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Theoretische Physik:  Induktiv oder deduktiv arbeiten?

Lisa Randall — weltweit bekannte Vertreterin theoretischen Physik — legt großen Wert darauf, fest­zustellen, dass sie sich vor allem als Modellentwickler sieht, und nicht als Stringtheoretiker.

Das verwundert etwas, denn schließlich hat sie (gemeinsam mit Raman Sundrum) eine Theorie der Gravitation entwickelt, die durchaus von string-theoretischen Ansätzen Gebrauch macht.

Sie ist stolz darauf, dass diese Theorie so beschaffen ist, dass schon der LHC im CERN Hinweise auf ihre Gültigkeit oder Ungültigkeit finden könnte. Dass dem so ist, führt sie darauf zurück, dass Modellentwick­ler (wie sie) induktiv statt deduktiv vorgehen:

Induktiv vorzugehen bedeutet, dass man
  • durch die Experimentalphysik produziertes Wissen zum Ausgangspunkt der Modellentwicklung macht,
  • dort nach Wissenslücken, ungeklärten Aspekten und Widersprüchen sucht
  • und jene durch theoretisch mathematische Überlegungen zu klären sucht.

Deduktiv vorzugehen bedeutet,
  • zunächst einfach nach einer besonders elegant anmutenden Theorie zu suchen,
  • sie mathematisch zu formulieren
  • und dann zu fragen, wie ihre Vorhersagen sich mit den Ergebnissen der Experimentalphysik vertragen (z.B. mit durch Kosmologen gesammelten Daten).

Der induktive Weg hat den Vorteil, dass man sich niemals allzu weit von den Möglichkeiten der Experimentalphysik entfernt.

Der deduktive Weg dagegen führt — wie das Beispiel der Stringtheorie eindrucksvoll zeigt — sehr schnell auch in Bereiche, die der Experimentalphysik möglicherweise nie zugänglich sein werden (in Bereiche etwa, in denen extrem hohe Energien bzw. extrem kurze Abstände eine Rolle spielen).

Wie das Beispiel der Stringtheorie ebenfalls zeigt,
  • führt der deduktive Weg hin zu allem, was möglich ist,
  • während der induktive i.W. nur hinführt zu allem, was durch Experimentalphysiker und Kosmologen überprüfbar ist.

Man erkennt:
  • Der deduktive Weg kann weiter führen als der induktive, wird aber i.A. einen viel dornigeren Weg darstellen:
  • Rein deduktiv entwickelte Modelle werden immer mit dem Problem zu kämpfen haben, anerkannt zu werden, und nicht sagen zu können, welcher Teil ihrer Ergebnisse sich denn jetzt wirklich auf das uns sichtbare Universum bezieht (auf die physikalischen Strukturen also, die durch uns einsehbar sind: im ganz Großen ebenso wie im ganz Kleinen).
  • Wie zielgenau auch deduktive Methodik sein kann, zeigt die Tatsache, dass Einsteins Gravitations­theorie auf die Expansion des Universums hinwies, noch bevor man sie entdeckt hatte (oder auch nur bereit war, an sie zu glauben).

Dies bedacht relativiert sich viel von dem, was Kritiker der Stringtheorie vorwerfen.





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