Wie gut sind virtuelle Teilchen schon verstanden?
Virtuelle Teilchen sind solche, die als Paare – Teilchen und ihm zugeordnetes Anti-Teilchen – in großer Zahl ständig und überall auftauchen ond praktisch sofort wieder verschwinden. Dies verursacht selbst noch im Vakuum ein Brodeln, welches man Quantenfluktuation nennt. Hier der Grund, warum es dazu kommt:Heisenbergs-Unschärferelation gilt z.B. auch für das Paar ( Energie, Zeit ), wo die Zeitunschärfe die Zeit ist, die der Schwerpunkt einer Teilchenwelle benötigt, die Ortsunschärfe zu durchlaufen.
Das aber bedeutet: Je kleiner die Ortsunschärfe ist, die man betrachtet, desto höher wird die Gesamtenergie aller an diesem Ort in diesem Zeitabschnitt entstehender und vergehender virtueller Partikel sein (und desto wahrscheinlicher ist es, dass es unter ihnen auch beliebig schwere, dann aber auch entsprechend kurzlebige geben wird).
- VORSICHT aber:
Anders als der Name vermuten lässt, wird der Begriff » virtuelles Teilchen [oder » Geist «] in Feynman-Diagrammen zudem noch verwendet für einen mathematischen Ausdruck, der im Rahmen einer ganz bestimmten Näherungsmethode zur Berechnung von Streuprozessen auftritt. Eben darin besteht der Vorteil von Feynmans Notation: Man kann unanschauliche Größen in mathematischen Gleichungen in diesen Diagrammen so formulieren, dass sie dort wie Teilchen wirken — es gibt sie nur nicht als solche.
Man sieht an diesem Beispiel recht schön, wie auch physikalische Modelle auf zunehmend kleinerer Skala unscharf werden.
[vp] ist ein weiterer Versuch, das Konzept virtueller Teilchen — mit all seiner Unschärfe — zu erklären. In [DC] wird sogar ein Experiment beschrieben, in dem sich virtuelle Teilchen zu realen entwickeln.
Ob Heisenbergs Unschärferelation auch für virtuelle Phänomene gilt, scheint nicht klar zu sein. Thomas Görnitz jedenfalls verneint das:
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Zitat aus Thomas & Brigitte Görnitz: Der kreative Kosmos, 2002, Seite 118-119:
Wenn für einen fiktiven — in der Physik sagt man virtuellen — Vorgang das Produkt der beteiligten Energie mit der Zeit des Vorgangs so klein ist, dass der Wert des Wirkungsquantums nicht erreicht wird (seine Dimension ist Energie mal Zeit), darf man ihn als möglich und doch als unbeobachtbar verstehen.
Solch unbeobachtbare Prozesse werden auch als Quantenfluktuation bezeichnet: Man spricht davon, dass unaufhörlich virtuelle Teilchen entstehen und sofort wieder vergehen, und sagt, man könne sich das so vorstellen, dass jene "Teilchen" sich Energie vom Vakuum borgen, dies aber unbemerkt bleibt, weil es allzu schnell wieder zur Rückgabe der Leihgabe kommt. Der Erhaltungssätze wegen — letztlich also aus Symmetriegründen — muss dabei mit jedem solchen "Teilchen" auch sein Antiteilchen entstehen.
Dass dieses Bild eine reale Grundlage hat, zeigt der sog. Casimir-Effekt: Wenn das Vakuum räumlich eingegrenzt wird, z.B. durch zwei parallel sehr nahe beinander stehende unendlich weit ausgedehnte, leitfähige Platten, so können in diesem beengten Raum nur Feldanregungen existent sein, deren Wellenlänge mit einer geeigneten natürlichen Zahl multipliziert den Abstand der Platten ergibt. Dies führt zu einer Druckdifferenz zwischen Innen- und Außenraum, die experimentell nachweisbar ist.
Der Kernphysiker Matt Strassler schreibt:
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The best way to approach this concept, I believe, is to forget you ever saw the word "particle" in the term.
A virtual particle is not a particle at all.
It refers precisely to a disturbance in a field that is not a particle. A particle is a nice, regular ripple in a field, one that can travel smoothly and effortlessly through space, like a clear tone of a bell moving through the air. A "virtual particle", generally, is a disturbance in a field that will never be found on its own, but instead is something that is caused by the presence of other particles, often of other fields.
Sean Caroll (Seite 316 in Something deeply hidden, 2019) erklärt es so:
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Virtual particles (= the "particles" inside Feynman diagrams) are not particles at all; they are a convenient mathematical fairy tale: They are just a way to calculate the behavior of quantum fields,
by pretending that ordinary particles are changing into weird particles with impossible energies, and tossing those particles back and fourth between themselves. A real photon has exactly zero mass,
but the mass of a virtual photon can be absolutely anything.
What we mean by "virtual particles" are subtle distortions in the wave function of a collection of quantum fields. Sometimes they are called "fluctuations" or simply "modes" (referring to a vibration in a field with a particular wavelength).
Wenn wir z.B. ein Elektron an bestimmtem Ort beobachten, kann man über Feynman-Diagramme beschreiben, welche Wahrscheinlichkeit besteht, dass es in dieser oder jener Weise mit virtuellen Teilchen welcher Art interagiert.
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Da frage ich mich nun:
Mit welchem Recht kann man in Feynman-Diagrammen einem virtuellen Teilchen eine bestimmte Art zuordnen (eine, die man auch Elementarteilchen des Standardmodells zuordnet), wenn sie doch selbst gar nicht Teilchen, sondern nur teilchenartiges Phänomen sind?
Und wie will man begründen, dass sie nicht Heisenbergs Unbestimmtheitsrelation unterworfen sein könnten (wie Görnitz denkt)? Es kann sich ja schließlich auch nur um irgendwelche Anregungen eines Feldes handeln. Kann mir das jemand erklären?
Gordon Kane, damals Director of the Michigan Center for Theoretical Physics, antwortet wie folgt:
Virtual particles are indeed real particles. Quantum theory predicts that every particle spends some time as a combination of other particles in all possible ways. These predictions are very well understood and tested. Quantum mechanics allows, and indeed requires, temporary violations of conservation of energy, so one particle can become a pair of heavier particles (the so-called virtual particles), which quickly rejoin into the original particle as if they had never been there. If that were all that occurred we would still be confident that it was a real effect because it is an intrinsic part of quantum mechanics, which is extremely well tested, and is a complete and tightly woven theory – if any part of it were wrong the whole structure would collapse.
Man lese auch, was Matt McIrvin erklärt. Er widerspricht ganz klar der Ansicht, virtuelle Teilchen würden Heisenbergs Unschärfe-Relation nicht repektieren oder gar – wenn auch nur für extrem kurze Zeit – den Energie-Erhaltungssatz verletzen:
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In perturbation theory, systems can go through intermediate "virtual states" that normally have energies different from that of the initial and final states.
This is because of another uncertainty principle, which relates time and energy.
Some descriptions say that the energy of the system becomes uncertain for a short period of time, that energy is somehow "borrowed" for a brief interval. This is just another way of talking about the same mathematics. However, it obscures the fact that all this talk of virtual states is just an approximation to quantum mechanics, in which energy is conserved at all times.
Jeder der hier zitierten vier Wissenschaftler ist Quantenphysiker (Görnitz nur aus philosophischer Sicht). Und doch unterscheiden sich ihre Aussagen darüber, wie sich virtuelle Teilchen verhalten, teilweise gravierend. Meiner Ansicht nach fährt am besten, wer sich den folgenden Standpunkt zu eigen macht:
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Unter virtuellen Teilchen versteht man Elementarteilchen, die nur zu kurz existieren als dass es möglich wäre, sie einzeln direkt oder indirekt zu beobachten.
Zudem sollte berücksichtigt werden, dass Elementarteilchen in diesem Sinne alle sein können, die das Standardmodell der Elementarteilchenphysik kennt,
es aber durchaus noch weitere geben kann.
Auf keinen Fall sollte man glauben, dass virtuelle Teilchen irgend einen Erhaltungssatz oder gar Heisenbergs Ungleichung für quantenphysikalische Unbestimmtheit verletzen.
Natürlich gibt es unendlich viele mögliche Interaktionen virtueller mit nicht virtuellen Teilchen und daher auch unendlich viele solcher Diagramme. Nun ist aber der Beitrag zur Situation, den eine solche Interaktionsmöglichkeit liefert, umso geringer, je komplizierter das jeweilige Diagramm ist. Da man Diagramme, die einen Beitrag liefern würden, der unterhalb der Messgenauigkeit liegt, vernachlässigen kann, sind letztlich nur endlich viele Möglichkeiten zu betrachten.
Betrachten wir jetzt ein Elektron in einem Magnetfeld. Sein Spin macht es zu einem kleinen Magneten mit einem Nord- und einem Südpol. Die Energie des Elektrons ist leicht unterschiedlich, je nachdem ob seine Pole in Richtung des Magnetfeldes oder in entgegengesetzter Richtung ausgerichtet sind.
Die Energiedifferenz dieser beiden Zustände hängt von einer Zahl ab, die man den gyrometrischen Faktor (kurz: g-Faktor) des Elektrons nennt. Er verrät, wie stark der Magnet ist, wenn das Elektron eine bestimmte Stärke des Spins hat. Die einfachste Quantentheorie des Elektrons sagt, dass der Wert dieses g-Faktors genau 2 sein sollte (falls keinerlei Interaktion mit virtuellen Teilchen stattfindet).
Interaktion des Elektrons mit virtuellen Teilchen erhöht den Faktor um Beiträge, die man durch Betrachten der entsprechenden Feynman-Diagramme errechnen kann. Aus diesem Grund kann der g-Faktor, der wirklich zu erwarten ist, mit außerordentlicher Genauigkeit errechnet werden, Zudem kann man ihn auch recht genau messen: Die bisher wohl genaueste Messung stammt aus 2008 und lieferte den Wert
Man hat ihn verglichen mit einer Berechnung aus der QED, bei der fast 1000 der wahrscheinlichsten Feynman-Diagramme berücksichtigt wurden und konnte feststellen, dass die so errechnete Zahl mit der gemessenen bis auf 14 Dezimalstellen hinter dem Komma übereinstimmte.
Dieser fantastischen Übereinstimmung wegen gilt die QED heute als die am genauesten überprüfte und bestätigte physikalische Theorie der Geschichte. Sie ist auch Beweis dafür, dass man virtuelle Teilchen und ihre Wechselwirkung mit realen (sowie untereinander) in der oben beschriebenen Weise wirklich zutreffend modelliert hat.
Mehr dazu in:
- Virtuelle Teilchen /m
- Virtuelle Teilchen — Wie Gordon Kane sie erklärt.
- Virtuelle Teilchen — Wie Matt Strassler sie erklärt
- Virtuelle Teilchen — Wie Rainer Raisch sie erklärt.
- Virtuelle Teilchen — Wie Frank Wilczek, ein
Nobelpreisträger für Physik, sie erklärt:
"Virtuelle Teilchen sind spontane Fluktuationen eines Quantenfeldes. Reale Teilchen sind Anregungen eines Quantenfeldes mit einer für Beobachtung brauchbaren Beständigkeit. Virtuelle Teilchen sind Transienten, die in unseren Gleichungen erscheinen, nicht aber in Messgeräten. Durch Energiezufuhr können spontane Fluktuationen über einen Schwellwert verstärkt werden, was bewirkt, dass (eigentlich sonst) virtuelle Teilchen zu realen Teilchen werden."
Quelle: Frank Wilczek: The Lightness of Being: Mass, Ether, and the Unification of Forces. Basic books, New York 2008, ISBN 978-0-465-00321-1, Glossary, S. 241
- Allgemeinste, überall passende Bedeutung des Begriffs "virtuelles Teilchen" ist somit:
"eine Summe harmonischer Feldanregungen, die weder trivial (d.h. unzerlegbares Boson), noch vollständiges Elemtarteilchen im Sinne des Standardmodells sein muss".
Sie ist sozusagen (als Teilchen begriffen) "umso virtueller", je weniger genau man ihre konkrete Zusammensetzung kennt und/oder je kürzere Zerfallszeit sie hat.
- Chad Orzel: Schrödingers Hund – Quantenphysik (nicht nur) für Vierbeiner, Seite 272-276
- Hees: Details zur Energie-Zeit-Unschärfe
- Es gibt keine direkte Interaktion zwischen Photonen: Photonen vermitteln die elektromagnetische Wechselwirkung und koppeln daher nur an geladene Teilchen an. Wenn zwei Photonen miteinander wechselwirken, dann geht das nur über virtuelle oder reale geladene Teilchen.
- Nun (2020) erstmals gemessen: Quantum fluctuations can jiggle objects on the human scale
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The Particles of Hawking Radiation
Gravity always causes Hawking radiation.