Zum Wesen der Zeit
Wer von der Zeit spricht (im Glauben, dass sie vergeht und nicht nur deswegen in der Physik eine ganz wesentliche Rolle spielt) adressiert mit dem Wort Zeit — in aller Regel ohne dass ihm das bewusst wird — keineswegs immer ein und dasselbe:Kurt Gödel hat bewiesen, dass die Allgemeine Relativitätstheorie (die ART) auch Formen der Raumzeit kennt, die es unmöglich machen, zwischen Vergangenheit und Zukunft zu unterscheiden: Es kann Wege durch die Raumzeit geben, die aus einer Menge von Ereignissen bestehen, auf der die Zeit keine asymmetrische Ordnung mehr darstellt; die Vergangenheit aller Ereignisse ist dort gleichzeitig auch ihre Zukunft.
Einstein hat Gödels Argumentation als fehlerfrei eingestuft, hat dem Ergebnis aber keine große Bedeutung beigemessen, da er ohnehin der Meinung war, dass kein noch so gutes mathematisches Modell durch die Natur geschaffene Objekte in jeder Hinsicht genau und vollständig beschreiben kann. Mathematik, so seine Meinung, ist noch keine Physik.
Festzuhalten aber bleibt:
dass Zeit sich grundsätzlich nur einmal durchleben lässt.
Umso erstaunlicher ist es, dass Einsteins Theorie der Zeit dennoch ganz entschieden zwei Rollen völlig unterschiedlicher Qualität zuweist:
Zeit im biologischen Sinne
Jedes aus Energie bestehende Objekt unterliegt einer Entwicklung, die darin besteht, dass der Zustand des Objekts ständig durch einen neuen, anderen ersetzt wird. Da der Mensch die Fähigkeit hat, den bestehenden Objektzustand mit schon da gewesenen Zuständen — und auch mit noch erwarteten — zu vergleichen, sieht er die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von allem, was er kennt, als eine ständig anwachsende, geordnete Menge von Entwicklungszuständen. Er nennt diese Ordnung den Fluß der Zeit.Die Physik lehrt uns, dass der Wechsel von Zuständen, dem jedes Objekt unterworfen ist, sich zu etwas aufsummiert, das man als Alter des Objekts begreifen kann.
Mit anderen Worten: Man beobachtet, dass Objekte gleicher Art eine statistisch gesehen gut konvergente mittlere Zerfallszeit haben – im Durchschnitt also ein und dasselbe Budget ihnen möglicher Zustandswechsel. Man quantifiziert schon erreichtes Alter anhand von Taktgebern, die das Objekt begleiten und so beschaffen sind, dass klar erkennbar ist, wie oft sie ihren Zustand wechseln (da man den — am Taktgeber jedenfalls — als Schwingungszustand gut verfolgen kann): Atomuhren sind solche Taktgeber.
Experimente (mit Myonen etwa) bestätigen, was die ART voraussagt: Wo Objekte unterschiedlich stark beschleunigt sind, wird aus Sicht eines Beobachters die Uhr des stärker beschleunigten Objekts langsamer gehen (das Objekt sein Budget an Zustandsübergängen also vergleichsweise weniger schnell verbrauchen). Zeitfluß im » biologischen « Sinne — das Altern eines Objekts — bedeutet demnach nichts anderes als ein Anwachsen der Zahl aller vom Objekt schon vollzogenen Zustandsübergänge.
Es gibt aber einen noch ganz anderen Zeitbegriff:
Zeit im räumlichen Sinne
Sie ist zunächst einfach nur eine weitere Dimension der Menge aller Konzepte, die im Zusammenhang mit physikalischen Objekten Sinn machen. Die ART (genauer: die Formel für die Minkowski-Metrik) zeigt, dass sich im absolut leeren Raum ausbreitende elektromagnetische Wellen keinerlei Abhängigkeit zur Dimension der Zeit haben: Sie breiten sich stets senkrecht zur Zeitachse aus.Wie Experimente zeigen, können Lichtwellen einander nicht überholen, und so ist es möglich, über ihr Ausbreitungsverhalten und etwas Geometrie eine Maßeinheit Sekunde zur Quantifizierung räumlicher Zeit zu definieren und auch eine Maßeinheit Meter zur Quantifizierung der Größe der Radien sich ausbreitender Lichtwellen.
Dies wiederum führt zu einem Geschwindigkeitsbegriff, und es zeigt sich, dass unter ihm die Rate, mit der solche Radien wachsen, eine Konstante ist (die sog. Lichtgeschwindigkeit c).
Note: Die geometrische Konstruktion, von der ich spreche, ist ein Kegel, dessen Spitze im Ursprung des 4-dimensionalen Raumzeit-Koordinatensystems liegt, dessen Symmetrieachse die Zeitachse ist und dessen Mantellinien sämtlich von gleicher endlicher Länge seien. Projeziert man also den Rand seines Mantels auf die Zeitachse, so ergibt sich dort als Bild genau ein Punkt. Dessen Abstand zum Ursprung des Koordinatensystems kann man (z.B.) 1 Sekunde nennen.
Projeziert man den Mantel nun aber auf den 3-dimensionalen Teilraum, in dem sich Licht ausbreitet, so erhält man eine 3-dimensionale Kugel um den Ursprung des Raumzeit-Koordinatensystems. Ihr Radius ist — seiner Länge nach — dann etwas, das wir die Strecke nennen können, die Licht pro Sekunde zurücklegt.
Die so erhaltene Definition des Konzepts » Geschwindigkeit « hängt nicht davon ab, wie lange wir den Mantel gewählt haben und erfordert auch nicht, davon auszugehen, dass eine Dimension der Raumzeit von anderer Qualität sein müsse als all die übrigen. Würden wir die 4-te Dimension einfach » die vom Licht ignorierte « nennen, käme wohl niemand mehr auf den Gedanken, sie mit dahinfließender Zeit im Sinne unserer Alltagserfahrung in Verbindung zu bringen.
Seltsamerweise korrespondiert dieser rein räumliche Zeitbegriff nun aber dennoch mit einem Alterungsprozess. Kurz:
dass wir nicht wissen,
warum diese Korrespondenz besteht
( warum also der rein räumliche Zeitbegriff mit dem biologischen korrespondiert ).
Man könnte auf die Idee kommen, dass Zeit im biologischen Sinne (das Ausmaß, in dem ein Objekt auf seinem Weg durch die Raumzeit altert) Ressourcen quantifiziert, die man auf diesem Weg zwangsläufig verbraucht — ebenso zwangsläufig, wie ein Auto mehr oder weniger Benzin verbrauchen wird, je nachdem auf welchem Weg und mit welch ungleichmäßiger Geschwindigkeit es von einem Ort zu einem bestimmten anderen gefahren wird.
Diese Idee scheint konsistent mit den beiden Tatsachen, dass
- Beschleunigungskräfte den Raum krümmen (also Wege verkürzen)
- und man als Beobachter unterschiedlich stark beschleunigter Objekte die stärker beschleunigten langsamer altern sieht.
Man könnte sich zudem fragen, ob nicht vielleicht die Existenz von Raum und Zeit an die Existenz von Licht gebunden sind — was dann bedeuten könnte, dass elektromagnetische Strahlung noch etwas Konkreteres ist als Raum und Zeit ...
Jedem Logiker aber wird klar sein: Ob der Satz
des überall gegenwärtigen ständigen Auf- und Abbaus von Wirkpotential. «
überhaupt einen wohldefinierten Wahrheitswert hat, könnte unentscheidbar sein — er entspricht einer logischen Gleichung, und ob die Lösungen hat, weiß man derzeit nicht.
stw4337OPW — Objekt . Physik . Wesen — News?
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