Unser Gedächtnis — als Wissensspeicher nicht im Gehirn?
Immer wieder haben Neurologen versucht, herauszubekommen, welcher Teil des menschlichen Gehirns denn nun eigentlich das Gedächtnis beherbergt. Sie fanden ihn bis heute nicht, fanden aber zahlreiche Hinweise darauf, dass es ihn möglicherweise gar nicht gibt (oder unser Gedächtnis im Gehirn überall und nirgends ist).Rupert Sheldrake, ein Biologe, kommt nun konsequenter Weise auf die Idee, zu sagen, unser Gehirn (ja sogar das aller Lebewesen) sei eher einem Gerät vergleichbar, mit dessen Hilfe man Gedächtnisinhalte erzeugen und herholen kann: eine Art Fernsehsender und Fernsehempfänger, nicht aber ein Ort, an dem all unser Wissen abgespeichert existiert und sofort verschwindet, wenn wir sterben.
Der Ort, das Medium, in dem unser Wissen aufbewahrt ist, sei ein Feld, welches sich als Summe von Feldern erweist, die durch Gehirne (in ihrer Funktion als "Fernsehsender") erzeugt wurden und in denen sich Individuen-spezifisch kodiert all das findet, was man als ihren Gedächtnisinhalt bezeichnet.
Diese Analogie leuchtet ein, denn was eine Radio oder ein Fernsehgerät ins heimische Wohnzimmer bringt, ist Information, die sich nicht durch Analyse des Gerätes selbst entdecken lässt: Sie ist namlich gar nicht dort, sondern wird vom Gerät nur aufgefangen, wenn man es aktiviert und so eingestellt hat, dass es empfindlich wird für eloktromagnetische Schwingungen einer ganz bestimmten Frequen (eben der des Senders, den man zu empfangen wünscht).
Wenn Sheldrake recht hat, ließe sich leicht einsehen, dass durch Analyse unserer Gehirnsubstanz keinerlei Gedächtnis entdeckt werden kann. Und tatsächlich:
In nun schon über 100 Jahren intensiver Forschung ist es auch unter hohem finanziellen Aufwand nicht gelungen, im Gehirn irgend eines Lebewesens Erinnerungsspuren zu entdecken.
So wurde z.B. untersucht, in welchem Ausmaß erlernte Gewohnheiten nach Zerstörung verschiedener Teile des Gehirns erhalten bleiben, und dies führte zu der scheinbar paradoxen Schlußfolgerung:
(Kandell et al. 1995,
S. 368 in: H. Jornvall (Hg.): Novell Lectures, Psychology or Medicine 1995-2000).
Genauer:
In den 80-iger Jahren etwa glaubten Steven Rose und sein Team, sie hätten endlich Spuren in den Gehirnen von einem Tag alter Hühnerküken gefunden: Sie fanden, dass in einer bestimmten Region im linken Vorderhirn der Küken mehr aktives Wachstum stattfand, wenn etwas gelernt wurde. Dieser Befund passte gut zu dem anderer Untersuchungen, die gezeigt hatten, die bei jungen Ratten, Katzen und Affen gezeigt hatten, dass aktive Nervenzellen des Gehirns sich stärker entwickeln als inaktive.
Damit war jedoch kein Beweis verbunden, dass die aktiven Zellen spezifische Erinnerungsspuren enthielten:
- Wurde nämlich bei den Küken am Tag nach ihrem Training die Regin der aktiven Zellen aus dem linken Vorderhirn entfernt, konnten die Küken das Gelernte dennoch weiter anwenden: Die am Lernprozess beteiligte Gehirnregion war für das Bewahren der Erinnerung als keineswgs notwendig.
- Bei einer neueren Studie ging es um Mäuse und ihre Fähigkeit, sich in einem Labyrinth zurechtzufinden. Bei der Bildung ihrer Erinnerungen waren die mittleren Schläfenlappen des Gehirns aktiv, insbesondere die Hippocampus genannte Region. Auch hier konnte man der Erinnerung nicht habhaft werden: Selbst nach Zerstörung des Hippocampus auf beiden Seiten blieben ältere Erinnerungen erhalten.
- Anfang des 20. Jahrhunderts nahmen viele Biologen an, alles physychische Geschen, auch die kognitiven Leistungen eines Menschen, seien letztlich auf im Gehirn verdrahtete Reflexbogen zurückzuführen.
Die klassischen Untersuchungen zu diesem Thema führte Karl Lashley durch (mit Ratten, Schimpansen und anderen Affen). Mehr als 30 Jahre lang versuchte er, die Pfade der Reflexe im Gehirn zu verfolgen und Erinnerungsspuren (Engramme) zu lokalisieren. Er trainierte die Tiere auf bestimmte Reflexe oder richtete sie auf die Lösung schwieriger Aufgaben ab. Dann wurden Nervenbahnen im Gehirn durchtrennt oder Teile des Gehirns entfernt, und es wurde gemessen, in welchem Ausmaß solche Eingriffe sich auf die Lern- und Merkfähigkeit ausgewirkten.
Staunend aber stellt er fest: Selbst nachdem große Mengen Gehirngewebe entfernt worden waren, erinnerten sich die Tiere immer noch an das Gelernte.
Lashley begann als Befürworter der Reflextheorie des Lernenes, doch seine Forschungsergebnisse zwangen ihn, sie aufzugeben. Stattdessen gelangte er zur Einschätzung (Zitat): Wird das Nervengeflecht einem Erregungsmuster ausgesetzt, so kann sich in ihm ein Aktivitätsmuster bilden, das sich durch Erregungsausbreitung in einem ganzen Funktionsgebiet verfielfältigt — etwa in der Art, wie sich an der Oberfläche einer Flüssigkeit ein Tnterferenzmuster von Wellen bildet, wenn diese Oberfläche an mehreren Punkten angeregt wird.
Für Lashley also war das Erinnern Resultat einer Art Resonanz zwischen sehr vielen Neuronen.
Karl Pribram, ein Schüler Lashleys, hat diese Gedanken weiter verfolgt und kam schließlich zur Auffassung, dass Erinnerungen nach ähnlich wie Interferenzmuster eines Hologramms gespeichert würden.
Wenn Erinnerungen aber nun tatsächlich nicht in Gehirnsubstanz gespeichert werden, können sie ja eigentlich nur festgehalten sein in Feldern, die dem elektromagnetischen gleichen. Da sie mit physikalischen Mitteln nicht registrierbar scheinen, nennt man sie mentale Felder. So wie ein Radiogerät für eine bestimmte Frequenz sensibilisiert sein muss, bevor es im entsprechenden Frequenzbereich kodierte Information empfangen kann, kann wohl auch das Gehirn eines bestimmten Individuums nicht alle Wellenpakete entziffern, sondern eben nur solche, die es selbst auch — exakt oder annäherend — so erzeugen kann.
Dass die Überlagerung all dieser Wellenpakete dann ein kollektives Gedächtnis darstellen könnte, und dass ferner dort abgelegte Erinnerungen allen Gehirnen zugänglich sein könnten, die "auf gleicher Frequenz" senden und empfangen, scheint dann nicht mehr ausgeschlossen. Auch dass durch Gehirntätigkeit erzeugte Störung des Feldes langsam verklingt — also nicht im selben Moment aufhört, in dem das Gehirn stirbt — erschiene nur natürlich.
Sheldrakes Annahme morphischer Resonanz erscheint mir deswegen durchaus plausibel.
Für die Existenz mentaler Felder spricht übrigens auch eine durch japanische Forscher erst 2014 gemachte Entdeckung: Gurkenscheiben als Biosensoren.
Wie Sheldrake selbst sagt, hat er keine Idee, wie morphische Resonanz physikalisch zustande kommen könnte.
Mir scheint, dass sie noch am ehesten Folge der extrem schwachen elektromagnetischen Strahlung sein könnte, die — wie man heute weiß — aus jedem organischen Gewebe kommt.
Der Biophysiker Fritz-Albert Popp — der ihr zweiter Entdecker war — nennt sie Biophotonen, hat sich damit unter Medizinern aber viele Feinde gemacht (sie unterstellen ihm Esoterik und haben in Marburg nichts unterlassen, seine wissenschaftliche Laufbahn zu torpedieren).
Dennoch: Die Existenz solcher Strahlung ist heute zweifelsfrei bewiesen. Als erster stieß – noch vor Popp – der russische Biologe Alexander Gurwitsch auf sie, der 1926 mit Zwiebeln experimentierte. Gut messbar wurde jenes extrem schwache Licht aber erst durch eine Apparatur, die ein Doktorand von Popp entwickelt hat (der Experimentalphysiker Bernhard Ruth).
Interessant auch: Die Eier von Hühnern in Legebatterien und die von freilaufenden Hühnern sind klar unterscheidbar durch die Qualität der Kohärenz der von ihnen abgestrahlten Biophotonen. Gleiches gilt für die Keimlinge selbst nahe verwandter Pflanzenarten.
Wer sich über Popps Arbeit selbst ein Urteil bilden möchte, lese sein Buch Biophotonen — neue Horizonte in der Medizin. Ich kann an seinen Überlegungen nichts Esoterisches erkennen.
An Sheldrakes These erinnert auch eine Entdeckung, die ein zunächst sehr renommierter französischer Mediziner gemacht haben will: Jacques Benveniste. Leider erwiesen sich seine Laborergebnisse als nicht zuverlässig genug reproduzierbar. Wie ihn seine Hartnäckigkeit, dieses Thema dennoch nicht los lassen zu wollen, seinen guten Ruf als Wissenschaftler gekostet hat, wird berichtet in Kapitel 1.4 von Lynn McTaggart: The Field (2001). Es gibt auch eine deutsche Ausgabe des Buches. Sie aber trägt den allzu irreführenden Titel » Das Nullpunkt-Feld «. Tatsächlich gemeint sind schwache, wenig bekannte oder vielleicht auch noch gar nicht entdeckte Wellen im Feld aller elektromagnetischen Strahlung (und davon insbesondere solche, die auf in Schwingung befindliche Teile der Moleküle organischer Materie zurückführbar sein dürften).
Was Beneviste — und vorher schon eine seiner Laborantinnen — beobachtet haben wollen, war, dass ein von ihnen in Wasser gelöstes Arzneimittel selbst dann noch zu wirken schien, wenn seine Konzentration im Wasser so stark reduziert worden war, dass sich dann in der Lösung möglicherweise keine einziges Molekül des Arzneimittels mehr fand. Hat also Wasser ein Gedächtnis dadurch dass Wassermoelküle, die vorher den Schwingungszustand der Moleküle des Arzneimittels übernommen haben, ihn noch lange beibehalten? Und produzieren vielleicht diese Schwingungen den heilenden Effekt? Könnte sich so auch die Wirkungsweise homöopatischer Arzneimittel erklären? Die etablierte Medizin will darüber gar nicht erst nachdenken.
Derzeit denkt wohl nur das von Benveniste selbst gegründete Kleinunternehmen DigiBio über Anwendungsmöglichkeiten seiner Entdeckung nach (etwa wo es darum geht, Lebensmittel auf Frische hin zu untersuchen) sowie SISBQ.
Quelle: Rupert Sheldrake: Der Wissenschaftswahn — Warum der Materialismus ausgedient hat (2012), Seite 250-257
Mein Eindruck: Soweit ich Sheldrakes Argumente kenne, oder auch die von Popp und Benveniste, erscheinen sie mir durchweg wissenschaftlich (d.h. rein logisch Sinn machend). Dieses gilt aber keineswegs für alle Schlußfolgerungen, die in McTaggart's Buch dem Leser nahe gelegt werden. Auch einige der Quellen, die sie nennt, erscheinen mir dubios (ohne dass ihr selbst das aufzufallen scheint).
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