Welcher Teil der Mathematik ist absolutes Axiom?
Wer sich heute für Theoretische Physik interessiert, der wird sich früher oder später die Frage stellen, als wie sinnvoll er Stringtheorie erachtet (genauer: M-Theorie). Tatsachen sind:- Stringtheorie ist reine Mathematik.
- Stringtheorie wird entwickelt in der Annahme, dass die Lösung gewisser Differentialgleichungen ein Modell unseres Universums liefert, welches genauer und umfassender ist als alle bisher erarbeiteten physikalischen Modelle.
- Die Lösung, von der hier die Rede ist (man kennt sie bisher nur grob), ist Summe von etwa 10500 Modellen, deren jedes — wenn es denn wirklich real existierende Welten beschreibt — einen Teil des gesamten Kosmos modelliert; er könnte endliche oder unendliche Ausdehnung haben.
- Sollte wirklich jedes dieser Modelle Abbild real existierender Wirklichkeit sein, stünde schon jetzt fest, dass sich je zwei solcher Subuniversen
hinsichtlich der physikalische Gesetze, denen sie gehorchen,
ganz gravierend unterscheiden können.
Mit anderen Worten: Es muss dann ein gewisser Teil der Mathematik selbst Grundgesetz jeder tatsächlich existierenden Physik sein. Welcher Teil also kann das sein?
Zunächst scheint klar, dass es zu unterscheiden gilt, zwischen
- mathematischen Gesetzen einerseits
- und mathematischer Methodik andererseits.
Nun aber die entscheidende Frage:
Als Mathematiker weiß ich, dass es Räume verschiedener Geometrie gibt. Jede Geometrie ist Menge mathematischer Gesetzmäßigkeiten, einige davon gelten aber keineswegs in jedem Raum — Geometrien verschiedener Natur zu unterscheiden würde sonst ja gar keinen Sinn machen.
Dieses Beispiel zeigt: Nicht jedes mathematische Gesetz gilt bedingungslos und überall.
Was also sind bedingungslos geltende mathematische Gesetze (= absolute Axiome, die als solche dann natürlich auch Teil aller Physik sind)? Sie charakterisiert zu haben ist wichtig, denn sie und nur sie können sinnvoller Ausgangspunkt einer Theorie sein, die das gesamte Universum — alles, was ist — zu modellieren wünscht.
Meine These (die ich hiermit zur Diskussion stelle) ist:
Jedes absolute Axiom ist ein Paar ( B, V(B) ), in dem
- B eine Aussage ist,
- und V(B) eine Menge weiterer Aussagen derart dass die Aussage "B ist mindestens dann wahr, wenn alle Aussagen aus V(B) wahr sind" als wahr gilt — und das selbst dann, wenn menschliches
Wissen keinen Beweis dafür kennt.
Ein besonders wichtiges absolutes Axiom B (mit leerem V(B)) ist z.B. die Aussage "Lässt sich allein aus einer gewissen Menge von Annahmen ein Widerspruch ableiten, so ist mindestens eine jener Annahmen falsch oder undefiniert" (als undefiniert gilt eine Annahme oder Aussage genau dann, wenn sie auf einem Begriff aufbaut, der keinerlei Sinn macht; Sinnlosigkeit als solche zu erkennen — so weiß man heute —, kann beliebig schwierig sein). Als Entdecker dieses absoluten Axioms gilt Aristoteles [Zeitschrift für philosophische Forschung, Bd. 47, Oct-Dec 1993, pp. 521-541].
Gutes Beispiel dafür, dass es neben absoluten Axiomem auch nicht absolute gibt, ist das Parallenaxiom euklidischer Geometrie.
Auf jeden Fall gilt: Durch jedes nicht beweisbare absolute Axiom setzt der Mensch seinem eigenen Denken Grenzen. Ob jenseits solcher Grenzen Sinnvolles existiert, bleibt offen.
Denn: Absolute Axiome sind Axiome, von denen wir glauben, sie seien ein immer und überall gültiges Naturgesetz — wir können uns keine Situation vorstellen, in der sie nicht gelten. Letzte Sicherheit kann es da aber, mindestens im positiven Fall, nie geben.
Siehe auch:
stw4755AMP — Axiom . Mathematik . Physik — News?
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