Wie man sich Higgs-Bosonen vorzustellen hat
Das theoretische Gebäude des Standardmodells der Elementarteilchen kann nicht erklären, wie manche Teilchen zu Ruhemasse kommen und sich deswegen nicht mit Lichtgeschwindigkeit bewegen können.Wie also erhalten Teilchen Ruhemasse (= Trägheit)?
Eine mögliche Erklärung haben Peter Higgs und andere Physiker 1964 gegeben: Ihre Theorie besagt, dass das ganze Universum von einem konstanten Feld, dem sog. Higgs-Feld durchdrungen ist. Manche Teilchen, Photonen etwa, fühlen sich dadurch nicht gestört. Andere aber wechselwirken mit dem Higgs-Feld in dem Sinne, dass es ihnen Widerstand entgegensetzt, sie also Trägheit bekommen, sich dann also so verhalten, als hätten sie Masse.
Warum unterschiedliche Arten von Teilchen unterschiedlich stark mit dem Higgsfeld interagieren (man sagt auch: ans Higgsfeld koppeln) ist bislang ungeklärt.
Wir spüren das Higgs-Feld nicht, weil es strukturlos und homogen ist und überall im Universum existiert — ganz so wie Luft, die uns ja auch keinen Widerstand entgegensetzt, solange es windstill ist. Erst wenn in der Luft Druckwellen entstehen, spürt man sie als Wind, der uns, wenn hinreichend stark, auch aufhalten kann.
Analog dazu sollte das Higgs-Feld in Schwingung geraten, wo energiereiche Teilchen es durchqueren. Diese Schwingungen nennt man Higgs-Bosonen. Sie sollten sich als Elementarteilchen erzeugen und nachweisen lassen.
Der Teilchenbeschleuniger LHC im CERN wurde u.A. zum Zweck gebaut, sie nachweisen zu können.
Ein 2012 am CERN nachgewiesenes Teilchen mit der Ruhemasse von 126 GeV hat tatsächlich Eigenschaften, die das Standardmodell sie für das Higgs-Boson vorhersagt: Es ist elektrisch neutral, und die Messergebnisse sind mit einem Spin von 0 verträglich. Doch stimmen die gemessenen Zerfallswahrscheinlichkeiten mit den Vorhersagen überein? Und gibt es vielleicht nicht nur eine Art von Higgs-Boson, sondern gleich mehrere? Um solche Fragen zu klären, werden Forscher noch einige Jahre brauchen.
Quelle: Kommentare zum Standardmodell der Elementarteilchen
In Kapitel 18.2 der 2. Auflage (2017) seines Buches "Das dunkle Universum" präsentiert Adalbert W.A. Pauldrach (Uni München) eine Theorie, nach der Dunkle Materie aus Anti-Higgs-Bosonen bestehen könnte (sie sind WIMPs).
Vorsicht aber: Der Springer-Verlag weist darauf hin, dass einige Schlussfolgerungen Pauldrachs in Kapitel 18 bisher noch nicht in Fachzeitschriften veröffentlicht sind und somit noch keinen Peer-Review-Prozess durchlaufen haben.
Kern von Pauldrachs Idee ist, dass er die Existenz einer bisher noch unbekannten "Higgs-Ladung" postuliert. Da sie — wie jede Teilcheneigenschaft, die man »Ladung « nennt — zweierlei Vorzeichen haben kann, hätte das zur Folge, dass — anders als das Standardmodell der Elementarteilchen sagt — Higgs-Teilchen sich von ihren Antiteilchen sehr wohl unterscheiden würden.
Dunkle Materie, so Pauldrach, bestehe aus Anti-Higgs-Teilchen, und auch Ruhemasse sei eine Eigenschaft, die positives wie negatives Vorzeichen haben könne.
Dass es neben positiver Ruhemasse tatsächlich auch negative geben kann, scheint ein Experiment aus 2018 aufgedeckt zu haben. Negative Ruhemasse charakterisiert sich dadurch, dass sie — statt gravitativ anziehend — gravitativ abstoßend wirkt.
Pauldrachs Theorie könnte zudem noch erklären, warum es im Universum eine Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie gibt.
Selbst Dunkle Energie scheint Pauldrach im Lichte seiner Theorie verständlich zu werden. Er schreibt: "Das Higgs-Feld-Vakuum hat uns, seinem Naturell entsprechend, eine durchaus komplexe Lösung der Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie, der Dunklen Materie und der Dunklen Energie präsentiert."
Man lese am besten das gesamte Kapitel 18 aus Pauldrachs Buch (S. 491-518) und auch den nachfolgenden Epilog, wo Pauldrachs Überlegungen ihn (auf Seite 531) zur Meinung führen, unser Universum werde in einer erneuten inflationären Expansionsphase sein Ende finden.
Mir persönlich erscheint Pauldrachs Theorie fragwürdig, denn sollte Dunkle Materie tatsächlich aus Anti-Higgs-Bosonen bestehen, müssten sie sich doch eigentlich sofort mit Higgs-Bosonen annihilieren: Schließlich existiert das Higgsfeld ja überall im Vakuum mit gleicher Stärke, so dass auch die Wolken Dunkler Materie mit ausreichend viel Higgs-Bosonen durchsetzt sein müssten.
Pauldrach spricht selbst von solcher Annihilation, geht aber davon aus, dass sie nur in einem Umfang stattfindet, wie er notwendig ist, das Energie-Konto des Higgs-Feld-Vakuums abgeglichen zu machen (der Gewinn fürs Vakuum, so Pauldrach, bestehe darin, dass es für jedes freigesetzte Higgs-Boson deren zwei zurückbekommt).
Bislang (April 2019) scheint noch kein Astrophysiker öffentlich zu Pauldrachs Theorie Stellung bezogen zu haben.
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Der Higgs-Mechanismus – Hier wirklich gut beschrieben