      Pabst Pius lies sich überzeugen und hielt sich fortan in der Öffentlichkeit mit jedem Hinweis auf den Urknall zurück.
       
      Heute zeigt sich, wie recht Lemaître hatte: Inzwischen ist unter Physikern häufig die Rede davon, dass der Urknall wohl nicht der eigentliche Anfang war. Man stelle sich die peinliche Lage der katholischen Kirche vor, wenn Lemaître sie nicht daran gehindert hätte, den Urknall in ihrer offiziellen Lehre zum Schöpfungsakt zu erklären.

 
 
Eine besonders schöne Beschreibung der Geschichte der modernen Kosmologie — beginnend mit Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie bis hin in die Gegenwart — findet sich im Sachbuch Pedro G. Ferreira: Die perfekte Theorie (2014), in Englischer Originalausgabe: The perfect Theory. A Century of Geniuses and the Battle over General Relativity (2014).

 

 Beitrag 0-297
Wie erkannt wurde, dass unsere Milchstraße nicht die einzige Welteninsel (Galaxie) ist

 
 

 
Von Kant bis Hubble:

Wie klar wurde, dass unsere Milchstraße nur eine unter vielen Galaxien ist

 
 
Schon im 18. Jahrhundert war Astronomen aufgefallen, dass einige Lichter am Himmel klar strahlen, andere aber einen etwas verschwommenen Eindruck machen. Letztere, so dachte man, müssten Nebel aus Gas und Staub sein.
 
Der Physiker und Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) allerdings war anderer Meinung: Er hat als erster vermutet, dass diese feinen Nebel Sternensysteme wie unsere Milchstraße sein könnten.
 
Entscheidbar war die Frage damals aber nicht, da man noch nicht gelernt hatte, die Entfernung solcher Nebel von der Erde zu bestimmen.
 
Noch 1920 gab es — sogar in Gegenwart von Einstein — eine ergebnislose Diskussion zwischen zwei anerkannten Astronomen über genau diese Frage:
     
  • Harlow Shapley (1885-1972) hatte als erster den Durchmesser der Milchstraße und die Entfernung ihres Zentrums von der Erde abgeschätzt (wenn auch beides um etwa den Faktor 2 zu groß). Er vertrat die Meinung, die sog. Nebel befänden sich innerhalb der Milchstraße.
     
  • Heber Curtis (1872-1942) kritisierte Shapleys Modell der Milchstraße heftig und vertrat die Ansicht, dass Nebel mit der Milchstraße vergleichbare andere Sternsysteme seien.

Wer recht hatte, wurde erst entscheidbar, nachdem einige Jahre später Edwin Hubble die zwei größten von der Erde aus sichtbaren Nebel zu erforschen begann (M33 und Andromeda). Er verwendete ein 2,50-Meter-Teleskop sowie eine neuartige empfindliche Fotoemulsion und konnte so M33 als flachen Spiralnebel erkennen und ihn zweifelsfrei in Sterne auflösen, unter denen er 35 als Cepheiden erkannte. Mit ihrer Hilfe kam er zu einer Abschätzung der Entfernung der Erde von M33, woraus sich ergab, dass M33 deutlich außerhalb der Milchstraße liegen musste.
    Note: Cepheiden — man nennt sie auch Meilensteine im All — sind sehr große Sterne, deren Helligkeit periodisch schwankt. Sie haben besondere Bedeutung für die Astrophysik, denn wie Shapley erkannt hatte, gibt es zwischen der Pulsationsrate eines Cepheiden und seiner Leuchtkraft einen festen Zusammenhang. Vergleicht man also seine Leuchtkraft mit der Helligkeit, mit der er uns erscheint, lässt sich so auf seine Entfernung von der Erde schließen.
     
    Note: Hubble, der zunächst Jura studiert und dann wenige Monate als Rechtsanwalt praktiziert hatte, hat in Chicago Astronomie studiert und in Yerkes – dem der Universität Chicago angeschlossenem Observatorium – promoviert. 1919 folgte er einer Berufung ans Mount-Wilson-Observatorium, an dem auch Shapley forschte (der Hubble allerdings gar nicht mochte: Er fand ihn arrogant und anmaßend, und Hubble selbst trug wenig zu seiner Beliebtheit unter Kollegen bei). Hubble hat dort 5 Jahre lang nahegelegene "Nebel" photographiert, untersucht und klassifiziert, bevor ihm gelang, wofür er berühmt wurde:

 
Hubbles Veröffentlichungen machten zum ersten Mal deutlich, dass sich das Universum aus Galaxien zusammensetzt.
 
Und nicht nur das: Er machte auch die erstaunliche Entdeckung, dass nur einige nahegelegene Galaxien anscheinend ohne bestimmte Richtung im All schweben, alle anderen aber von uns zu fliehen scheinen. Sie entweichen bemerkenswert schnell, und je weiter sie entfernt sind, umso größer ist ihre Entweichgeschwindigkeit. Hubble schloß daraus, dass dies nur sein könne, wenn
     
  • entweder die Milchstraße das Zentrum des Universums wäre
     
  • oder aber der Raum sich in Aufblähung befände.

Dass letzteres richtig sein muss, ergab sich schließlich aus Einsteins Gravitationstheorie:
 
Sie verlangte einen expandierenden Kosmos, doch Einstein war der Meinung, der Kosmos müsse statisch sein. Um seine Theorie dieser Auffassung anzupassen, erweiterte er seine Feldgleichung um eine sog. kosmologische Konstante.
 
Alexander Friedmann (1888-1925) jedoch konnte Einstein einen Rechenfehler nachweisen, nach dessen Korrektur klar wurde, dass die Feldgleichung auch mit so einer Konstanten vorhersagt, dass der Raum nicht statisch sein kann: Er muss sich ausdehnen, zusammenziehen oder beides abwechselnd tun.
 
Dies hat Einstein schließlich veranlasst zu glauben, seine Einführung einer kosmologischen Konstante sei ein großer Fehler gewesen.
 
 
Note: Seit 1998 wissen wir, dass der Raum nun schon seit etwa 6 Mrd. Jahren sogar  b e s c h l e u n i g t  expandiert. Wenn das noch etwa 100 Mrd. Jahre so bleibt (unser Universum wird dann erst 7 Mal so alt sein wie heute), wird das dazu geführt haben, dass die Lokale Gruppe (das ist der Galaxienhaufen, dem die Milchstraße und Andromeda als größte Mitglieder angehören) zu einer einzigen Galaxie verschmolzen sein wird. Für ihre Bewohner wird rein gar nichts mehr darauf hindeuten, dass es über ihr eigenes Sternensystem hinaus im All noch andere solcher  W e l t e n i n s e l n  gibt. Der Expansion des Raumes wegen werden sie alle dann nämlich schon über den Beobachtungshorizont der Lokalen Gruppe hinausgewandert sein.
 
Wir dürfen uns also glücklich schätzen, in einer Zeit zu leben, in der uns das Licht anderer Galaxien tatsächlich noch erreicht.

 

 Beitrag 0-251
Der Kosmologen aktuelles Weltbild

 
 

 
Unser aktuelles Weltbild

in den Augen der Theoretischen Physik zu Beginn des 21. Jahrhunderts

 
 


Alexander Vilenkin, Physiker & Kosmologe (2006):
 
Seit Jahrhunderten schon streiten sich Philosophen und Theologen, ob das Universum endlich oder unendlich, stationär oder dynamisch, ewig oder vergänglich sei.
 
Das Weltbild jedoch, das sich nach jüngsten Ergebnissen der Theoretischen Physik abzeichnet hat niemand vorausgesehen: Statt zwischen einander widersprechenden Möglichkeiten eine Wahl zu treffen, scheint es  j e d e r  dieser Möglichkeiten ein Körnchen Wahrheit zuzusprechen:
 
Im Zentrum der neuen Sicht auf die Welt steht das Bild eines ewig inflationär expandierenden Ozeans von Energie, in dem mit Inseln vergleichbare, in sich abgeschlossene Universen entstehen und vergehen. Jede dieser post-inflationären Welten vergrößert sich schnell, aber noch viele Größenordnungen schneller vergrößern sich die Abstände zwischen ihnen, und so entsteht ständig neuer Raum für weitere Insel-Universen. Ihre Zahl steigt ins Unendliche.
 
Von innen betrachtet stellt sich jedes dieser Insel-Universen dar als ein grenzenloser Raum, der um jeden seiner Bewohner herum kugelförmige, durch deren Beobachtungshorizont begrenzte Welten beherbergt, die sich überlappen, über deren Grenzen man aber nicht hinaussehen kann.
 
Die Gesamtheit der ewig inflationär expandierenden, ozeanartigen Raumzeit entstand wahrscheinlich aus einem winzigen Etwas, das auf quantenmecha­nischem Wege aus dem Nichts hervortunnelte und sofort inflationär zu expandieren begann.
 
Das umfassendste, durch Physik und Kosmologie heute denkbare Universum ist somit ewig, hat aber einen Anfang.
 


 
Lies mehr dazu in Notiz 0-245 und Vilenkins Buch Many Worlds in One (2006).
 
 
Es soll nicht verschwiegen werden, dass ein in Vilenkins Buch präsentiertes Argument Mathematiker keineswegs überzeugt und quantenphysikalischer Unbestimmheit wegen auch als nicht nachbesserungsfähig erscheint:
 
Ich spreche von der Argumentation, mit deren Hilfe Vilenkin und Garriga glauben bewiesen zu haben, dass jeder von uns in der Raumzeit unendlich viele Doppelgänger haben müsse. Ihre Argumentationskette findet sich als finale Version veröffentlicht in J. Garriga & A. Vilenkin: Many Worlds in One, Phys. Review, Vol. D64, p. 043511 (2001), als Entwurf aber auch an Stelle arXiv.
 
Selbst wenn es keinerlei quantenphysikalische Unschärfe gäbe, müsste ihr Argument "we argued that the number of distinct histories is finite, which allowed us to conclude that there should be regions with histories identical to ours" als nicht schlüssig zurückgewiesen werden. Tatsächlich gefolgert könnte nur werden, dass die endliche Zahl der Historien unendlich vieler Welten zeigen würde, dass mindestens  e i n e  dieser Historien unendlich vielen Welten gemeinsam sein muss.
 
Das also ist ihr erster Denkfehler. Ein zweiter ist noch weit gravierender:
 
Heisenbergs Unschärferelation angewandt auf das Paar Energie und Zeitspanne macht uns klar, dass keine Historie — für welch kurzen Zeitraum auch immer — aus nur endlich vielen Ereignissen bestehen kann. Richtig ist vielmehr:
 
ES GIBT KEINE HISTORIE MIT NUR ENDLICH VIELEN EREIGNISSEN !!!

 
Damit muss dann aber — im Gegensatz zur Annahme von Vilenkin und Garriga — auch die Zahl möglicher Historien keineswegs endlich sein. Dies gilt für jeden Teilbereich der Raumzeit, in den eine raumzeitliche Kugel mit positivem Radius passt (wie klein auch immer sie sein mag).
 
 
Leider haben viele Buchautoren, ja sogar der Mathematiker John Barrow, Vilenkins Beweisführung kritiklos übernommen, und so kommt es, dass z.B. Hürtner & Rauner in ihrem Buch Die verrückte Welt der Paralleluniversen (Piper 2009) auf Seite 77 behaupten:

    (1)   In einem unendlichen Weltraum gibt es unendlich viele Gegenden von der Größe unseres beobachtbaren Universums.
    (2)   Weil jede dieser Gegenden nur endlich groß ist, kann sie nur auf endlich viele Arten mit Teilchen gefüllt sein.
    (3)   Daher muss unser Universum da draußen in unendlich vielen Kopien existieren — und in allen Variationen.

Tatsächlich aber ist nur die erste dieser drei Aussagen richtig. Die beiden anderen sind falsch und somit gilt:
 
 
 
Vilenkins Argumentation zeigt keineswegs,
 
dass unser Universum (oder jeder von uns) in unendlich vielen Kopien existiert.

 
 
Heisenbergs Unschärferelation und die Gesetze der Chaostheorie machen es sogar ganz extrem unwahrscheinlich.


 

 Beitrag 0-252
Einsteins Gravitationsgesetz zeigt: Auch Druck und Spannung haben gravitative Wirkung

 
 

 
Einsteins Gravitationsgesetz



Jörg Resag (2012, S. 26):
 

Die Gravitationswirkung, die von einen kleinen kugelförmigen Volumenbereich insgesamt ausgeht,
 
ist proportional zu seiner Energiedichte
 
zuzüglich dem dreifachen Druck in diesem Bereich.

Hierbei gilt:
     
  • Die Energiedichte umfasst die Materiedichte gemäß  E = m c2  und ist stets positiv.
     
  • Der Druck in dieser Formel kann sein
       
    •   p o s i t i v e r  Druck (wie bei einem Gas) oder
       
    •   n e g a t i v e r  Druck (wie in einem gespannten Gummi, der sich zusammenziehen möchte).

     
    Die Verdreifachung des Drucks hat ihre Ursache in den 3 Raumrichtungen: Jede Raumrichtung leistet einen eigenen Beitrag.

Details in Resag.
 


Bei normaler Materie spielt der Druck im Vergleich zur Energiedichte keine nennenswerte Rolle. Ganz anders ist es z.B. bei einem Neutronenstern oder im Feld der Inflationstheorie:

 
 
Beispiel 1: Neutronenstern


Jörg Resag (2012, S. 26):
 
In einem Neutronenstern ist eine komplette Sonnenmasse [genauer: maximal 1.4 Sonnenmassen] auf nur wenige Kilometer zusammengequetscht. Es gibt keine Atome mehr, denn die Elektronen der Atomhüllen wurden gleichsam in die Protonen der Atomkerne hineingedrückt, so dass der gesamte Stern nun nur noch aus Neutronen besteht.
 
Die Dichte so eines toten Sterns ist extrem groß und sein Gravitationsfeld schon fast so stark, ihn zu einem Schwarzen Loch zu machen. Damit nichts passiert — sich also Gleichgewicht einstellt — müssen die Neutronen einen extrem starken Gegendruck erzeugen. Sie tun dies aufgrund des Pauliprinzips, [nach dem keine zwei Neutronen ihren Schwerpunkt an genau gleicher Stelle haben können].
 



 
Beispiel 2: Das Inflatonfeld


Jörg Resag (2012, S. 27-29):
 
Bei einem unterkühlten Inflatonfeld ist es genau umgekehrt:
 
Es möchte sich zusammenziehen, hat also stark negativen Druck. Er ist so stark, dass die von ihm verursachte abstoßende Gravitationswirkung die anziehende der Energiedichte überwiegt (es wird der Druck ja 3-fach gezählt).
 
Insgesamt führt das zu einer Aufblähung des Raumes.
 
Man könnte nun vermuten, dass sich das Inflatonfeld seines rasch zunehmenden Volumens wegen schnell ausdünnt und so seine abstoßende Gravitations­wirkung verliert. Das aber ist nicht der Fall, denn da das Feld sich zusammenziehen will, kostet es Energie, das Volumen aufzublähen (so wie es auch Energie kostet, einen Gummi auseinander zu ziehen). Diese Energie fließt ins Inflatonfeld und bewirkt, dass seine auf Expansion des Raumes zielende Kraft erhalten bleibt.
 
Man kann es auch so ausdrücken:
 
Da das Inflatonfeld in einem hoch energetischen, metastabilen Zustand gefangen ist und seine Energiedichte trotz Aufblähung des Raumes nahezu konstant bleibt, muss es starken negativen Druck aufweisen, so dass – ihn aufrecht zu erhalten – bei der Raumexpansion Energie zugeführt werden muss. Sie stammt aus der abstoßenden Gravitationswirkung, welche wie eine unerschöpfliche Energiequelle wirkt.
 
Das unterkühlte Inflatonfeld zeigt sich in Einsteins Gleichungen als (nur fast konstante) kosmologische Konstante — als metastabiles Gleichgewicht.
 
    Dass Einsteins Konstante, von der er später nichts mehr wissen wollte, heute eine Renaissance erlebt, hat einen bestimmten Grund: Die Lösung seiner Gleichungen ist instabil (was Einstein zunächst nicht wusste). Geringe Abweichungen von der angenommenen Materieverteilung führen schließlich doch zu einem expandierenden oder kollabierenden Universum – insofern hatte Einstein Recht, wenn auch eher ungewollt. Denn seine Gleichungen sollten eigentlich ein konstantes Universum beschreiben.

Die abstoßende Gravitation des unterkühlten Inflatonsfeldes wirkt umso stärker, je aufgeblähter der Raum bereits ist. Daher braucht man zu Beginn einen Raumbereich mit einer kritischen Mindestgröße, um die Expansion zu starten. Was dann passiert ist klar: Dieser Raumbereich bläht sich miz zunehmender Geschwindigkeit auf, und da das Inflatonfeld sich ständig nachbildet und so nahezu konstanten negativen Druck aufweist, wird die abstoßenden Gravitationswirkung ständig stärker, was wiederum die Expansion beschleunigt.
 
Man nimmt heute an, dass die inflationäre Expansion des durch uns beobachtbaren Raumes über etwa 10-35 sec angehalten hat und sich hierbei sein Volumen alle 10-37 sec verdoppelt hat (so dass es sich ingesamt um einen Faktor zwischen 1030 und 1050 ausgehnt haben sollte. Das also muss man sich als den Urknall vorstellen.
 
    Diese Zahlen sind mit großer Unsicherheit behaftet. Aber schon ein Vergrößerungsfaktor von nur 1030 würde bedeuten, dass sich damals Raumbereiche, deren Größe einem Atom entspricht, zu einer Kugel mit einem Durchmesser von immerhin zehntausend Lichtjahren aufgebläht haben.

Solange sich das unterkühlte Inflatonfeld im seinem hochenergetischen, metastabilen Zustand befindet, solange hält auch sein negativer Druck, was dazu führt, dass der Raum zunehmend schneller expandiert und immer mehr Gravitationsenergie ins Inflatonfeld übergeht. Die Inflation flaut erst dann ab, wenn der metastabile Zustand zusammenbricht. Erst dann wandelt sich die vom Inflatonsfeld abgegebene Energie in Teilchen um, die wir kennen: vor allen in Quarks und Leptonen, aber wohl auch in Teilchen, die sog. Dunkle Materie darstellen.
 
Ab diesem Moment — den man dann als Aufheizung (reheating) des Universums bezeichnet, ist der Raum mit extrem heißer dichter Strahlung ausgefüllt. Ihre Gravitationswirkung bestimmt die weitere Entwicklung.
 
Da wir heute beobachten, dass die Expansion des Raumes sich langsam wieder verstärkt, muss es im Raum etwas geben, das schwache abstoßende Gravitationswirkung hat: sog. Dunkle Energie. Wir wissen heute nicht, was sich dahinter verbirgt.
 


 
Quelle: Jörg Resag: Zeitpfad — Die Geschichte unseres Universums und unseres Planeten, Springer Spekrum 2012


 

 Beitrag 0-243
Wie man das Alter der Erde bestimmt und warum wir alle aus Sternenasche bestehen

 
 

 
Wie man das Alter der Erde bestimmt

und warum wir Menschen aus Sternenasche bestehen

 
 
Im Mittelalter versuchten Alchemisten immer wieder, häufig vorkommene (billige) Stoffe in Gold zu verwandeln.
 
Der Grund, warum sie scheiterten. war — wie uns heute klar ist —, dass sie dazu hätten wissen müssen, wie sich die Zusammensetzung von Atonkernen abändern läasst. Zudem sind für solche Kerntransformation Energien notwendig, welche die im Rahmen einer chemischen Reaktion um das Millionenfache übersteigen.
 
Solche Portionen von Energie entstehen z.B. bei der Explosion von Wasserstoffbomben, aber nicht im Rahmen natürlicher Prozesse auf der Erde.
 
Mit winzigen Ausnahmen allerdings: Eine ist der spontane Zerfall radioaktiver Elementein in leichtere. So zerfällt etwa ein Uranatom in durchschnittlich 4.5 Mrd Jahren zu Blei, so dass die Menge allen Urans auf der Erde ständig kleiner wird.
 
Und so beruhen denn auch unsere besten Schätzungen des Erdalters auf Messungen der relativen Verteilungen von Uran und Blei.

 
Wie man weiß, entstehen schwere Element ausschließlich in Sternen, deren Inneres schon eine Temperatur von weit über 100 Mio Grad erreicht hat. Wo so ein Stern schließlich als Supernova sein Leben beendet, werden in seinem Inneren des hohen Drucks wegen entstandene schwere Elemente ins All hinaus verstreut.
 
Und in diesem Sinne ist richtig, was Martin Rees, ein Astrophysiker, schrieb:
 

  Wir sind Sternenstaub — Asche von Sternen, die schon lange nicht mehr existieren.


 

 Beitrag 0-400
Was man unter einem Vakuum versteht

 
 

 
Was man unter einem » Vakuum « versteht

 
 
Ein absolutes Vakuum wäre ein Zustand, in dem nichts existiert, das auf Veränderung drängt.
 
Beste bekannte Näherung hierfür ist das Vakuum im Sinne der Physik: Ein Zustand, in dem nur noch Quantenfluktuation auf Veränderung drängt.
 
 
Unter einem » falschen Vakuum « verstehen Physiker einen Zustand, in dem absolutes Gleichgewicht aller auf Veränderung hin drängenden Kräfte herrscht. Es ist instabil, denn es wird schlagartig zusammenbrechen, sobald auch nur eine jener Kräfte irgendwo doch Veränderung herbeiführen kann. Man spricht dann von einem spontanen Bruch der Symmetrie.
 
 
 
 
Der Quantenphysiker Michio Kaku erklärt es anhand eines Beispiel wie folgt:

Michio Kaku (2024):
 
Ein Symmeriebruch ist vergleichbar mit dem Bruch eines Staudamms:
 
Wasser fließt — getrieben durch die Schwerkraft — bergab, wird sich aber, wo es auf einen Staudamm trifft, sammeln und dort — sozusagen im falschen Vakuum — verharren, bis der Damm zu bröckeln beginnt und schließlich bricht.
 
Ist das der Fall, wird sich das Wasser in Bewegung setzen bis es Meeresniveau erreicht hat (womit es dann in dem Zustand verbleibt, der dem » echten Vakuum « entspricht).
 



 

 Beitrag 0-245
Das Vakuum kann sehr unterschiedlichen Zustand haben

 
 

 
Eigenschaften des Vakuums
 
und wie sich daraus die Inflationstheorie begründen lässt

 
 
Wer sich vorstellt, er befände sich weit draußen im Atlantischen Ozean, dem wird klar sein, dass er dort sehen wird
     
  • bei nahezu Windstille nur weit ausgedehnte Wellen geringer Höhe, deren Form sich nur relativ  l a n g s a m  ändert,
     
  • bei Sturm aber Wellen, die sich beinahe senkrecht hoch auftürmen, ihre Form und Höhe aber recht  s c h n e l l  wieder verlieren.

Die Wellenhöhe über den gesamten Ozean hinweg kann als skalares Feld aufgefasst werden.
 
 
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Vakuum: Es stellt ein Meer von Energie dar, dessen Dichte ortsabhängig schwankt und — wie die ortsabhängige Wellenhöhe des Ozeans — durch ein Skalarfeld beschrieben werden kann.
 
So gesehen lässt sich das Vakuum vergleichen mit einer Landschaft, die in weiten Teilen nur wenig Höhenunterschiede aufweist. Jedes Tal in dieser Landschaft der Energiedichte nennen Physiker ein Vakuum.
 
Ein Vakuum, dessen Energiedichte nahezu null ist, nennt man ein  e c h t e s  Vakuum, ansonsten aber ein  f a l s c h e s  Vakuum.
 
 
Je höher die Energiedichte eines falschen Vakuums ist, desto  i n s t a b i l e r  verhält es sich — ganz analog zu den Wellen im Ozean, die ja auch, weil dann durch nichts gehalten und zusammengepresst, umso schneller in sich zusammenstürzen, je höher sie wurden.
 
Inflation im Sinne der Kosmologie ist nichts anderes als der Zusammensturz eines falschen Vakuums: So plötzlich, wie seine Energiedichte abnimmt, so schnell dehnt der Raum sich aus (aus einer steilen, hohen Welle geringen Durchmessers wird fast schlagartig eine flache, weit ausgedehnte).
 
 
Innerhalb des Beobachtungshorizonts der Menschen — und ganz sicher auch noch weit über ihn hinaus — herrscht derzeit ein echtes Vakuum: Man geht heute (2006) davon aus, dass seine Energiedichte einer Masse von 3 Wasserstoffatomen pro Kubikzentimeter entspricht.
 
Heutige, erst im Ansatz vorhandene physikalische Theorien kennen noch zwei weitere Vakua (Zustände des Vakuums):
     
  • Das erste von beiden ist das sog. Elektroschwache Vakuum: Ein Zustand des Vakuums, wie er Bruchteile von Sekunden nach dem Urknall vermutet wird.
    Seine Energiedichte entspricht etwa 1019 Tonnen (etwa der Masse des Mondes) pro Kubikzentimeter.
     
  • Das zweite ist der Zustand des Vakuums während der sog. GUT-Ära: Ein noch näher am Urknall vermuteter Zustand, der so energiereich war, dass es noch keinen nennenswerten Unterschied gab zwischen der starken Wechselwirkung einerseits und der elektroschwachen andererseits.
    Ihn kennzeichnet eine Energiedichte, die nochmals um etwa den Faktor 1048 höher ist als die des elektroschwachen Vakuums.

Wichtig ist:
 
Typ und Masse möglicher Elementarteilchen sind abhängig vom Zustand des Vakuums

 
 
Die Rate, mit der der Raum während des Zusammenbruchs eines falschen Vakuums expandiert, ist unverstellbar groß, und die Zeitspanne, in der so ein Zusammensturz erfolgt, ist umso kürzer, je höher die Energiedichte des zusammenbrechenden falschen Vakuums war.
 
Beim Zusammenbruch des elektroschwachen Vakuums vergrößerten sich alle Abstände im Raum im 13-ten Teil einer Microsekunde um etwa den Faktor 10100. Während des Zusammenbruchs des Vakuums der GUT-Ära war die Expasionsrate, wie man heute denkt, sogar 1026 mal so hoch.
 

 
 
Das Vakuum: ein Meer von Energie, in dem Welten entstehen

 
 
Wie oben erklärt, lässt sich der Kosmos — das falsche Vakuum, in dem dann Welten entstehen — gut vergleichen mit einem Ozean von Energie, deren Dichte an jeder Stelle man als lokale "Wassertiefe" sehen könnte.
 
Dieses Meer von Energie verhält sich analog zu einem Meer aus Wasser:
 
Wo ein Meer über weite Strecken hinweg wenig tief ist, vielleicht nur Zentimeter tief, können sich selbst bei Sturm keine hohen Wellen bilden.
 
Ganz analog dazu wird es Inflation im Ozean der Welten vor allem dort geben, wo hohe Energiedichte vorliegt.
 
Inflation reduziert drastisch die Energiedichte, so dass weit ausgedehnte Regionen geringer Energiedichte entstehen, die evolutionstechnisch gesehen den Weg nehmen, den auch unser Universum genommen hat und noch nehmen wird:
     
  • Erst entstehen Galaxien.
     
  • Da das Vakuum aber auch dort noch nicht all seine Energie abgegeben hat, wird der Raum weiter expandieren, nun aber sehr viel langsamer.
     
  • Dies hat zur Folge, dass sein Inhalt sich über lange Zeiträume hinweg ständig verdünnen wird mit dem Effekt, dass die im Raum und seinem Vakuum vorhandene Energiedichte schließlich asymptotisch gegen Null geht.
     
    Wie Simulation gezeigt hat [ in Vilenkins Buch wird auf den Seiten 99-100 darüber berichtet ] entstehen im falschen Vakuum ständig — gut vergleichbar
    mit aus dem Meer hochsteigenden Inseln — Regionen, in denen die Energiedichte so stark absinkt, dass sich diese Region dann als ein Universum darstellt, welches vergleichbar ist mit dem, in dem wir leben.


 
Quelle: Alex Vilenkin: Kosmische Doppelgänger, Originaltitel: Many Worlds in One (2006), S. 57-63, 99-100.

 
Die eben beschriebene Theorie ewiger Inflation erwies sich als eine Ergänzung der Urknalltheorie, welche zusammen mit ihr auch Fragen beantworten kann, auf die vorher niemand eine Antwort wusste. Eben deswegen erscheint sie am plausibelsten, obgleich sie einen Kosmos postuliert, der noch weit komplexer, weit größer und weit erstaunlicher ist, als man bis dahin dachte.
 
Sie macht insbesondere deutlich, dass der Ursprung allen Lebens (und auch der Zeit) im Vakuum liegt, genauer: in nie aufhörender Quantenfluktuation.

 

 Beitrag 0-320
Wie groß ist das Multiversum?

 
 

 
Wie groß ist das Multiversum?

 
 
Die heute mit Abstand plausibelste Theory über Struktur und Größe des Weltalls insgesamt ist die durch Alan Guth, Andrei Linde und Alexander Vilenkin gefundene bzw. fortgedachte Theorie ewiger Inflation.
 
Nach ihr, so schreibt der Astrophysiker Paul Davies, muss man sich das Weltall vorstellen als
     
  • einen sich ewig extrem schnell ausdehnenden Raum,
     
  • in dem blasenartig Welten entstehen, die aussehen können wie unser Universum.

Jede solche Welt ist eine Stelle im inflationierenden Raum, an der die Inflation zum Erliegen kommt, die Inflationsenergie zu Wärme wird und so durch einen Urknall eine Welt gebären kann, in der der Raum sich kaum noch ausdehnt. Details dazu in Notiz Die Grundidee der Inflation des falschen Vakuums.
 
Selbst wenn sich solche Taschen-Universen (auch Blasen-Universen genannt) kaum noch ausdehen, können sie wirklich extrem groß sein: größer als man sich noch vorstellen kann:
 
Auf Basis der Theorie durchgeführte Rechnungen ergeben, dass der Durchmesser einer typischen Blase durchaus 10 hoch 10 Milliarden Kilometer betragen könnte (was verglichen mit dem Durchmesser des durch uns beobachtenbaren Universums, der nur etwa 1023 km beträgt, unvorstellbar groß ist: weit größer — ja sogar um viele Größenordnungen größer — als der Unterschied zwischen der Größe eines Elektrons verglichen mit der Größe des beobachtbaren Universums.
 
Da der Raum zwischen den Blasen weiterhin inflatinär expandiert, ist nicht zu erwarten, das es häufig zu einem Zusammenstoß zweier Blasen kommt. Ganz im Gegenteil: Obgleich, wie wir am Beispiel unseres Universums sehen, die Expansion des Raumes in den Blasen keineswegs ganz aufhören muss, dürfte es so sein, dass die Abstände zwischen den Blasen sich wenigstens alle 10-34 sec verdoppeln. Selbst Licht kann — ausgehend von einer Blase — andere dann nicht mehr erreichen.
 
 
Zusammenfassend lässt sich feststellen:
     
  • Noch vor 500 Jahren glaubten viele Menschen, dass der Kosmos der nur wenige tausend Kilometer Durchmesser und die Erde zum Mittelpunkt habe.
     
  • Noch Anfang des 20. Jahrhunderts — als man dann schon wusste, dass es der Sonne ähnliche Sterne gibt, die viele Lichtjahre weit von uns entfernt sind — kannte man keinen Unterschied zwischen der Milchstraße und dem gesamten Universum.
     
  • Dass es Milliarden anderer Galaxien gibt, wurde erst klar, nachdem man in den 1920-er Jahren gelernt hatte, die Entfernung bestimmter Sterne (der sog. Cepheiden) von der Erde abzuschätzen. Nun aber — zu Beginn des 21. Jahrhunderts — haben die Dimensionen der Welt, von denen wir ausgehen müssen, einen Sprung ins schier Unermessliche hinein gemacht.

Vorsicht aber: Die Darstellung von eben ist noch etwas zu einfach. Einsteins Relativitätstheorie nämlich zeigt uns, dass
     
  • es absolute Entfernungen und Zeitabschnitte eindeutiger Länge gar nicht gibt ( sondern nur vom Bezugssystem abhängige Sichten auf zeitliche und räumliche Entfernung ),
     
  • es rein räumliche Abstände nicht gibt ( sondern alle Abstände raumzeitlicher Natur sind, der zweite Kommentar zu [m] diskutiert das )
     
  • und Beobachtern im Inneren einer Blase ihr Durchmesser unendlich groß erscheinen kann, selbst wenn sie von außen betrachtet nur endliche Größe hat.

 
 
Quelle: Paul Davies: Der kosmische Volltreffer (2008), S. 114 und Fußnote 29 auf S. 346


 

  Beitrag 1149-133
Der allumfassende Kosmos — ist er eine logische Unmöglichkeit?

 
 
Henry aus 1149-132:
 
Da ich nicht davon ausgehe — und der Großteil der Physikergemeinde ebenfalls nicht —, dass der Kosmos aus dem Nichts entstand, sondern möglicherweise aus einer Fluktuation des Vakuums, ...
 


Das Problem mit dieser Argumentation ist:

Wenn der Kosmos nicht aus dem Nichts entstand, muss dieses Etwas, aus dem er entstand, sich ja selbst wieder der Frage stellen, wie es zu seiner Existenz kam.
Man wäre dann also keinen Schritt weiter ...


Nebenbei: Wenn man unter dem Kosmos wirklich alles versteht, was je war, muss man ja auch jenes Etwas als einen Teil des Kosmos betrachten.
So gesehen, kann der Kosmos eigentlich niemals entstanden sein (in dem Sinne, dass vorher gar nichts da war).

Den Begriff "Kosmos" widerspruchsfrei zu definieren scheint fast so unmöglich, wie es unmöglich ist, den Begriff der "Menge aller Mengen" wohldefinert zu haben.

 

  Beitrag 1149-139
Gibt es Wirkung ohne Ursache?

 
Stueps aus 1149-136:
Ein "einfach sein" - ohne weitere Annahme - widerspricht in meinen Augen jeder Logik, und das auf schlimmste anzunehmende Weise. Nachdem alles, aber auch alles der Kausalität verpflichtet ist, ohne jede Ausnahme. Ein einfach "Nichts" dagegen würde ich ohne Weiteres akzeptieren. Mir scheint Hawkings Annahme nur scheinbar logisch, ich vermute sogar einen Zirkelschluss.

Hallo Stueps,

nicht jedem Ereignis kann auch eine Ursache zugeordnet werden. Max Born schreibt dazu auf Seite 34 seines Buches [1] folgendes:

Zitat:
Die Unmöglichkeit, alle Daten eines Zustandes exakt zu messen, verhindert die Vorherbestimmung des weiteren Ablaufs. Dadurch verliert das Kausalitätsprinzip in seiner üblichen Fassung jeden Sinn. Denn wenn es prinzipiell unmöglich ist, alle Bedingungen (Ursachen) eines Vorganges zu kennen, ist es leeres Gerede zu sagen, jedes Ereignis habe eine Ursache.

Timothy Ferris sieht das ähnlich. Er meint sogar, dass das Ursache-Wirkungs-Modell könnte auch beim Ursprung des Universums versagen. Er schreibt dazu auf Seite 299 seines Buches [2] folgendes:

Zitat:
Ähnlich gibt es in der Quantenmechanik streng genommen keine Ursache für eine bestimmte Vakuumfluktuation, wie etwa die Fluktuation, die einige Varianten der Inflationstheorie als Motor der Schöpfung betrachten, sondern die Schwankungen ergeben sich statistisch. Ein strenges Ursache-Wirkungs-Modell könnte damit sowohl in der Quantenphysik als auch bei der Betrachtung des Ursprungs der Schöpfung versagen. Möglicherweise ist dies kein Zufall, sondern ein Hinweis darauf, dass das Quantenprinzip den Schlüssel zum Verständnis der Genesis birgt.

Wenn Begriff der Ursache in der Quantenmechanik nur eingeschränkt sinnvoll ist, dann ist m.E. wohl kaum sinnvoll, den Begriff der Ursache sogar auf das gesamte Universum anzuwenden.

M.f.G. Eugen Bauhof

[1] Born, Max
Physik im Wandel meiner Zeit.
Braunschweig 1983
ISBN=3-528-08539-8

[2] Ferris, Timothy
Chaos und Notwendigkeit.
Report zur Lage des Universums.
München 2000
ISBN=3-426-27078-1
 

  Beitrag 1149-151
-

 
 
Stueps aus 1149-145:
Bauhof aus 1149-139:
Hallo Stueps,

nicht jedem Ereignis kann auch eine Ursache zugeordnet werden.

Hallo Eugen,

ja, das ist richtig. Seit klar ist, dass die Bellsche Ungleichung verletzt werden kann und wird, ist es wohl sogar so, dass bestimmte Ereignisse keine Ursache haben.


An Stueps & Eugen:

Mir scheint, ihr denkt beide etwas zu undifferenziert.


Zunächst zur Bellschen Ungleichung:
  • Sie (und Aspects Ergebnisse entsprechender Experimente) schließt aus, das es sog. "verborgene Variable" gibt. Das aber bedeutet noch lange nicht, dass bestimmte Ereignisse keine Ursache haben.
  • Beweis: Sind Q1 und Q2 zwei zueinander verschränkte Quanten und stellt man zunächst Q1 eine Messfrage, so wird — wenn man kurze Zeit später Q2 dieselbe Frage stellt — die Antwort beider identisch sein (aber zufällig in ihrem Wert).
    Irgendwie also muss das Wissen über die Antwort, die Q1 gab, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem man Q2 dieselbe Frage stellt, erhalten geblieben sein.

Nun zur Antwort auf eine Messfrage:
  • Die Antwort, die Q1 gibt, ist aus Sicht der Experimentalphysik ihrem Wert nach zufällig. Aber ist sie wirklich  a b s o l u t  zufällig? Mindestens zwei Argumente sprechen dagegen:
  • Ist Q1 ein Photon, welches nach seiner Ploarisationsrichtung gefragt wird, so wird — wenn man nach exakt derselben Ausrichtung zweimal hintereinander frägt —, die zweite Antwort mit der ersten übereinstimmen.
    Auch hier also sehen wir: Irgendwie hat die Antwort auf die Frage Q1 doch bleibend geprägt.
  • Was aber war denn eigentlich die absolut  e r s t e  Frage? Antwort: Wir können es nicht wissen, denn da es ja überall Quantenfluktuation gibt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die erste Interaktion von Q1 mit einer "Messapparatur" seine Interaktion mit einem virtuellen Teilchen war.
  • Konsequenz daraus: Da Quantenfluktuation ihre Begründung in Heisenbergs Unschärfe-Relation hat — sie wird durch sie, wenn man jenes Gesetz als Unbestimmtheits-Relation sieht, ja geradezu  e r z w u n g e n  —, scheint auch die Zufälligkeit, mit der sich auf eine bestimmte an Q1 gestellte Messfrage eine ganz bestimmte Antwort ergibt, letztlich aus der Unschärfe-Relation zu kommen. Und zwar einschließlich der konkreten Wahrscheinlichkeit, mit der sich so ein Wert ergibt.
  • Ursache aller Zufälligkeit ist deswegen ganz eindeutig die Unschärfe-Relation.
  • Besonders interessant daran ist, dass jene Zufälligkeit umso gravierender (um nicht zu sagen umso chaotischer) wird, je kleinere Deltas man betrachtet.
    Hier ein Beispiel: Heisenbergs-Unschärferelation gilt z.B. auch für das Paar ( Energie, Zeit ), wo die Zeitunschärfe die Zeit ist, die der Schwerpunkt einer Teilchenwelle benötigt, die Ortsunschärfe zu durchlaufen (siehe Hees).
    Das aber bedeutet: Je kleiner die Ortsunschärfe ist, die man betrachtet, desto höher wird die Gesamtenergie aller an diesem Ort in diesem Zeitabschnitt ent­stehender und vergehender virtueller Partikel sein (und desto wahrscheinlicher ist es, dass es unter ihnen auch beliebig schwere, dann aber auch entsprechend kurzlebige geben wird). Wenn wir jetzt also z.B. ein Elektron an bestimmtem Ort beobachten, kann man über Feynman-Diagramme beschreiben, welche Wahr­scheinlichkeit besteht, dass es in welcher aller möglichen Weisen mit virtuellen Partikeln welcher Art interagiert. Natürlich gibt es unendlich viele solch möglicher Interaktionen und daher auch unendlich viele solcher Diagramme. Nun ist aber der Beitrag zur Situation, den eine solche Möglichkeit liefert, umso geringer, je komplizierter das jeweilige Diagramm ist. ...

Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 1149-153
Der Kosmos (in der weitesten Interpretation dieses Wortes)

 
 
Henry aus 1149-150:
 
"Kosmos" steht ursprünglich für das "Geordnete", als Gegensatz zum Chaos. Klar, ich verwende es synomym zu Universum und verstehe darunter all das, was innerhalb der Raumzeit physikalisch begreifbar ist, aber das sehe ich nicht aus eigener Definition heraus so, sondern das ist "kosmologisch-physikalischer Usus".


Nun, Henry,

du verwendest die Worte "Kosmos" und "Universum" synonym.

Die Stringtheorie lehrt mich, dass man das nicht tun sollte: Unser Universum (als Raumzeit) könnte eines unter sehr vielen sein, die parallel zueinander existieren.
Sie alle zusammen würden das bilden, was ich als "Kosmos" bezeichne.

Lisa Randall geht noch weiter: Sie vergleicht Universen im Sinne der Stringtheorie mit Quallen in einem großen Meer, das sie dann "Bulk" nennt.
Auch jener "Bulk" wäre Teil dessen, was ich als den "Kosmos" bezeichne":

Für mich ist der  K o s m o s  wirklich ALLES, was existiert ("anfassbar" oder auch nur rein gedanklich).


Beispiel und Konsequenz daraus:
  • Logiker haben gezeigt, dass die logische Welt, in der wir normalerweise argumentieren, keineswegs die einzige ist. So hat ein Hochschullehrer mir mal gesagt, dass ein gewisser Cohen — ein ganz berühmter Logiker — einen Kalkül, eine formale Logik also, konstruiert habe, unter der die Menge der rationalen Zahlen NICHT mehr abzählbar ist. Wer Cantors Diagonalverfahren kennt — seinen Beweis für die Abzählbarkeit der Menge aller rationalen Zahlen — dem wird klar, dass diese seltsame Logik, wenn es sie denn wirklich geben sollte, nicht verträglich sein kann mit der, die wir als Physiker oder Mathematiker sonst nutzen (und als Standardlogik sehen).
    Die Stringtheoretiker behaupten, dass schon in der Welt der Standardlogik etwa 10500 verschiedene Typen von Universen existieren könnten (so dass keine zwei dieser Typen exakt gleiches physikalisches Geschehen erlauben). 2005 wurde nachgewiesen, dass es sogar unendlich viele sind.
    Da muss man sich jetzt also doch einfach die Frage stellen, wie viele noch ganz anderer Typen von Universen und physikalischer Gesetze denn nun unter je einer Non-Standard-Logik existieren könnten.
  • Noch krasser: Es scheint nicht ausgeschlossen, dass es unendlich viele zueinander nicht äquivalent Non-Standard-Logiken gibt.
  • Der  K o s m o s  in meinem Sinne beinhaltet auch noch all das, was in allen nur möglichen  l o g i s c h e n  Welten existieren könnte (weil all dieser Logik ja Existenz zukommt — und sei es nur gedankliche).

Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 2049-1
Kann es neben unserem Universum (als Raumzeit-Raum) noch andere geben?

 
 


Was über unser Universum hinaus noch existieren könnte


Ausgangspunkt dieses Diskussionsfadens ist der Meinungsaustausch in Beitrag 1149-153

( gefolgt von Eugen Bauhofs Metakommentaren in 1149-160 und 1149-161 )



Henry aus 1149-162:
 
Gebhard,

es geht mir überhaupt nicht um die Stringtheorie, es geht um alle Baby-, Mutter-, Onkel- und sonstige Universen sowie für als real behauptete Dimensionen (aufgerollt von mir aus) und alle "Vielwelten" und was da sonst noch die Multiversen bevölkert und der Spekulation Tür und Tor öffnet.

Für mich ist UNSER Universum der Maßstab, selbst wenn der im höchsten Maße unwahrscheinliche Fall eines Beweises für die Existenz weiterer Universen vorgelegt werden sollte, und es ist mir piepegal, was irgendwelche "Logiker" von sich geben. Das ist MEIN Kosmos, ist mein ALLES, ist unsere Zeit und unser Raum, und damit beschäftigt sich ursächlich im Übrigen auch die Stringtheorie, und auf deine Interpretation lasse ich mich nicht ein, das ist, was ich gemeint habe. Und das hat überhaupt nichts damit zu tun, ob ich Spekulationen ablehne oder nicht – ich lehne sie nicht ab, aber ich nehme sie als das, was sie vorläufig und bis zum Beweis des Gegenteils sind: eine Spielerei, die mit dem nachweisbaren Hier nichts zu tun haben.

Henry aus 1149-162:
 
Dass die Stringtheorie für die "Welt der Standardlogik" etwa "10 hoch 500" Universen für möglich hält, ist doch völliger Humbug (in dem Sinne, das die Stringtheorie erst diese Möglichkeit eröffnet hätte).

Basis der Stringtheorie sind mathematische Gegenstände — und NUR solche, die mit Hilfe unserer Standardlogik definiert und diskutiert werden. Damit ist natürlich auch alles, was die Stringtheorie für möglich hält auf diese Standardlogik gegründet.


Henry aus 1149-162:
 
Dass Universen existieren könnten, hat erstens mit Logik überhaupt nichts zu, so wie man grundsätzlich Existenz nicht auf Logik gründen kann, und ist zweitens keine Behauptung, die sich aus der Stringtheorie als Folge der Stringtheorie ergibt. Die Springtheorie widerspricht nicht solchen Spekulationen, ...

Dass bislang unentdeckte Universen existieren könnten, wird uns NUR durch logisches Nachdenken nahegelegt.
Und natürlich widerspricht die Stringtheorie solcher Schlußfolgerung nicht, denn es war ja sie, die uns diese Schlußfolgerung zum ersten Mal mathematisch begründet nahegelgt hat.


Henry aus 1149-162:
 
Die Möglichkeit vieler Universen ist eine uralte Möglichkeit und wurde schon von der Alten Griechen in Erwägung gezogen, die "Viele-Welten-Theorie" stammt aus den 50gern des letzten Jahrhunderts und hat – ich muss mich wiederholen – nichts mit der Stringtheorie zu tun.

Ich persönlich glaube nicht an Everetts Viele-Welten-Theorie. Und mit Stringtheorie hat sie rein gar nichts zu tun.

Auch an was griechische Philosopen vor gut 2000 Jahren gedacht haben mögen, hat nichts mit dem zu tun, was die moderne Theoretische Physik als möglich erachtet (vor allem auf Anregung der Stringtheoretiker hin).


Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 2049-9
Multiversum und nebeneinander existierende Welten

 
 
Hans-m aus 2049-7:
 
wenn wir uns Gedanken über mögliche Paralleluniversen machen dann müssen wir auch bedenken, was diese anderen Universen für unser Universen bedeuten.

Unser Universum existiert in unserer Raumzeit.


Hallo Hans-m,

es ist wichtig, zu verstehen, dass unsere Raumzeit — mit allem, was darin existiert — exakt unser Universum ist.

Ein Teil dieses aus mathematischer Sicht in sich komplett abgeschlossenen Raumzeit-Raumes ist das uns sichtbare Weltall (das eine gedachte Kugel um unsere Erde herum darstellt, die derzeit einen Durchmesser von ca. 46 Mrd. Lichtjahren hat). Licht von Sternen, die sich außerhalb dieser Kugel befinden, kann uns nicht mehr erreichen.

Wenn ich jetzt von möglichen weiteren Universen spreche, dann wären die ganz analoge Gebilde ( fast sicher mit je einem eigenen Zeitbegriff, der mit unserem möglicherweise überhaupt nicht in Beziehung setzbar ist ).

Das jedenfalls ist die Sicht der M-Theory (Standard-String-Theorie).


Lisa Randalls Idee (Non-Standard-String-Theorie) ist schon etwas anders:

Sie hat, gemeinsam mit anderen, eine Theorie entwickelt, nach der nebeneinander existierende Universen eher vergleichbar sind mit sehr kleinen Inseln in einem weiten Ozean. Diese Inseln sind so weit voneinander entfernt, dass mögliche Bewohner einer solchen Insel — z.B. der, die unser Universum darstellt — die Existenz noch anderer Inseln höchstens vermuten können.

Auf jeder dieser "Inseln" existieren andere physikalische Gesetze, was darin begründet ist, dass physikalische Grundkonstanten dort anderen Wert haben. Insbesondere kann das Verhältnis der Stärke der 4 Grundkräfte auf all diesen Inseln verschieden sein.

In diesem Ozean, den man dann ein Multiversum nennt, existiert dennoch ein Zusammenhang zwischen jenen Inseln: Ganz so wie auch zwischen weit auseinander liegenden kleinen Inseln im pazifischen Ozean einen Verbindung besteht: Da der Pazifik nur endliche Tiefe hat, könnte ein automatisch gesteuertes Gerät, am Boden des Ozeans entlang wandern, die andere Insel erreichen.

Kurz: Jede dieser Inseln entspricht einem im ganzen Mulitversum existierenden Wellenpaket. Als Insel zeigt es sich nur dort, wo es Werte annimmt, die nicht extrem klein sind.


Noch ganz anders &mdash und NICHT auf Stringtheorie beruhend — ist Bojowalds Theorie:

Seine Theorie (erstmals publiziert in 2004) ist die erste, in der von 2 Welten die Rede ist, die unterschiedlichen Zeitbegriff haben und deren Zeitpfeil unterschiedliche Richtung hat.
Es scheint so, als sei die eine aus der anderen geboren. Ich persönlich könnte mir auch vorstellen, dass man sie vielleicht als Zwillinge betrachten kann, die aus ein und demselben Ereignis — einem Ereignis außerhalb unserer Raumzeit — geboren wurden. Es endet in dem, was aus unserer Sicht der Urknall ist, in dem unser Universum entstand.


Hans-m aus 2049-7:
 
Wenn es jetzt noch ein oder mehrere andere Universen gäbe, dann bedeutet dies, dass die Universen zur gleichen Zeit wie das unsere existieren.

Somit würde das/die anderen Universen zumindest die Zeitachse der Raumzeit mit uns gemeinsam haben.

Diese Aussagen ergeben keinen Sinn, wenn — wie eben erklärt — "nebeneinander" existierende Universen unterschiedlichen Zeitbegriff haben.

Sie würden höchstens Sinn machen in dem Spezialfall, in dem ein im Multiversum existierendes Wellenpaket mehrere Spitzen hat (und so eine ganze "Inselgruppe" im "Ozean" darstellt): Wenn diese Inseln nicht allzu weit auseinander liegen, könnten sie noch gleichen — oder annähernd gleichen — Zeitbegriff haben.


Hans-m aus 2049-7:
 
Wenn die Universen neben unserem existieren, dann gäbe es auch ein ausserhalb unseres Universums.
Dies wäre dann aber nicht im Sinne unsere 3-dimensionalen Denkweise sondern in der n-ten Dimension neben uns.

Das sehe ich auch so.


Hans-m aus 2049-7:
 
Wenn es aber Universen jenseits unserer Raumzeit gibt, gab oder geben wird, könnten wir dann behaupten, dass diese Universen parallel zu unserem existieren, wenn diese ihre eigene Raumzeit haben und nicht neben unserem existieren und auch ihre eigene Zeitachse haben.

Begriffe wie "gibt" oder "gab" machen keinen Sinn, wenn man von Universen spricht, deren jedes einen eigenen Zeitbegriff haben kann (und selbst dort, wo sie sich berühren — wie in Bojowalds Theorie) unterschiedliche Richtung des Zeitpfeils haben können.

Der Begriff   Z e i t p f e i l  ist zu verstehen als die Richtung, die von Ursache zur Wirkung führt.


Gruß, grtgrt

PS: Das Wort "Viele-Welten-Theorie" sollte man vermeiden, denn es ist fest vergeben für Everetts Theorie.

Sie hat mit einem "Multiversum" oder "nebeneinander existierenden Universen" im oben diskutierten Sinn rein gar nichts zu tun. Man sollte sie eher sehen als eine gedankliche Krücke, als Bild also, dessen Qualität gut vergleichbar ist mit der Qualität der Bilder "Schrödingers Katze" und "Überlagerungszustand".

 

  Beitrag 2049-30
Parallel-Universen

 
 
Okotombrok aus 2049-28:
Grtgrt aus 2049-27:
 
Streng genommen muss der Abstand genau null sein (so dass beide Ereignisse am selben Ort stattfinden).

ist jedenfalls Unsinn.

Du musst deine persönlichen Ansichten hier nicht immer als allgemeingültig verkaufen.
Formulierungen wie "nach meiner Ansicht" oder "meinem Verständnis nach" wären 'mal angebracht.

mfg okotombrok


Hallo Okotombrok,

ich denke nicht, dass das Unsinn ist, denn auch in der SRT gibt es keine  b e o b a c h t e r - u n a b h ä n g i g e  Gleichzeitigkeit für Ereignisse, die nicht am selben Ort stattfinden.

Gruß, grtgrt
 

PS: Es sei hier nochmals ausdrücklich festgestellt, dass all meine Beiträge — soweit sie niemand anders zitieren — natürlich vor allem  m e i n e  Meinung darstellen. Und ich will keineswegs behaupten, dass ich mich nicht auch mal irren kann. Deswegen aber gleich jeden Beitrag mit dem Satz zu beginnen "Wenn ich mich nicht irre, ..." scheint mir nicht notwendig. Es wird schon jeder Leser selbst wissen, dass diese Einschränkung natürlich immer gilt.

Im übrigen lese ich selbst die Beiträge anderer ja auch nur in diesem Sinne.

 

  Beitrag 2049-41
In anderen Universen ...

 
 
Hans-m aus 2049-40:
 
In anderen Universen könnte alles ganz anders sein.

Wir können nicht einmal sagen, ob in anderen Universen Quarks, Atome, Photonen... etc existiern. Der Raum könnte, im Unterschied zu unserem 3-Dimensionalen Raum, sogar 5 oder 8 oder n-Dimensionen haben.

Selbst die Zeit, die bei uns 1-dimensional ist, könnte "drüben" 2 oder mehrdimensional sein. Die Zeit könnte, nicht wie bei uns, als Linie verlaufen, sondern als Fläche, die, ähnlich einer Wellenfront voranschreitet. und..und...und.

Ich denke unser Menschverstand reicht nicht aus, um sich das vorzustellen, was jenseits unsere Raumzeitgefüges existieren könnte.
Unsere Vorstellungskraft muss sich von der 3-dimensionalen Raumvorstellung (bzw 4-dimensionale Raumzeit) loslösen, die unseren Vorstellungshorizont begrenzt.
 


Ja, ich denke auch, dass man das so sehen sollte.

Die einzige Randbedingung, die bisher  a l l e  theoretischen Physiker als unumstößlich sehen, ist die Gültigkeit der Standardlogik (und damit auch die Gültigkeit aller uns bekannten mathematischen Gesetze) im gesamten Kosmos.

Ich selbst beginne mich zu fragen, ob man selbst davon wirklich ausgehen darf.

 
Siehe auch: Welcher Teil der Mathematik ist absolutes Axiom?

 

  Beitrag 2049-45
Worte — Konzepte — Logiken

 
 
Henry aus 2049-43:
Hi, Eugen!

Du schreibst sinngemäß: "Uns fehlt der Wortschatz, um über ein » Außerhalb der Raumzeit « zu sprechen".
Dem kann ich mich nur eingeschränkt anschließen. Wir haben schon den nötigen Wortschatz, nur sind die Wörter in ihrer Bedeutung naturgemäß schon belegt.


An Henry & Eugen:

Was ihr beide hier ansprecht, ist ein recht interessanter Punkt, den man aber richtig verstehen sollte.


Henry, so könnte man sagen, hat hier einen konkreteren "Wortschatz" im Auge als Eugen:

Eugen denkt eher an  K o n z e p t e , Henry eher an  W o r t e , die diese Konzepte (z.B. in einer bestimmten Sprache) benennen.



Ich meine das wie folgt:

Wo die theoretische Physik über hochspekulative Dinge spricht (z.B. über solche, die außerhalb unseres Universums existieren könnten), besteht sie rein nur aus Begriffen basierend auf einer ganz bestimmten Logik — bislang nur auf jener, die unsere Standardlogik ist. Allgemeinere Logiken, oder solche die nicht notwendig kompatibel zur Standardlogik sind, gibt es nur im Elfenbeinturm mathematischer Grundlagenforschung: dort also, wo Physiker (noch) nicht hinsehen.

Damit haben wir 3 mögliche Ebenen von Konkretheit, die ein "Wortschatz" ( als Vertreter einer Begriffswelt ) haben kann:
  • Ein bestimmtes Modell M
  • Die durch M vertretende Isomorphieklasse (bzw. Dualitätsklasse): class(M)
  • Die Logik, die wir benutzt haben, um M und class(M) zu konstruieren.

und dem entsprechend lässt sich feststellen:
  • M beschreibt Dinge D (den Wortschatz im Sinne von Henry),
  • Übergang von M zu class(M) bedeutet, jedes solche D als Implemntierung eines entsprechenden Konzeptes K(D) zu sehen. Diese Konzepte entsprechen dem Wortschatz im Sinne von Eugen.
  • Was D und K(D) aber wirklich ist, definiert vor allem die Logik, in deren Rahmen beide diskutiert werden (und mit deren Hilfe sie konstruiert wurden).

Gruß, grtgrt

PS: Der Unterschied zwischen Isomorphie einerseits und Dualität andererseits ist in Beitrag 2049-21 erklärt.
 

  Beitrag 2049-10
Korrekte Einordnung der Viele-Welten-Theorie von Hugh Everett III

 
 
Henry aus 2049-8:
 
Die Viele-Welten-Theorie und Stringtheorie beschreiben beide in Bezugnahme auf die Quantenmechanik die Möglichkeit weiterer Universen, wobei die Viele-Welten-Theorie explizit genau deshalb entwickelt wurde, die Stringtheorie aber ganz sicher nicht.


Henry,
das ist so nicht richtig, denn:

Everetts Viele-Welten-Theorie ist nur eine gedankliche Krücke, ein Bild, das man ebenso wenig wörtlich nehmen darf, wie das Bild von "Schrödingers Katze" oder den Begriff "Überlagerungszustand".

Auch deine Aussage "Die Entwicklung der Viele-Welten-Theorie beruht auf der Annahme, es gäbe VERBORGENE VARIABLEN" halte ich für absolut falsch. Woher nimmst Du diese Vermutung?

Tatsache ist:

Es gibt kein einziges Indiz dafür, dass Everetts Viele-Welten-Theorie zutreffen könnte (!).


Dass sie überhaupt entstand — und auch Everetts Doktorvater, John Archibald Wheeler, zunächst nicht so recht wusste, was er davon halten sollte, und sich deswegen erst etwa zwei Jahrzehnte später entschieden von ihr distanziert hat — lag einfach nur daran, dass man zur Zeit ihres Entstehens den sog. Kollaps der Wellen­funktion noch zu wenig verstanden hatte. Bitte lies dazu » Der Kollaps der Wellen­funktion: Allzu oft missverstanden! «.

Dass Everetts Theorie heute immer noch ernsthaft Erwähnung findet, ist nicht zun verstehen. Zur Ehre der Physiker, die noch davon sprechen, muss aber gesagt werden, dass sie Everetts Idee heute nicht mehr als Theorie, sondern nur noch als Interpretation bezeichnen. Nur Autoren, denen es vor allem darum geht, ihre Bücher zu vermarkten, tun so, als würde es sich um eine plausible oder gar schon bewiesene Theorie handeln.


Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 2079-1
Kosmischer Schaum — ist er wirklich nur Spekulation?

 
 

Kosmischer Schaum — wirklich nur eine Spekulation?


Dieses Thema soll der Frage gewidmet sein, was alles im Kosmos in einer Weise unendlich sein könnte, die man nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand der Physik nicht ausschließen kann.

Brian Greene (in: The hidden Reality), Lisa Randall (in: Warped Passages – Unravelling the Mysteries of the Universe’s hidden Dimensions) und auch John Barrow (in: Einmal Unendlichkeit und zurück, Kap. 7: Ist das Universum unendlich?) haben dazu schon Gedanken in die Welt gesetzt, die auf den ersten Blick wahrlich utopisch anmuten. Es geht aber durchaus noch utopischer:

  • Zunächst muss man sich vor Augen führen, dass die Frage, ob unser Universum zeitlich oder räumlich unendliche Ausdehnung hat, nur einen besonders einfachen Sonderfall der Frage nach Unendlichkeiten im Kosmos darstellt
  • und dass es da mindestens eine Unendlichkeit gibt, die wir schon kennen: Unendlich große Mengen, die ja wenigstens in unserem Kopf, auf rein gedanklicher Ebene, durchaus existieren. Unser Kopf aber, und all seine Gedanken, sind ja nun ganz klar auch Teil unseres Universums.

Damit ist klar:

Der Kosmos   h a t   t a t s ä c h l i c h   Aspekte, die unendlicher Natur sind.


Was der Begriff » unendlich « genau bedeutet, kann nur Mathematik uns wirklich klar machen. Aber auch mathematische Gesetze sind Teil unseres Universums. Was also liegt näher als auf der Suche nach physisch existierenden Unendlichkeiten von Beispielen in der Mathematik auszugehen?

Hier wenigstens ein solches Beispiel:

Wir betrachten die linear geordnete Menge aller reellen Zahlen. Sie ist auf jeden Fall unendlich groß, und das nicht nur in einer Hinsicht:

  • Sie hat neben unendlich großer Kardinalität
  • auch noch unendlich komplizierte Struktur, denn:
    Zu jedem nicht leeren Intervall W reeller Zahlen der Länge L und zu jeder positiven ganzen Zahl N existieren
     
    • unendlich viele Teilintervalle K von W, deren Länge kleiner als L/N ist, d.h. gegen Null konvergiert,
       
    • und existieren umgekehrt auch unendlich viel Intervalle G, die ihrerseits W als Teil enthalten und deren Länge größer als N*L ist und somit jede nur denkbare Ausmessung übersteigen kann.

Mit anderen Worten:

Unsere Welt — mindestens aber ihre Extrapolation durch unsere Gedanken — enthält Gebilde, die in beide Richtungen — ins Kleine ebenso wie ins Große hinein —tatsächlich unendlich reichhaltige Struktur aufweisen.

Liegt es dann nicht nahe zu fragen, ob nicht vielleicht auch schon der  p h y s i s c h  existierende Teil unseres Universums — was Struktur in ihm und Struktur um ihn herum betrifft — beschaffen sein könnte wie jenes Intervall W?

Realty Check 1: Moderne Physik kann sicher nicht ausschließen, dass dem so ist.


Wie könnte das aussehen? Na ja, vielleicht so:

Könnte es nicht sein, dass unser Universum U Teil eines Multiversums M ist, dessen Struktur und dessen Expansionsverhalten es vergleichbar machen mit einem schnell wachsenden Berg von Milchschaum, wie er entsteht, wenn Milch in einem offenen Topf zum Kochen kommt. Unser Universum U (d.h. unserer Raumzeit) entspräche in diesem Gleichnis einer einzigen, sich derzeit aufblähenden Blase in diesem Berg von Schaum. U wäre endlich, das kosmologische Prinzip würde aber nur in seinem Inneren gelten und sicher nicht mehr in der Nähe der Region, die der Hülle dieser Blase entspricht: Dort, so müsste man sich vorstellen, könnte die Energiedichte extrem hoch werden, so dass die gesamte Hülle sich im Sinne der ART wie der Mittelpunkt eines Schwarzen Lochs verhält.

Schließlich und endlich könnte — wie auch im Milchschaum — jede solche Blase, also auch unser Universum, irgendwann platzen und so (als Blase, aber nicht als Teil des Kosmos) zum Ende seiner Existenz kommen.

Mehr noch: Wenn wir uns vorstellen, der Milchtopf stehe in einer Großküche, so könnte es dort gleich mehrere solcher Töpfe geben, aus denen heraus und um die herum sich mehr oder weniger schnell wachsende Berge von Milchschaum bilden. Da im Gleichnis jeder solche Berg einem Multiversum entspricht, entpräche die gesamte Küche dann dem Raum, den Lisa Randall als » Bulk « bezeichnet und in den eingebettet Stringtheorie ihr zahllose Welten nahelegt, die dort existieren und pulsieren wie Quallen im Meer — nur dass diese » Quallen « in meinem Bild statt einzelner Universen gleich ganze Haufen von Universen sein könnten: Multiversen, deren jedes Unmengen von Universen darstellt, von denen keine zwei exakt gleichen Wert für all ihre Naturkonstanten zu haben brauchen.

Jedes solche Multiversum wäre einem Haufen Sand vergleichbar: einer Unmenge kleiner und kleinster Sandkörner, die ja auch keineswegs alle gleiche chemische Zu­sammen­setzung haben müssen.

Realty Check 2: Kann moderne Physik ausschließen, dass dem so ist? Bislang wenigstens nicht.


Kommen wir nun aber nochmal zurück zum Intervall W (das ja unserer Welt entsprechen sollte):

Ganz so wie um das Intervall W herum immer noch größere Intervalle existieren, die sämtlichl W als Teil enthalten, könnte doch auch unser Universum gemeinsam mit anderen in zunehmend größere Räume eingebettet sein und, umgekehrt, könnte sich vielleicht auch unsere Welt bei genaueren Hinsehen als eine Unzahl kleinerer, rekursiv ineinander geschachtelter Welten entpuppen.

Wer würde dann noch sicher sein können, dass die Tiefe solcher Schachtelung endlich ist? Und könnte sie nicht — ganz analog zu einer der vielen gedanklich leicht konstruierbaren Schachtelungen von Subintervallen von W — auch unendliche Tiefe haben?

Ich denke nicht, dass wir das ausschließen können, denn ob physische Objekte (wie etwa Strings oder Branen) auf einer Skala weit unterhalb der Planck­skala nicht doch noch Struktur haben, wird sich wohl nie mit letzter Sicherheit entscheiden lassen.

Mehr noch: Da Lösungen mathematischer Gleichungen mit zunehmender, über alle Grenzen wachsender Genauigkeit jede Unschärfe verlieren, läge es sogar wirklich nahe, anzunehmen, dass das auch für die Struktur physischer Objekte gelten müsse, wenn man sie mit zunehmender, über alle Grenzen wachsender Genauigkeit bestimmen könnte (und diese Struktur wirklich Lösung eines Gleichungssysystems im Sinne der Mathematik ist).

Wahrscheinlich, so denke ich, sind Einsteins Gleichungen der ART nur ein erstes, vergleichsweise triviales Beispiel eines Gleichungssystems, dessen Lösungen die Struktur physischer Objekte auf gewisser Größenskala durchaus zutreffend, ja sogar unglaublich genau modelliert.


Gebhard Greiter (grtgrt), 2013

PS: Das kosmologische Prinzip gilt für eine Größenskala, die typisch ist für besonders große Entfernungen im durch uns beobachtbaren Teil des Kosmos. Für deutlich kleinere Entfernungen — etwa für solche, die dem Durchmesser unseres Sonnensystems entsprechen — gilt es natürlich nicht. Auch in der Umgebung von Universen, die am Rande eines "Schaumhaufens" liegen würde es natürlich nicht gelten, obgleich dort natürlich Entfernungen eine Rolle spielen (könnten), die den Durchmesser des uns beobachtbaren Teiles unseres Universums geradezu winzig aussehen lassen.

 

  Beitrag 2079-10
Ist unser Universum endlich oder gar ein Poincaré-Dodekaeder-Raum?

 
 

Ist unser Universum als Raum

flach und unendlich

oder leicht positiv gekrümmt und endlich ( etwa 3-dimensionale Torus-Oberfläche )

oder gar ein Poincaré-Dodekaeder-Raum?



Bis heute ist nicht geklärt, ob unser Universum von endlicher oder unendlicher Größe ist.

Messung des Satelliten WMAP zeigen uns, dass der Wert Ω seiner kritischen Dichte zwischen 1.00 und 1.02 liegt. Hieraus folgt:


Unser Universum hat entweder flache oder extrem leicht positiv gekrümmte Geometrie.



Nur für den Fall, dass es unendlich groß ist, kann es darin Wellen wirklich  j e d e r  Wellenlänge geben. Wie nun aber die Analyse der kosmischen Hintergrundstrahlung zeigt, scheint das nicht der Fall zu sein — was als Argument dafür gedeutet werden muss, dass unser Universum doch eher endlich ist.

Heute favorisieren dennoch die meisten Wissenschaftler ein flaches unendliches Universum und unterstellen dabei die einfachst mögliche Geometrie.

Andererseits: Das 3-Torus-Modell eines endlichen,  f l a c h e n  Raumes passt noch etwas besser zu den durch WAMP gesammelten Daten als die Annahme, unser Universum sei absolut flach und unendlich groß. Note: Im 3-Torus-Modell entspricht unser Raum der 3-dimensionalen Oberfläche eines Körpers im 4-dimensionalen Raum, der im 3-dimensionalen Raum ein Torus wäre.

Nach den Satelliten COBE und WMAP wird nun PLANCK die Hintergrundstrahlung noch genauer vermessen. Erwartet wird eine noch bessere Entscheidungsgrundlage zur Topologie des Universums: Planck wird den Raum anhand der gemessenen Energiedichte auf weniger als 1 Prozent genau vermessen. Bestätigt sich der bisher favorisierte Wert, dann wäre das Torus-Universum die einzige bisher solide überprüfte Alternative zum unendlich großen Raum.


Quelle: Ist das Universum ein 3-Torus? (2009).

Die Form einer Torus-Oberfläche scheint wahrscheinlicher als die Form der Oberfläche eines unendlich langen Zylinders.

Wie ein Team um Jean-Pierre Luminet nachgerechnet hat, passen die durch WAMP gesammelten Daten auch sehr gut zur Möglichkeit, dass unser Raum endlich ist und seiner Form nach ein Poincaré-Dodekaeder-Raum (Räume diesen Typs sind in wirklich bizarrer Weise in sich abgeschlossen, also endlich und doch grenzenlos). In diesem Fall müsste Ω = 1.013 sein, siehe (1).


Nebenbei: Sollte unser Universum endlich sein, wäre — theoretisch wenigstens — der gesamte Kosmos von überall her sichtbar — das allerdings erst, nachdem das Universum hinreichend alt ist, so dass erstes ausgesandtes Licht Zeit genug hatte, ihn komplett zu durchqueren und so wieder zu seiner Quelle zurückzukehren.


Wichtig fürs Verständnis ist auch:

Wenn oben von Wellen die Rede ist, über deren Analyse man Erkenntnisse zur geometrischen Form unseres Universums zu gewinnen versucht, sind das Dichtewellen (Schallwellen), nicht aber elektromagnetische Wellen. Sie sind erkennbar an Temperaturschwankungen, die ihre Spuren in der kosmischen Hintergrundstrahlung hinterlassen haben. Genauer:

Noch vor der Entkopplungszeit hatten sich in der Dunklen Materie erste, schwach ausgeprägte Massenkonzentrationen gebildet. Das Plasma aus vor allem Protonen und Neutronen folgte diesen Kondensationen, doch dem Wunsch der Baryonen nach Zusammenballung stand der Druck der Photonen gegenüber, der diese Plasmawolken wieder auseinander zu treiben suchte. Im Widerstreit der Kräfte begannen sie zu schwingen — ganz analog zu Schallwellen.

Die größte schwingende Plasmawolke war gerade bis zur Entkopplungszeit einmal von einer Schallwelle durchlaufen worden. Größere Wolken konnten noch keinen Gegendruck aufbauen, sondern zogen sich — der Schwerkraft nachgebend — langsam zusammen. Kleinere Wolken oszillierten mit höherer Frequenz.

All diese Schwingungen waren in Phase, perfekt synchronisiert durch den Urknall. Bei Kontraktion und Verdichtung wurde das Photonengas heißer, bei Verdünnung und Auseinan­derlaufen kühlte es sich ab. Zur  E n t k o p p l u n g s z e i t  verließen die Photonen die Plasmawolken und finden sich so heute mit leicht unterschiedlichen Temperaturen in den Detektoren der Astronomen wieder: Die Temperaturschwankungen zeigen sich als heißere oder kühlere Bereiche im CMB (dem Cosmic Microwave Background).

 

  Beitrag 2079-15
-

 
 
Bauhof in 2079-12:
Grtgrt in 2079-10:
Note: Im 3-Torus-Modell entspricht unser Raum der 3-dimensionalen Oberfläche eines Körpers im 4-dimensionalen Raum, der im 3-dimensionalen Raum ein Torus wäre.

Hallo Grtgrt,

daraus folgt doch, dass z.B. der dreidimensionale Begrenzungsraum einer vierdimensionalen Kugel im dreidimensionalen Raum ein Torus wäre. Das verstehe ich nicht.

M.f.G. Eugen Bauhof


Hallo Eugen,

meine Formulierunmg scheint missverständlich zu sein. Ich hätte wohl besser gesagt:

» ... eines Körpers im 4-dimensionalen Raum, der mathematisches Analogon zu etwas ist,
das man im 3-dimensionalen Raum einen Torus nennen würde. «


Auch ich kann mir einen 4-dimensionalen Torus nicht wirklich vorstellen.

Vielleicht hilft Dir ja mehr als meine die entsprechende Erklärung auf Seite 76 im Dossier 2/10 von Bild der Wissenschaft bzw. Seite 28 Jan 2009. Dort steht:

Zitat:
 
Das Drei-Torus-Modell gilt zwar unter Experten als mathematisch relativ einfach, ist aber unserem rämlichen Vorstellungsvermögen dennoch nur schwer zugänglich.

Deutlicher wird es, wenn wir wieder die Oberfläche eines zweidimensionalen Torus als Analogon zum dreidimensionalen Fall betrachten: Wie bei einem Zylinder können Wellenlängen dort nicht größer sein als die Seitenlänge des entfalteten Torus.

Was der Autor (Georg Wolschin, ein theoretischer Physiker) hier als "zweidimensionalen Torus" bezeichnet, ist ganz klar der 3-dimensionale Torus.

Die Tatsache übrigens, dass der Zylinder, der entsteht, wenn man den Torus durchschneidet wie einen Fahrradschlauch, nicht überall gleiche Länge hat (wie das bei einem Ofenrohr der Fall wäre) ist wichtig und erklärt, warum bei der Analyse der durch den Forschungssatelliten WAMP gelieferten Daten die gefundenen Wellenlängen ab einer bestimmten Größe nicht aprupt, sondern langsam weniger werden. Man kommt so zum Schluss, dass unser Universum, wenn die Daten tatsächlich seine Endlichkeit beweisen, etwa 5 Mal so großen Radius haben müsste wie das durch uns derzeit beobachtbare Universum (demnach etwa 70 Mrd. Lichtjahre).


PS: Vielleicht lohnt es sich, auch Wolschins Buch Facetten der Physik zu lesen (und darin insbesondere die Seiten 3 bis 20).

Gruß,
grtgrt
 

  Beitrag 2077-13
Über den  R a u m , in dem unser Weltall existiert

 
Ich würde sagen: Raum und Zeit sind Gefäße, in denen alles Materielle gebunden ist. So wie ein Kaffee in einer Tasse.
Nur dieses Gefäss ist 4-Dimensional (Raum & Zeit = Raumzeit)

Dabei stellt sich mir die (vielleicht etwas dumme) Frage: Woher weiss man, dass der Raum begrenzt, also nicht unendlich ist. Mit welchem Messverfahren kann ich das bestimmen?
Der Raum hat keine Ecken und Kanten, an denen man ein Massband anlegen könnte. Man kann nur das Vermessen, was im Raum "umherfliegt", also Planeten, Sonnen, Galaxien etc.
Aber, da wo kein festes Objekt ist, da kann trotzdem Raum sein.
Ich will hier nicht die Endlichkeit des Raums in Frage stellen, ich wüsste aber zu gerne, wie man das bewiesen hat.

Beispiel:
Stell Dir vor, du befindest Dich auf dem Ozean und lässt mehrere Fische ins Wasser fallen. zunächst beträgt der Abstand zwischen ihnen nur wenige Zentimeter. Trotzdem ist der Raum (Ozean) um sie herum im verhältnis riesig. wenn sich die Fische in unterscheidliche Richtungen bewegen, so vergrössert sich der Abstand zwischen ihnen, von zunächst einigen Metern, bis zu etlichen Kilometern. Wenn du die Fische, mal angenommen, immer noch sehen könntest, was könntest Du über den Raum(Ozean) sagen, in dem sie sich befinden. Du kannst zwar jederzeit sagen, dass der Raum grösser ist, als der Abstand zwischen den Fischen, aber um wieviel grösser, darüber kannst Du keine Aussage machen. Die Fische könnten im nächsten Augenblick an einem Ufer ankommen, oder aber noch tausende Kilometer Raum um sich haben, das kann man nie mit Gewissheit sagen.

Unsere "Blickweite" erfasst derzeit ca 14 Mrd Lichtjahre im Universum, aber was dahinter kommt, das wissen wir nicht. selbst wenn wir irgend wann den "letzten Stern" entdecken könnten, so sagt uns dies nichts darüber aus, ob "dahinter" noch Raum ist, oder nicht.