Zitat von Gebhard:
Nun Henry,
es ist halt doch "so eine Sache" mit der Falsifikation:
Hätte man das Team in Kiew nämlich seine Beobachtungen durchführen lassen, hätten seine Zahlen dem widersprochen, was Einstein damals voraussagte.
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass man dann seine Theorie als widerlegt betrachtet hätte (und nicht einfach nur seine Rechnung, die den Fehler wirklich enthielt).
Wer nämlich macht sich die Mühe, etwas Kompliziertes zu verstehen, wenn andere ihm sagen, es gäbe schon ein Gegenbeispiel?
Und noch eine Sache: Zutreffende Theorien kann man natürlich niemals (zurecht) falsifizieren. Aber genau diese Theorien sind ja die wertvollen (!).
Logisch korrekte Falsifikation ist demnach nicht mehr als ein Weg, Sackgassen schnell als solche zu erkennen.
Gruß, grtgrt
Hallo, Gebhard!
Erst noch mal zur Philosophie und Physik (oder allgemeiner den Naturwissenschaften). Natürlich hab ich da auch Blödsinn geschrieben, was wohl zum Teil an der Fragestellung lag. Weshalb sollte es einen Unterschied zwischen Philosophie und Physik geben? Es gibt gar keinen, es sind zwei völlig verschiedene Ebenen der Betrachtungsweise.
Was man nach meiner Ansicht aber sagen kann ist, dass man, um Naturwissenschaft zu betreiben, möglichst objektiv vorgehen sollte. Dazu gehört auch, die Philosophie (im Sinne einer Weltsicht) außen vor zu lassen. Andererseits kann ein schlüssiges philosophisches Weltbild nicht auf die Erkenntnisse der Naturwissenschaften verzichten.
Weiter ist die Frage, ob wir z. B. in einem Blockuniversum leben oder nicht oder ob die Raumzeit real ist oder nicht erst einmal gar keine philosophische Frage. Das Blockuniversum ist eine (mögliche) Folgerung aus den Annahmen der SRT (Nichtgleichzeitigkeit der Ereignisse), und ob die Raumzeit real ist oder nicht ist Spekulation und hat erst einmal überhaupt keinen Einfluss auf die Voraussagen, die sich nach der Theorie tätigen lassen. "Philosophisch" werden all diese Erkenntnisse oder Interpretationen, wenn wir uns mit den Folgen für unser Dasein und für unser Selbstverständnis als Menschen beschäftigen.
Wie arbeiten Physiker (oder allgemein Naturwissenschaftler)? Es ist ein Zusammenspiel von Theorie und Experiment. Nebenbei: Das Erstellen eines Computerprogramms und seine Testphasen mit der Entwicklung einer physikalischen Theorie vergleichen zu wollen ist – sage wir mal – zumindest weit hergeholt.
Die Theorie muss selbstverständlich zunächst einmal darauf geprüft werden, ob sie nicht bereits weitgehend bestätigten Erkenntnissen widerspricht, und ob sie in sich widerspruchsfrei ist. In erster Linie aber darf sie nicht dem widersprechen, was wir "Naturgesetzte" nennen, also z. B. den verschiedenen Erhaltungssätze oder den verschiedenen Konstanten. Und hier beginnt auch schon die Einsicht, dass jede Theorie erst einmal nur eine Theorie "auf Abruf" sein kann. Logischer Weise ist für die Konstanten und Erhaltungssätze die Allgemeingültigkeit zu fordern, und starke Indizien sprechen dafür, das dem so ist. Aber wir können es nicht wissen! Wir sind noch nie in anderen Gegenden unseres Kosmos gewesen, wir wissen nur von den experimentellen Ergebnissen hier auf der Erde (kosmisch gesehen macht es keinen Unterschied, ob wir auf der Erde oder in einer Raumstation sind). Und vielleicht noch wichtiger: Wir wissen nicht, ob sich die Konstanten / Erhaltungssätze in der Zeit ändern.
Dann muss eine Theorie Annahmen / Voraussagen machen, die sich experimentell überprüfen lassen. Nun sagt eine akzeptable Theorie natürlich nicht nur eine Aussage wie z. B. "Lichtstrahlen werden durch das Gravitationsfeld der Sonne abgelenkt". Aber selbst die Bestätigung dieser Voraussage ist eben nur die Bestätigung EINES Experimentes, das nach wissenschaftlichen Kriterien aber eigentlich nicht nur an der Sonne mehrfach wiederholt werden muss, und zwar unter IDENTISCHEN Voraussetzungen, sondern es müsste, um allgemein gültig zu sein, an ALLEN Sternen und auch sonstigen schweren Objekten überprüft werden. Dann, und NUR dann kann davon gesprochen werden, dass die Voraussage der Theorie in diesem Punkt allgemeingültig bestätigt ist. Und das ist nur eine Aussage, die z. B. die ART macht. Um tatsächlich sagen zu können, die ART ist bestätigt, müssen sämtliche ihrer Voraussagen experimentell in ähnlicher Weise bestätigt werden. Und es sind ja noch nicht einmal alle Lösungen für die Gleichungen der ART gefunden worden, geschweige denn überprüft.
Das oben Gesagte zeigt, warum eine Theorie nicht verifiziert werden kann, und auch, warum eine noch so gut durchdachte und im Experiment bestätigte Theorie sehr wohl falsifiziert werden kann. Wirklich falsifiziert wäre sie aber nur, falls sie den Grundlagen der Physik (Naturgesetze) widerspräche oder falls sich die Grundlagen selbst als falsch erweisen sollten. Und so ganz unwahrscheinlich ist das gar nicht.
Beitrag 2016-58
-
Hallo Henry,
alles, was du in
Beitrag 2016-57 sagst, sehe auch ich so: Du hast recht.
Wenn ich die Methodik der Falsifikation nicht ganz so konkurrenzlos dastehen lassen möchte, liegt das einfach daran, dass sie ausschließlich dazu dienen kann "gedankliches Unkraut" baldmöglichst zu beseitigen.
Zutreffende Modelle zu erstellen, hilft sie aber nicht. Bestätigung durchs Experiment aber hilft, auch wenn — wie du ganz richtig feststellst — so eine Bestätigung noch lange kein Beweis ist (und es einen wirklichen Beweis möglicherweise nie geben kann).
Das Erstellen von Software ist wirklich was ganz anderes als das Erarbeiten einer physikalischen Theorie.
Mein Beispiel "Software-Test" war lediglich gedacht, darauf hinzuweisen, dass, wo Widersprüche entdeckt werden, zunächst mal nicht klar ist, auf welcher der beiden Seiten der entsprechende Denkfehler denn liegt, oder ob der entdeckte Widerspruch denn wirklich die Ursache hat, die man denkt, dass er hat (gerade dafür ist Einsteins Rechenfehler ja schon ein sehr schönen Beispiel).
Beste Grüße,
grtgrt
Beitrag 2035-227
-
Eine falsifizierbare Theorie ist eine, die widerlegt werden kann, W E N N sie falsch ist ( und eben nur dann ).
Hallo Grtgrt,
und wie würdest du eine
nicht falsifizierbare Theorie charakterisieren?
M.f.G Eugen Bauhof
Eine
nicht falsifizierbare Theorie ist eine, die zu widerlegen selbst dann nicht gelingt, wenn sie falsch ist.
Die Stringtheorie etwa legt nahe, dass es grob 10
500 verschiedene Typen möglicher Universen gibt. Eine Theorie z.B., die sagt oder voraussetzt, dass es im Kosmos zu jedem dieser Typen wenigstens ein Universum gibt, dessen Kräfte und Elementarteilchen sich so verhalten, wie dieser Typ beschreibt, ist nicht falsifizierbar (nach allem, was wir derzeit wissen und für bestätigt halten).
Beitrag 2035-233
-
Falsifizierbarkeit bzgl. einer Theorie bedeutet nicht, DASS eine Theorie falsch ist, sondern erlaubt die Frage, OB sie falsch ist.
Hallo Henry,
ja.
Vielleicht noch etwas genauer:
Falsifizierbarkeit beinhaltet die Möglichkeit des Scheiternkönnens. Denn Falsifizierbarkeit besagt, dass Theorien nur dann wissenschaftlicher Charakter zukommt, wenn sie mit möglichen oder doch denkbaren Beobachtungen in Widerspruch stehen können. Wenn eine Theorie mit allen möglichen Beobachtungen
prinzipiell von vornherein nicht widerlegbar wäre, dann kommt ihr kein wissenschaftlicher Charakter zu.
M.f.G. Eugen Bauhof
Das ist richtig, kann aber noch verschärft werden:
F a l s i f i z i e r b a r k e i t bedeutet, dass die Theorie, WENN sie falsch sein sollte, tatsächlich auch als falsch erkannt werden kann.
W i d e r l e g b a r k e i t bedeutet, dass die Theorie als falsch erkannt werden kann (und somit tatsächlich falsch ist).
Beitrag 2059-1
Über Streitkultur (speziell im Umfeld Theoretischer Physik)
Das sicherste Anzeichen dafür, dass jemand die Argumente ausgehen, ist stets, dass er dazu übergeht, nur noch so zu antworten, dass er seinem Gesprächspartner Dummheit vorwirft.
Speziell für Vertreter der Theoretischen Physik gilt, was einer von ihnen selbst sagt (und viele andere denken oder dachten):
Zitat von Magueijo (2003):
Tatsächlich gibt es in der Wissenschaft keine bessere Methode, verrückt zu werden, als die Zweifel, die von anderen an der eigenen Idee vorgebracht werden, als persönliche Angriffe anzusehen — selbst wenn die Bemerkungen vor Verachtung oder Bosheit triefen und wenn man absolut sicher ist, dass alle Anwesenden einen für einen ausgemachten Dummkopf halten.
So ist das nun mal in den Naturwissenschaften. Jede neue Idee ist so lange dummes Geschwätz, bis sie jede erbarmungslose Kritik überlebt hat.
Sich solch erbarmungsloser Kritik wirklich zu stellen ist notwendig, um zu zeigen, dass die eigene Theorie — obgleich sie falsifizierbar sein sollte — nicht zum Widerspruch geführt werden kann.
Beitrag 1209-32
Die Natür könnte immer "noch verrückter" sein ...
Obwohl manche hier meinen, dass du zu viel Unsinn verbreitest ...
Das beste, was mir passieren könnte, wäre, wenn es jemand gelänge, mir dies oder das, was ich so schreibe, tatsächlich als Unsinn nachzuweisen ...
Aber so mancher denkt da wohl, dass hoch Spekulatives auf jeden Fall falsch sein müsse.
Ich jedenfalls will nicht vergessen, dass Bohr, Wheeler und einige andere mehrfach darauf hinwiesen, dass man als Theoretischer Physiker gar nicht gewagt genug denken könne: Die Natur könnte immer "noch verückter" sein.
Selbst die Geschichte der Mathematik kennt einige Beispiele,
wo nicht die etablierten Professoren recht hatten, sondern der blutige Anfänger (Kronecker vs Cantor sind da ein recht schönes Beispiel).
Beitrag 1209-33
Was Logik uns sagt, hat anderes Gewicht als was Meinungen uns sagen
Obwohl manche hier meinen, dass du zu viel Unsinn verbreitest ...
Das beste, was mir passieren könnte, wäre, wenn es jemand gelänge, mir dies oder das, was ich so schreibe, tatsächlich als Unsinn nachzuweisen ...
Meinungen können falsch sein.
Strenge, unangreifbare Logik ist der einzige Kritiker, dem ich mich beuge.
Beitrag 1209-35
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Meinungen können falsch sein.
Aber
Meinungsfreiheit nicht.Sonst befänden wir uns in ein diktatorische Umfeld .Wer will dass schon ?
Ja, Haronimo,
Meinungsfreiheit ist wichtig.
Ich will auch gar niemand seine Meinung nehmen — wenn ich sie für falsch halte (und die Person mir nicht ganz gleichgültig ist), konfrontiere ich sie halt mit Gegenargumenten. Sollte man sie nicht einsehen, bleibt unser beider Meinung halt nebeneinander stehen.
Warum andere das nicht immer so locker sehen, kann ich nicht so recht verstehen.
Gruß, grtgrt
Beitrag 0-17
Nur mathematische Logik führt zu absolut objektiver Schlussfolgerung
Nur mathematische Logik führt zu absolut objektiver Schlussfolgerung
In der Medizin — das ist zweifelsfrei erwiesen — spielt die Erwartungshaltung der Patienten eine große Rolle:
Ein Medikament wirkt umso besser, je mehr der Patient davon überzeugt ist, dass es Wirkung haben wird. Man nennt das den
Placebo-Effekt.
Aber schlimmer noch: Wo Arzneimittel getestet werden, ist es wichtig, dass solcher Test im Doppel- oder gar Dreifachblindverfahren durchgeführt wird,
was bedeutet, dass das Wissen darüber, welcher Patient das zu testende Mittel bekam
und wem stattdessen nur ein Placebo verabreicht wurde (ein Mittel also, das gar keine Wirkung haben sollte), weder den Versuchspersonen noch den Personen, die die Versuchspersonen beobachten,
bekannt wird.
Letzteres zu erreichen kann schwierig sein, wenn das zu testende Mittel noch während des Versuches beobachtbare Nebenwirkungen haben kann: Der die Patienten beobachtende Arzt wird, wo sich solche Nebenwirkung zeigt,
— und sei es nur Übelkeit oder Schlaflosigkeit — geneigt sein, anzunehmen, dies sei ein Patient, der das echte Mittel (das Verum) erhielt.
Ganz gleich, ob dem dann wirklich so sein sollte: Er wird mindestens unbewusst voreingenommen
reagieren, was sich auf jeden Fall dort auf die Objektivität seiner Beobachtungsergebnisse auswirken wird, wo zwischen Wirkung und Nichtwirkung nur schwer unterschieden werden kann.
Mit anderen Worten: Es gibt nicht nur den
Placebo-Effekt, sondern auch den sog.
Experimentator-Effekt, der ebenfalls zu nur scheinbar richtigen Ergebnissen führt.
Somit gilt:
Absolut objektive Beobachtung
ebenso wie absolut objektive Schlussfolgerung,
sind nur möglich, wo sie sich das Erkannte allein mathematischer Gesetzmäßigkeiten wegen zeigt.
Mathematik ist demnach der einzige uns bekannte Denkmechanismus, mit dessen Hilfe sich absolut objektive Schlussfolgerungen ziehen lassen.
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