Interessantes zu Theoretischer Physik

Quantenphysik, Schrödinger Gleichung, Konsequenzen auch philosophischer Art

Eine philosophisch interessante Aussage der Quantenphysik

Wie die Quantenphysik uns lehrt, existiert jedes materielle Objekt — ganz unabhängig von seiner durch uns wahrnehmbaren Größe — keineswegs nur dort, wo wir es ständig sehen. Es existiert vielmehr (extrem schwach und entsprechend wenig beobachtbar) auch noch in einer weiten, ausgefrans­ten, sich ständig mit Lichtgeschwindigkeit vergrößernden Umgebung davon und könnte sich gelegentlich auch noch aus deren entferntesten Ecken heraus über dort von ihm ausgelöste Wirkung bemerkbar machen.


Warum ist das so?

Und wie kamen die Physiker zu dieser Erkenntnis?


Michio Kaku — Professor für Theoretische Physik an der City University of New York — erklärt uns das wie folgt (auf den Seiten 85-90 seines Buches Die Physik des [nur fast] Unmöglichen, Rowohlt, 2008):


Einer der Physiker, der sich am intensivsten mit der Wellennatur aller Elementarteilchen auseinanderge­setzt hat, war Erwin Schrödinger aus Wien. Er schrieb die berühmte Wellengleichung nieder, die seinen Namen trägt und heute zu den wichtigsten Gleichungen der Physik und Chemie gehört. Fortgeschrittene Semester widmen ganze Kurse der Lösung dieser Formel, und in den Institutsbibliotheken der Physiker sind ganze Regalwände mit Büchern bestückt, die ihre tiefgründigen Konsequenzen untersuchen.

Im Prin­zip lässt sich die gesamte Chemie auf Lösungen der Schröderschen Gleichung reduzieren.

Nachdem Einstein 1905 gezeigt hatte, dass sich jede Lichtwelle als ein kleines Paket von Energie (heute Photon genannt) auffassen lässt, wurde in den 20-er Jahren klar, dass sich umgekehrt auch jedes Materieteilchen — jedes Elektron etwa — als Welle (heute Materiewelle genannt) auffassen lässt. Der französische Physiker Louis de Broglie bekam für diese seine Vermutung den Nobelpreis.

Koku schreibt (Zitat):

    An unserer Universität haben wir eine entsprechende Demonstration für unsere Studenten parat.

    Wir feuern Elektronen in eine Braun'sche Röhre, wie man sie in den klassischen Fernsehgeräten fand. Sie eilen durch ein winziges Loch, so dass man erwarten würde, auf dem Schirm dahinter nur einen kleinen Punkt zu sehen an der Stelle, an der sie den Schirm treffen. Was man dort aber wirklich beobachtet, sind konzentrische, wellenähnliche Ringe, die man erwarten würde, wenn eine Welle — nicht aber ein punktförmiges Teilchen — durch das Loch gekommen wäre.

Als Schrödinger dieses seltsame Phänomen in einer Vorlesung diskutiere, stellte sein Kollege Peter Debey ihm die provozierende Frage: Wenn Elektronen durch Wellen beschrieben werden, wie lautet dann ihre Wellenfunktion?.

Schrödinger betrachtete die Frage als Herausforderung, dachte daran, dass seit Newtons Erfindung der Differentialrechnung Wellen als Lösung von Differentialgleichungen beschrieben werden können, und im selben Monat noch — mit einer Freundin von einem Kurzurlaub in der Schweiz zurückkehrend, hatte er die Gleichung im Gepäck: Ähnlich wie vor ihm Maxwell die Kraftfelder Faradays benutzt und ihnen seine Glei­chun­gen für das Licht entlockt hatte, so hatte Schrödinger sich die Materiewellen de Broglies vorgenom­men und daraus seine Gleichung für Elektronen abgeleitet.

Als Schrödinger kurz darauf begann, seine Gleichung nun auch für das Wasserstoffatom zu lösen, war er überrascht, exakt die energetischen Zustände des Wasserstoffs zu finden, die Physiker vor ihm in Expe­rimenten beobachtet und sorgfältig katalogisiert hatten. Es wurde ihm dabei klar, dass Bohrs Vorstellung vom Atom als einem Kern, um den herum sich Elektronen bewegen wie Planeten um die Sonne, falsch sein musste: Diese Umlaufbahnen, so wurde Schrödinger klar, mussten ersetzt werden durch Wellen, die den Kern umgeben.

Schrödingers Arbeit löste Schockwellen aus, die durch die Physikergemeinde brandeten. Man begann mit Hilfe seiner Lösung jene Wellen zu untersuchen und fand, dass die errechneten Ergebnisse mit den Messwerten vollständig in Einklang standen.

Aber: Wenn ein Elektron durch eine Welle beschrieben wird, von welcher Natur genau ist denn dann diese Welle? Max Born kam zur Erkenntnis, dass die Wellen (genauer: ihr Quadrat) Wirkwahrscheinlichkeit beschreiben — für jeden Ort also die Wahrscheinlichkeit, dass das Elektron dort mit einem anderen Elementarteilchen interagiert, dass es dort Energie aufnimmt oder abstrahlt [die Wahrscheinlichkeit also, dass das Elektron sich dort indirekt beobachtbar macht].

Damit rückten plötzlich Zufall und Wahrscheinlichkeitin ins Zentrum der Physik — ins Zentrum einer Wissenschaft also, in der man vorher nur an Prozesse geglaubt hatte, in denen jede Veränderung eine konkrete Ursache haben musste.

Einstein, der 1905 mit seiner Entdeckung der Photonen die Revolution mit ausgelöst hatte, war entsetzt über die Einführung des Zufalls in die Physik. Bis zu seinem Tod war er davon überzeugt, "daß der Alte nicht würfelt". Selbst die Entdeckung des Unbestimmtheitsprinzips durch Heisenberg konnte ihn da nicht überzeugen. Irgendwie, so dachte er, müsse die Quantenmechanik trotz ihrer Erfolge noch unvollständig sein.

Koku schreibt weiter (Zitat):


Die Tatsache, dass — wie wir eben sahen — Elektronen mit unterschiedlich großer Wahrscheinlich an verschiedenen Orten gleichzeitig Energie aufnehmen oder abgeben können, ist die Grundlage der Chemie:

Wenn nämlich Atome einander sehr nahe kommen, bilden sie häufig vollkommen stabile Moleküle, indem sie Elektronen miteinander teilen. Solche gemeinsame Nutzung ein und desselben Elektrons ist die Ursache dafür, dass
Auf jeden Fall verursachen die im Inneren der Atome üblichen Quantensprünge — obgleich erst das durch sie ständig geschluckte und kurz darauf wieder freigesetzte Licht uns Gegenstände sichtbar macht — nicht so ohne weiters entsprechend sprunghafte Abänderung makroskopischer Objekte: Auch wenn die Elektronen in unserem Körper ständig mit seiner Umgebung wechselwirken, gibt es doch zu viele von ihnen, als dass sich ihre Bewegungungen im Gesamteffekt nicht ausmitteln würden.

Das also ist, grob gesagt, der Grund dafür, dass uns aus Materie bestehende Objekte i.A. recht fest und dauerhaft erscheinen.


Festzuhalten bleibt:

Genau genommen ist — wenigstens aus rein reduktionistischer Sicht — jedes Stück Materie (also auch jeder von uns) Summe unglaublich vieler Wellen, die periodisch schwankendes Wirkpotential darstellen und sich mit einer Geschwindigkeit, die nicht größer als die des Lichts sein kann, ins All hinaus ausdehnen.

Dass diese Summe von Wellen nur in einem eng begrenzten Bereich größere Werte annimmt und zudem noch so stabil ist, dass unsere Sinnesorgane sie (aus deren vergröberter Sicht heraus) als über längere Zeit nahezu unveränderlich wahrnehmen, ist das eigentliche Wunder der Schöpfung.


Jedes Stück Materie, und sei es ein Lebewesen, existiert also keineswegs nur dort, wo seine Elek­tronen weit häufiger als anderswo Lichtportionen abstrahlen und so das Objekt dort derart nachdrücklich sicht­bar machen, dass wir denken, es existiere  n u r  dort.



Hans-Peter Dürr übrigens verglich Lebewesen mit schaumgekrönten Wellen im Meer, die ja auch mehr sind als ein bisschen — schnell wieder verschwundener — Schaum.



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