Urknall





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Zum Urknall

   





D i s k u s s i o n


 Beitrag 0-478
Wie Inflationsenergie Materie schaffen konnte

 
 

 
Wie es zum Entstehen von Materie kommen konnte

 
 
Heute setzen die meisten Kosmologen auf die durch Guth vorgeschlagene Inflationstheorie — auf ein Geschehen also, wie man es sich unwahrscheinlicher kaum vorstellen kann:
 
Guth nahm an, dass ein skalares Feld, das sog. Inflationsfeld, existiert hat, welches eine riesige Menge von Energie sozusagen "zum Kochen brachte".
 
So wie sich in kochendem Wasser Dampfblasen bilden, bilden sich im Inflatonsfeld sog. Taschenuniversen: kleine Regionen, in denen das Inflationsfeld zusammenbricht und der Raum dann kaum noch weiter expandiert.
 
Jede Art von Materie, die vor der Inflation schon existiert haben mag, wird durch die Inflation zu fast nichts verdünnt — auf verschwindend kleine Dichte ausgedehnt — so dass ein Taschenuniversum zunächst so gut wie leer ist.
 
Die ungeheuere Energie aber, die im Inflationsfeld steckt, muss beim Zusammenbruch des Feldes neue Form annehmen — und diese Form ist Wärme, genauer: elektromagnetische Strahlung: Jene, die wir heute noch als inzwischen schon stark abgekühlte kosmische Hintergrundstrahlung beobachten.
 
Nach Einsteins Formel E = mc2 und Heisenbergs Unschärferelation können Elementarteilchen jeder Art entstehen, solange nur ausreichend viel Energie zur Verfügung steht.
 
Protonen, Elektronen und Neutrinos sind auf diese Weise entstanden zu einer Zeit, als das Universum noch weit über eine Milliarde Grad heiß war: Je höher seine Temperatur, desto schwerer die Materieteilchen, die so entstehen konnten.
 
Unmittelbar nach Zusammenbruch des Inflationsfeldes könnte unser Universums eine Temperatur von 1027 (= 1000 Billionen Billionen) Grad gehabt haben.
 
 
 
Quelle: Paul Davis: Der kosmische Volltreffer, Campus 2008, S. 87-88

Kosmische Inflation
 
Kritische Stimmen zum gängigen kosmologischen Modell ( dem ΛCDM-Modell )
 
Wichtige noch ungeklärte Beobachtungen


 

 Beitrag 0-438
Die Urknalltheorie — wie George Lemaître sie als zwingend erkannte

 
 

 
Die Urknalltheorie — vorgezeichnet durch George Lemaître

 
 
Schon 1917 war Einstein durch Rechenergebnisse von Friedmann, de Sitter und Lemaître darauf aufmerksam gemacht worden, dass seine Feldgleichungen ein nicht-statisches Universum beschreiben.
 
Einstein — der damals noch fest davon überzeugt war, das Universum müsse statisch sein — hat deswegen seiner Gleichung eine sog. kosmologische Konstante hinzugefügt in der irrigen Meinung, hierdurch nicht-statische Lösungen ausschließen zu können.
 
Erst 1930 — nachdem zunächst Slipher und dann Hubble mit seinem Mitarbeiter Humanson die Rotverschiebung extragalaktischer Nebel entdeckt und anhand von 46 Beispielen genau quantifiziert hatten, sah sich Einstein gezwungen, zu akzeptieren, dass die Raumzeit tatsächlich nicht statisch sein könnte — eben ganz so, wie seine Feldgleichung das mit oder ohne kosmologische Konstante schon immer voraussagt hatten.
 
Erst jetzt sah Einstein ein, dass er — statt eine kosmologische Konstante zu erfinden — besser gleich seinen Gleichungen hätte glauben sollen.
 
 
Lemaître hatte inzwischen die Idee des expandierenden Universums entwickelt und hierbei nicht übersehen, dass, wer dieses Modell einmal akzeptiert hat, natürlich auch fragen müsse, warum das Weltall expandiert und was sich an Erkenntnissen ergeben kann, wenn man die Entwicklung des Universums in die Vergangenheit hinein zurückverfolgt.
 
Schnell wurde klar, dass Friedmanns und Lemaîtres Modelle darauf hindeuten, dass die Raumzeit aus einem einzigen kleinen Etwas entstanden sein könnte: aus einen Uratom (einer Art "Urei", wie Lemaître sich ausgedrückt hat).
 
Dieses Urei — so Lemaître — müsse gemäß den Gesetzen der eben erst entdeckten Quantenphysik zerfallen sein und könnte so alle Materie erzeugt haben, die sich seit jenem Zerfall im Universum findet.
 
Es war dies ein einfaches, hypothetisches und schon beinahe biblisch anmutendes Modell, aber Lemaître gab sich größte Mühe, die Religion aus seinem Vorschlag herauszuhalten. Er veröffentlichte in Nature eine kurze Arbeit mit dem Titel » Der Beginn der Welt aus der Sicht der Quantentheorie «.
 
Lemaître schrieb:
 
» Wenn die Welt mit einem einzigen Quantum begonnen hat, dann haben die Begriffe von Raum und Zeit keinerlei Bedeutung; diese erhalten sie vernünftigerweise erst, wenn sich das ursprüngliche Quantum geteilt hat. Sollte dieser Vorschlag zutreffen, dann lag der Beginn der Welt noch etwas vor dem Beginn von Raum und Zeit. «

 
 
Historische Notiz:
 
Lemaîtres Theorie konnte sich erst durchsetzen, nachdem sich für die später entstandene, zunächst deutlich plausiblere Steady State Theory keinerlei Argumente mehr finden liesen.

 

 Beitrag 0-244
Historie und Widerlegung der Steady-State-Theorie

 
 

 
Historie und Widerlegung der Steady-State-Theorie

 
 
Historisch interessant ist, dass die Urknalltheorie ihren Namen der Person verdankt, welche sie am vehementesten abgelehnt hat: Fred Hoyle.
 
Hoyle und seine Mitarbeiter propagierten statt ihrer die sog. Steady-State-Theorie, welche davon ausging, dass die Qualität des Universums über alle Zeit hinweg unverändert die gleiche gewesen sei und in Zukunft auch sein werde.
 
Die damals schon bekannte Tatsache, dass der Raum expandiert, erklärten sie sich dadurch, dass sie annahmen, aus dem Vakuum heraus entstünden ständig neue Atome, von denen einige wenige ihrer gegenseitigen Auslöschung entkommen und so die Materie im Raum dauerhaft vermehren.
 
Diese Physiker räumten zwar ein, dass ihnen ein Beweis für diese spontane Entstehung von Materie fehle, das erfordliche Maß an Materiebildung — mit einigen wenigen Atomen pro Jahrhundert und Kubikkilometer — aber so gering sei, dass sich ein Gegenbeweis nicht führen lasse.
 
Zudem wiesen sie darauf hin, dass kontinuierliche Entstehung neuer Materie doch wohl eher wahrscheinlicher sei als eine urplötzliche Entstehung sämtlicher Materie in einem "Big Bang" (Urknall).
 
 
Was ihrer Theorie dann aber den Todesstoß versetzt hat, war folgendes Argument und folgende Beobachtung:
     
  • Ferne Galaxien zeigen sich uns so, wie sie vor Milliarden vor Jahren waren. Wäre die Staedy-State-Theorie richtig, dürfen sie sich in ihrer durchschnittlichen Qualität nicht unterscheiden von uns nahegelegenen Galaxien.
     
  • Je mehr Daten man aber sammelte, desto klarer wurde, dass die besonders fernen Galaxien tatsächlich anders aussehen und deutliche Anzeichen von Jugend aufweisen: Sie sind kleiner, unregelmäßiger geformt und von besonders hellen, kurzlebigen Sternen bevölkert. Auch senden sie weit mehr Radiowellen aus als uns nahe Galaxien [was 1950 dem Astronom Martin Ryle aufgefallen war].

 
Interessant also: Es war die Urknalltheorie — die weniger plausible von beiden — die sich als tragfähig erwies.
 
Sie wurde schon kurze Zeit später ergänzt durch die Inflationstheorie, genauer: die Theorie ewiger Inflation, die
 
Beobachtungsergebnisse, die geeignet erscheinen, selbst noch die Urknalltheorie mit Fragezeichen zu versehen, sind — mit Stand 2016 — zusammengetragen in Hans Jörg Fahr: Mit oder ohne Urknall — Das ist hier die Frage (Springer Spektrum, aktualisierte 2. Auflage, 2016).
 
Es werden in diesem Buch insbesondere ernsthafte Zweifel daran geweckt, ob die Rotverschiebung des Lichtes beobachtbarer Himmelskörper wirklich nur mit deren Entfernung von der Erde korrespondiert oder vielleicht doch auch vom Alter der betroffenen baryonischen Materie mit geprägt wird.
 
Wie neuere Beobachtungen der Zwerggalaxien in unserer sog. Lokalen Gruppe vermuten lassen, bewegen sich Galaxien um deutlich größere Galaxien ähnlich wie Planeten um einen Stern. Stellt man sich jetzt also vor, dass es zwei Galaxien geben kann, die sich um eine deutlich größere herum auf ähnlicher Bahn bewegen, aber so, dass sie sich stets in etwa gegenüber befinden, wird klar, dass sie — aus Sicht weit entfernter, in der Ebene dieser Bahn existierenden Beobachter deutlich unterschiedliche Rotverschiebung aufweisen können (da ja dann immer eine der beiden dem Beobachter entgegen kommt, während die jeweils andere sich gerade von ihm entfernt — was der langen Umlaufzeiten wegen für die so extrem kurzlebigen Beobachter aber nicht erkennbar sein wird).
 
Lies auch: Halton Arp's Kosmomologie (Fahr nimmt auf sie mehrfach Bezug, erwähnt aber nicht, wie ablehnend die meisten Astrophysiker ihr gegenüber stehen).

 

 Beitrag 0-439
Entdeckung und erste Leistung der Radioastronomie

 
 

 
Entdeckung und erste Leistung der Radioastronomie

 
 
Radiowellen verhalten sich wie die Wellen sichtbaren Lichts, haben aber bis zu 1 Milliarde mal größere Wellenlänge:
     
  • Sichtbares Licht hat Wellenlängen kleinar als ein Millionstel Meter.
     
  • Radiowellen aber haben Wellenlängen von einem Millimeter bis hin zu Hunderten von Metern.

Jansky hat entdeckt, dass aus der Milchstraße außerordentlich viele Radiowellen kommen, und zwar ununterbrochen: weit mehr als die Sonne sichtbares Licht ausstrahlt.
 
In einem 1933 veröffentlichten Aufsatz » Elektrische Strömungen offenbar extraterrestrischen Ursprungs « zählte Jansky systematisch sämtliche mögliche Quellen für das Rauschen auf und zeichnete auf einer Karte ein, woher die Radioquellen kamen.
 
Er eröffnete hiermit eine andere Batrachtungsweise des Kosmos — eine, für die keine riesigen Teleskope auf den Gipfeln hoher Berge notwendig waren — sondern nur Maschendraht, Stahl und einige Schüsseln in offenem Gelände.
 
Janskys Entdeckung wurde damals weitgehend ignoriert. Als er den Bell Laboratories den Bau einer neuen, verbesserten Antenne vorschlug, wurde er abgewiesen. Da er selbst und seine Firma kein Interesse an Astronomie hatten, beschäftigte er sich von da an mit anderen Dingen.
 
Früchte trug seine Entdeckung erst, als ein eigenwilliger Rundfunkingenieur und Hobbyastronom aus Illinois — Grote Reber — in der Zeitschrift Pupular Astronomy von Janskys Entdeckung erfuhr und dann anfing, in seinem Garten entsprechende Antennen zu bauen. Seine Antenne hatte eine Schüssel mit einem Durchmesser von neuen Metern und einem Metallgerüst davor, das die reflektierten Wellen empfangen sollte. Das war das erste richtige Radioteleskop und den heutigen schon stark ähnlich. [here]
 
Mit seiner Hilfe schickte Reber sich an, eine genauere Karte der Radiowellenstrahlung der Milchstraße anzufertigen. Er publizierte sie 1940 unter dem Titel » Kosmisches Rauschen « im Astrophysical Journal.
 
 
Mit diesem Aufsatz öffnete sich für Astronomen ein neues Fenster zum Weltall.
 
Der Funkamateur und Elektroingenieur Martin Ryle hat es in ständigem Streitgespräch mit Fred Hoyle zum Ausgangspunkt der heute so wichtigen Radioastronomie fortentwickelt.

 
Im Februar 1961 legte er die dann schon 4-te Version seines Katalogs der Radioquellen der Royal Astronomical Society vor (sog. 4C-Katalog, das C steht für Cambridge). Er argumentierte, seine Ergebnisse ließen sich mit Hoyles Steady State Modell nicht vereinbaren: Es gebe viel zu wenige helle Quellen in Relation zu den schwachen.
 
 
 
Historische Notiz:
 
Die Auseinandersetzung zwischen Hoyle und Ryle mag, da ihr Zentrum in Cambridge lag, als nebensächliche Ablenkung vom Siegeszug der allgemeinen Relativität und dem Urknallmodell erscheinen. Außerhalb des Vereinigten Königreichs interessierte sich nämlich kaum jemand für Hoyles Modell.
 
Damaligen Besuchern in Cambridge fiel die vergiftete Atmosphäre zwischen Ryle und der Gruppe um Hoyle auf (entsprechende Kommantare zeigen das).
 
Andererseits brachte diese Rivalität beträchtlichen wissenschaftlichen Fortschritt mit sich. Fred Hoyle sollte später als einer der größten Astronomen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gefeiert werden — nicht zuletzt deswegen, weil er eine brilliante Theorie zum Ursprung der Elemente in Sternen entwickelte. Die Tatsache, dass er 1983 nicht mit zum Kreis der Nobelpreisträger für Physik gehörte, führen manche auf seinen Charakter als Einzelgänger zurück und vor allem auf sein beharrliches Festhalten am Steady State Modell.
 
 
 
Quelle: Pedro G. Ferreira: Die perfekte Theorie (2014), S. 114-120


 

 Beitrag 0-Inflation
Wie sich Kosmologen heute die Entstehung unserer Welt vorstellen

 
 

 
Fragen zum Urknall,

welche erst die Inflationstheorie beantworten konnte

 
 
Anders als ihr Name vermuten lässt, erklärt die Urknalltheorie die Entwicklung des Universums erst ab einem Zeitpunkt, zu dem der Urknall schon deutlich mehr als eine Planck-Zeit zurückliegt (und dann bis hin zu etwa 380.000 Jahren danach, als sich dann schon in großer Zahl stabile Atome bilden konnten und das Universum durchsichtig wurde).
 
Noch früheres Geschehen erklärt erst die durch Alan Guth mit ins Spiel gebrachte Inflationstheorie. So richtig überzeugend wurde  s i e  aber erst aufgrund eines gedanklichen Durchbruchs, den — 1982 im Rahmen des Nuffield Workshops — Guth, Hawking, Steinhardt, Starobinsky und einige Helfer in Form weitgehend unabhängig voneinander durchgeführter Berechnungen erzielen konnten.
 
Sie wussten damals nicht, dass schon 1 Jahr früher zwei russische Forscher am Lebedev-Institut in Moskow mit einem etwas anderen gedanklichen Ansatz zum nahezu gleichen Ergebnis kamen.
 
Es ging in diesen Rechnungen darum, wie sich durch Quantenfluktuation hervorgerufene Energieschwankungen im Zuge extrem schneller Expansion des Raumes ausbreiten konnten. Gut 10 Jahre später hat dann der COBE-Satellit durch Ausmessen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds die aus diesen Rechenergebnissen kommenden Aussagen auch wirklich erstmals bestätigen können.
 
Eben deswegen muss die Inflationstheorie heute als eine mit wichtigen Beobachtungsdaten gut harmonierende Theorie betrachtet werden.
 
 
Erst die Annahme solcher Inflation kann folgende Fragen plausibel beantworten:
     
  •   Was hat zur explosionsartigen Ausdehnung des Raumes geführt?

      Antwort: Das Inflatonfeld mit seinem negativen Druck, welcher der Gravitation entgegenwirkt.

     
  •   Woher kamen die etwa 1080 im beobachtbaren Universum vorhandenen Elementarteilchen?

      Antwort: Sie sind aus der beim Zerfall des Inflatonfeldes freigewordenen Energie entstanden [gA].

     
  •   Warum ist das Universum in alle Richtungen hin so extrem gleichförmig?

      Note: Das beobachtbare Universum war im Alter von 10-35 sec zwar nur knapp 1 cm groß, doch während solch kurzer Zeit kann Licht nur etwa 10-27
      Meter weit kommen — viel zu wenig, um Anfangsunterschiede ausgleichen zu können.

      Antwort: Da der Raum sich in der Inflationsphase exponentiell ausgedehnt hat, muss der Teil, der unserem heute beobachtbaren Universum entspricht, zunächst sehr viel winziger gewesen sein — winzig genug, dass vor Ausbruch der Inflation alle Teilbereiche darin in Wechselwirkung standen.

     
  •   Woher kommen die winzigen Temperaturunterschiede in der kosmischen Hintergrundstrahlung (die Dichteunterschiede im Urgas, die dann später zur   Verklumpung der Materie geführt haben?

      Antwort: Von Quantenfluktuationen, die durch die Inflation extrem verstärkt und vergrößert wurden.

     
  •   Woher kommt die überall nahezu euklidische Metrik? Dass sie sich rein zufällig ergab ist extrem unwahrscheinlich.

      Antwort: Die Inflation hat den Raum in alle Richtungen hin gestreckt. Er verhielt sich ähnlich wie ein faltiges Tischtuch, das beim Auseinanderziehen fast glatt wird.

     
  •   Warum sind die Naturkonstanten so, wie wir sie kennen (obgleich doch auch andere Werte möglich scheinen)?

      Antwort: Es könnten alle Möglichkeiten irgendwo realisiert sein. Der Inflationstheorie zufolge entstehen ja stängig neue inflationäre Blasen im falschen Vakuum.

     
  •   Warum beobachten wir keine exotischen Objekte, die möglich erscheinen (wie etwa magnetische Monopole, kosmische Strings, Blochwände, Texturen)?

      Antwort: Wenn es sie überhaupt gibt, könnte die Inflation sie weit auseinander getrieben haben, so dass sie im beobachtbaren Universum kaum oder gar nicht vorkommen.

 
 
Die Inflation hört als Ganzes wohl nie auf, sondern setzt sich ewig fort. Früher oder später — so denken vor allem Linde und Vilenkin — bilden sich an jeder Stelle, gelegentlich auch innerhalb schon bestehender Blasen, neue Blasen: Regionen, in denen der Raum nicht mehr exponentiell expandiert. Sie stellen sich — von innen her betrachtet — als möglicherweise unendlich große Universen dar.


Andrej Linde:
 
Es gibt einen Anfang für jedes Universum im Multiversum, weil eben dort — nur lokal — die Inflation ein Ende nahm.
 
Außerhalb solcher Blasen geht die Inflation weiter.
 
Aus der Existenz dieses Prozesses folgt, dass das Multiversum als Ganzes niemals verschwinden wird.

 


Interessant auch: Obgleich Guth, Linde und Vilenkin überzeugt sind, dass der Prozess ewiger Inflation nie enden wird, vermutet nur Linde, dass er schon immer in Gang war, also keinen Anfang hat. Guth und Vilenkin glauben Hinweise auf einen Beginn gefunden zu haben (siehe Inflationary spacetimes are not past-complete).
 
 
Quelle: Rüdiger Vaas: Hawkings neues Universum (2008), S. 141-151.

 
 
As time goes on, because of the dynamics of expansion, no two regions where inflation ends will ever interact or collide; the regions where inflation doesn’t end will expand between them, pushing them apart.
 
 
Sollte die Theorie ewiger Inflation wirklich zutreffen, hätte auch sie uns nicht gezeigt, wie der Kosmos entstand: Wir hätten dann nur gelernt, dass er noch um viele Größenordnungen gewalter, vielfältiger und unfassbarer ist, als Menschen schon immmer dachten.
 
Insbesondere wäre auch dann nicht geklärt, woher all die Energie kommt und ständige Quantenfluktuation, welche ständige Zustandsänderung zur Folge hat und somit auch den Fluss der Zeit.

 

 Beitrag 0-177
Zur fast schlagartigen Epansion des Raumes kurz nach nach dem Urknall

 
 

 
Die Inflationstheorie sagt

 
 
Zu Beginn der Planckzeit haben Entfernungen im kosmischen Raum sich in einer Zeitspanne von nur 10-34 sec und mindestens den Faktor 1026 vergrößert.
 
Diese Vergrößerungsrate entspricht 1050-facher Lichtgeschwindigkeit.

 
 
Expansion des Raumes zu Beginn der GUT-Ära
 
 
Quelle: Hermann Kolanoski: Einführung in die Astroteilchenphysik (Vorlesung 2009)

 
 
Direkt vor Beginn der Inflationsphase dürfte die Temperatur bei etwa 1029 Kelvin gelegen haben. Wie Jörg Resag mit Hilfe des Stefan-Boltzmann-Gesetzes nachgerechnet hat, impliziert dies eine Energiedichte von etwa 1065 GeV/fm3 — das ist 1065 mal so viel wie wie Energiedichte in einem Neutronenstern.
 
Zum Vergleich: Würde man die Erde so zusammenpressen, dass sie die Dichte eines Neutronensterns hat, hätte sie die Größe einer Walnuss.
 
1 Femtometer = 1 fm = 10-15 m

 
 
Der Inflationstheorie zufolge muss man sich unser Universum vorstellen als vergleichsweise kleine Region in einer durch Inflation im falschen Vakuum — einer zeitlosen Urwelt — schlagartig entstandenen riesigen Blase (vergleichbar mit einer der vielen Blasen, die in Wasser entstehen, wenn es zum Kochen kommt).
 
 
Ein sehr großer Schritt hin zur Bestätigung der Inflationstheorie wäre die Entdeckung sog. primordialer B-Modes: Die im Zuge der Inflation entstandenen Gravitations­wellen müssten nämlich in recht charakteristischer Weise zu einer Polarisation in der kosmischen Hintergrundstrahlung geführt haben. Im März 2014 dachte man, das in der Antarktis stehende Spezialteleskop BICEP2 hätte Beweise dafür gefunden. Die Interpretation der Messergebnisse hat sich dann aber doch als nicht hin­reichend eindeutig erwiesen: Kosmischer Staub könnte uns was uns Falsches vorgespiegelt haben. [ks]
 
 
Besonders klar beschrieben und erklärt hat dieses neue Weltbild der Kosmologen der theoretische Physiker Prof. Helmut Satz in seinem Buch Kosmische Dämmerung — Die Welt vor dem Urknall (2016) sowie im einem sehr hörenswerten Vortrag.
 
Sehr lesenswert ist auch ein weiteres Buch von Helmut Satz: Gottes unsichtbare Würfel — die Physik an den Grenzen des Erforschbaren (2013).

 

 Beitrag 0-402
Wie entstand Raum — und wie leer kann er sein?

 
 

 
Wie leer ist leerer Raum?

 
 
Nichts ist leerer in unserer Welt als das physikalische Vakuum. Wirklich ganz leer aber ist es nicht:
 
Es enthält einen Nebel virtueller Teilchen (erzeugt und vernichtet durch ständige Quantenfluktuation) und darüber hinaus sog. dunkle Energie, die — gleichmäßig über den gesamten Raum verteilt — pro Kubikmeter etwa dem Energiegehalt von sieben Nukleonen entspricht (= 21 Quarks oder 14 Mesonen).
 
Hinzu kommen noch die Photonen der kosmischen Hintergrundstrahlung, derzeit mit etwa 1000-fach geringerer und der Expansion des Raumes wegen ständig weiter abnehmender Dichte.
 
Noch leerer geht es nicht.
 
 
Direkt nach dem Urknall gab es dieses Vakuum aber noch gar nicht:
 
Statt seiner gab es damals ein Plasma hoher Dichte von ungebundenen Quarks und Antiquarks, in dem alle Farbladungen gleich häufig vorkamen und absolut gleich verteilt waren. Frei gegen einander bewegen konnten jene Quarks sich damals nur wegen dieser Gleichverteilung und hohen Dichte, die zur Folge hatten, dass der Abstand zwischen jedem Quark und dem ihm nächsten seine Farbladung ausgleichenden Nachbarquark überall kleiner als 1 Femtometer (= 10-15 Meter) war.
 
Mit anderen Worten: Jeder Kubik-Femtometer Plasma enthielt wenigstens 1 Quark oder Antiquark.
 
Erst als — der stetigen Ausdehnung des Raumes wegen — diese Dichte nicht mehr gegeben war, mussten die Quarks sich gruppieren zu Nukleonen (= je 3 Quarks) oder Mesonen (= je 1 Quark und 1 Antiquark) oder mussten sich mit einem Antiquark annihilieren, woraus dann Photonen entstanden: erste Strahlung.
 
Jede jetzt existierende Gruppe von Quarks musste farbneutral sein und ist vergleichbar mit einem Stabmagnet, dessen Pole sich ja auch nicht trennen lassen.
 
Schon im Plasma aber galt: Quarks können nicht existieren ohne ständig mit anderen Quarks Gluonen passender Farbladung auszutauschen — jenen anderen Quarks also auch entsprechend nahe zu sein: Die starke Wechselwirkung hat nur sehr kurze Reichweite.
 
Mehr als 1 Femtometer von einander entfernen lassen sich nur farbneutrale Gruppierungen von Quarks: Mesonen und Nukleonen. Da freie Neutronen nur eine mittlere Zerfallszeit von etwa 15 Minuten haben, entstanden jetzt auch Elektronen und Neutrinos (= "leichte Elektronen").
 
 
Wir sehen: Materie und Antimaterie haben zunächst nur in Form von Quarks und — etwas später — Leptonen und Nukleonen existiert. Da sie farbneutral sind, sich also nicht stets durch Austausch von Gluonen "an der Hand halten" müssen, konnten sie sich weit von einander entfernen, so dass nun auch leerer Raum entstand.
 
 
 

 
 
 
So etwa zwischen 10-5 und 1 sec nach dem Urknall (der sog. Hadronen-Ära) haben sich — durch Annihilation — fast alle Paare von Hadronen und Antihadronen in Strahlung aufgelöst.
 
In den etwa 10 Sekunden danach (der sog. Leptonen-Ära) geschah dasselbe mit Leptonen und Antileptonen, da die Temperatur nun schon zu niedrig war, als dass sich neue solcher Paare hätten bilden können.
 
Dieser Prozess hat eine gewaltige Menge von Photonen erzeugt, so dass das Universum seitdem strahlungsdominiert ist.

     
    Warum es ein klein wenig mehr Materie als Antimaterie gab, ist bis heute unklar. Ohne diese marginale Unsymmetrie wäre das Universum heute nur mit Photonen gefüllt — Atome, Sterne oder gar Menschen gäbe es dann nicht.

 
Obgleich die Zahl der Quarks im Universum sich seit jener Zeit kaum mehr verändert hat, haben — der Expansion des Raumes wegen — die Photonen ständig an Energie verloren.

 
 
 
Wie erklären sich Masse und die Vielfalt der Elementarteilchen?

 
 
Was wir als Masse bezeichnen, etwa als Masse der Quarks, ist eine durch Emergenz entstandene Eigenschaft:
 
Direkt nach dem Urknall hatten selbst Quarks noch keine Masse. Erst als die Dichte im Plasma abnahm, die Gluonen dann also an ihnen zu "ziehen" begannen, bekamen Quarks Masse, deren Wert sich in Mesonen und Nukleonen dann schließlich auf 300 MeV erhöht hat. Masse ist stets effektive Masse (nicht aber eine Grundeigenschaft der Elementarteilchen).
 
 
 
Wie die Teilchenphysik uns bewies, gibt es heute Teilchen recht unterschiedlicher Arten. Diese Vielfalt aber — davon geht man aus — hat sich erst im Laufe der Zeit entwickelt: So wie sich sämtliche Lebewesen aus wohl nur einer einzigen Urform entwickelt haben, könnte es zunächst auch nur eine einzige Art von Teilchen gegeben haben.
 
Modelle, welche dies plausibel machen wollen, sind neben der Stringtheorie
     
  •   die wenigstens 42 Varianten der sog. GUT-Theorie ( "große vereinheitlichte Theorie" ), welche sich bisher aber noch in vielen Details widersprechen,
     
  •   sowie SUSY ( die Idee sog. "Supergravitation" ), die — sollte sie sich bestätigen — eine noch weitergehende Vereinheitlichung als die GUT darstellen würde:

In GUT möchte man alle Fermionen ebenso wie alle Botenteilchen auf jeweils eine einzige Urform zurückführen, in SUSY aber sogar alle Teilchen als unterschiedliche Ausprägungen eines einzigen Urteilchens erkennen.
 
 
 
Quelle: Helmut Satz: Kosmische Dämmerung (2016), S. 48-61


 

 Beitrag 0-435
Wie entstanden die Grundbausteine der Materie unseres Universums?

 
 

 
Wie entstanden die Grundbausteine aller Materie unseres Universums?



John D. Barrow erklärt (2011):
 
Der Quantenphysiker Erwin Schrödinger machte eine Entdeckung, die — obgleich man sie damals wenig gewürdigt hat — als sehr wichtig erwies:

 
Die Expansion kosmischen Raumes kann
 
Vakuumenergie in reale, d.h. einzeln beobachtbare, Teilchen überführen:

 
Gibt es keine Expansion, entstehen zwar auch fortwährend in sehr großer Menge Paare von Teilchen und Antiteilchen — fast alle aber existieren nur extrem kurze Zeit und können sich deswegen kaum von ihrem Partner entfernen. Sie werden deswegen fast alle durch Annihilation in Strahlung verwandelt.
 
    Dehnt das Vakuum sich aber schnell genug aus — oder steht es unter dem Einfluss von Gravitationskräften, die sich über kurze Strecken hinweg stark ändern —, können die dem Vakuum entsprungenen Teilchen und Antiteilchen so unterschiedlich starken Kräften ausgesetzt sein, dass sie von einander getrennt werden noch bevor sie sich vereinigen und in Strahlung auflösen können.
     
    Ergebnis sind dann real existierende Teilchen und Antiteilchen mit einer Lebensdauer, die durch ihre artspezifische mittlere Zerfallszeit bestimmt ist.

 
Schrödinger nahm damals nicht an, dass dieser Prozess wichtig sei, denn seine Auswirkungen in der Gegenwart sind unmessbar klein und schienen für das Verständnis der Expansion des Universums irrelevant zu sein.
    Erst ein Durchdenken der Inflationstheorie von Alan Guth (1982) hat klar gemacht, welche grundsätzliche Bedeutung der Vorgang hat:
     
    In unserem Universum war — in den ersten Augenblicken der Inflationsphase, als die Strahlungsdichte etwa 10120 mal größer war als heute — die von Schrödinger beschriebene Teilchenproduktion von großer Bedeutung. Erst sie kann gewisse Eigenschaften unseres Unversums problemlos erklären.

 
Die verblüffende Erzeugung überlebensfähiger Teilchen und Antiteilchen in einem expandierenden Universum wurde erst ab Mitte der 1970-er Jahre gezielt und eingehend untersucht (nachdem Hawking die dramatische Entdeckung gemacht hatte, dass dieser Prozess auch am Rande jedes Schwarzen Lochs stattfindet und schließlich bewirkt, dass dessen gesamte Masse verschwindet [ Hawking: Black Hole Explosions, in: Nature 248 (1974), S. 30-31 ].)
 


 
Quelle: John D. Barrow: Das Buch der Universen (2011), S. 122-123


 

 Beitrag 0-359
Gibt es noch irgendwelche Zweifel an der Urknall-Theorie?

 
 

 
Wie weit sind Entstehung und Evolution des Universums schon geklärt?

 
Obgleich die Urknalltheorie
     
  • derzeit als konkurrenzlos gilt
     
  • und sich ständig mehr Erkenntnisse ergeben, welche sie als richtig erscheinen lassen (etwa die erst 2016 gelungene Entdeckung von Sternen der Poulation III),
     
  • gibt es doch auch einige astronomische Beobachtungen, welche zeigen, dass die Theorie noch nicht ganz zu Ende gedacht sein kann.
     
  • Es scheint z.B. nicht ausschließbar, dass unser Universum noch einige Milliarden Jahre älter sein könnte als heute immer wieder errechnet wird: [1], [2].
     
    So deuten etwa chemische Isotopenanomalien in auf die Erde gefallenen Meteoritenresten darauf hin, dass jenes Gestein zwischen 15 und 18 Mrd. Jahre alt ist.
     
    Zudem scheinen die ältesten Sterne in den Kugelsternhaufen unserer Galaxie sogar 18 bis 20 Mrd. Jahre alt zu sein.

 
Der renommierte Bonner Astronom Hans Jörg Fahr hat alle in diesem Zusammenhang noch offenen Fragen — auch einige gravierende Widersprüche in bisher von der Mehrheit aller Astropysiker scheinbar widerspruchslos akzetierter Ergebnisse — zusammengetragen, eingeordnet und klar benannt in seinem Buch Mit oder ohne Urknall, das ist hier die Frage (aktualisierte Ausgabe von 2016).
 
 
Fahr nimmt ganz offensichtlich Craig Hogan [H] ernst ebenso wie einige Argumente der Urknallgegner Fred Hoyle und Halton Arp, dem man irgendwann — trotz seiner früheren großen Leistung — nicht mal mehr Teleskopzeit zur Verfügung stellen wollte [ Seeing Red ].
 
 
Besonders lesenswert in Fahrs Buch ist das Kapitel » Das kosmische Vakuum als energiegeladener Raum «.
 
Insgesamt macht Fahr uns Lesern klar,
 
     
  • dass es durchaus noch ungeklärte Widersprüche der Theorie zu recht konkreten Beobachtungsdaten gibt
     
  • und Anzeichen dafür existieren, dass Astrophysiker die Evolution des Universums, ja sogar die kosmische Rotverschiebung /m, ganz sicher aber die Energie des Vakuums und wie sie wirkt noch keineswegs voll verstanden haben.

 
Beispiele:

Hans Jörg Fahr in » Mit oder ohne Urknall «, S. 321-324 :
 
Tatsache ist, dass es schwierig und fehleranfällig ist, Rotverschiebungen als Geschwindigkeiten korrekt zu deuten. Sie liegen ja nicht streng auf einer Trendgeraden, sondern streuen ganz erheblich um diese Gerade herum.
 
Nur die wenigsten Galaxien, so schreibt Fahr, schwimmen genau mit dem Hubble-Fluß. Sie treiben vielmehr kreuz und quer dazu wie vom Hubble-Strom entkoppelte, in Wirbeln bewegte Objekte.
 
Fahr schreibt wörtlich: "Das heißt aber doch, dass es hier gar keinen eindeutig zentrifugalen Bewegungsbefund gibt, den man trivial einfach zeitlich invertieren könnte. [ Und in der Tat: ] Wenn man Galaxien gleicher Entfernung bzw. gleicher Helligkeit studiert, findet man, dass die Rotverschiebungen dieser Objekte durchaus verschieden sind."
 
Solche Aussagen machen uns klar, dass z.B. die derzeit immer wieder genannte Altersangabe für unser Universum (13.8 Mrd. Jahre) mit großer Ungenauigkeit behaftet sein könnte.
 
Da man in den letzten Jahren Galaxien gefunden hat (Quasare), die scheinbar schon 700 000 Jahre nach dem Urknall existiert haben, obgleich Galaxien typischerweise ein Evolutionsalter von etlichen Milliarden Jahren haben, kommt vielen Astronomen nun halt doch der Verdacht, dass unser Universum einige Milliarden Jahre älter sein könnte als bisher errechnet.
 
Hierfür spricht auch die Beobachtung, dass jene als so verdächtig jung eingestuften Galaxien schon "so alt" aussehen: Alt sehen Galaxien dann aus, wenn sie viel Staub beinhalten. Letzteres zeigt sich am Rotindex ihrer Emissionen, den man durch Farbfilterspektoskopie ermitteln kann. Junge Galaxien - insbesondere solche, die schon 700 000 Jahre nach dem Urknall existiert haben sollten - pflegen blaugewichtige Emissionen zu zeigen, zeigen hier aber eindeutig rotgewichtige, was für staubreiche galaktische Materie spricht, wie sie eigentlich erst nach Milliarden von Jahren in einer Galaxie entstanden sein kann.
 
Wem da keine Zweifel an der Korrektheit bisheriger Interpretation von Beobachtungsdaten kommen, der muss schon ein begnadeter Glaubender sein.
 


 
Man lese auch:
     
  • Anomale Rotverschiebung: Herausforderung für das Standardmodell der Kosmologie?
     
  • Seyfertgalaxien und sehr alte Quasare (= Galaxien, deren Kern wie ein Scheinwerfer wirkt, weswegen sie von sehr weit zu sehen sind).
     
  • Quasare sind aktive, d.h. Materie verschlingende supermassive Schwarze Löcher, deren nahe Umgebung derart aufgewühlt und aufgeheizt ist, dass sie als kosmischer Scheinwerfer wirkt.
     
    Es gibt aber auch Mini-Quasare. Dabei handelt es sich um ein normales Schwarzes Loch, dem irgendein größeres Objekt zu nahe gekommen ist; es gibt sie gelegentlich sogar in der Milchstraße. Wenn man nun aber bedenkt, dass sie Millionen Schwarzer Löcher hat, wird klar, dass solche Ereignisse eher selten und vergleichsweise schnell erledigt sein werden.
     
    Supermassive Schwarze Löcher, wie Sagittarius A*, könnten gut für kurze Zeit auch mal Quasare gewesen sein.
     
    Sobald Quasare ihre Umgebung (salopp gesagt) » leergefuttert « haben, existiert dort nichts mehr, das so aufgeühlt und aufgeheizt sein kann, dass es als kosmischer Scheinwerfer wirken könnte.
     
    Viele Quasare gehören zu den am weitesten von uns entfernten, gerade noch beobachtbaren Galaxien und scheinen sich im Zustand ab etwa 700 000 Jahre nach dem Urknall zu zeigen. [ ältester bekannter Quasar ]
     
  • Zusammenfassend gilt derzeit (2020):
     
    Determinations of the Hubble Constant based on the standard candles and the gravitationally-lensed quasars have produced figures of 73-74 kilometers per second per megaparsec.
     
    However, predictions of the Hubble Constant from the standard cosmological model when applied to measurements of the cosmic microwave background (CMB) – the leftover radiation from the Big Bang – produce a value of only 67.4 km/s/megaparsec.
     
    This significant and troubling difference of nearly 10%, which astronomers say is beyond the experimental errors in the observations, has serious implications for the standard model.


 

 Beitrag 0-366
Rotverschiebung und minimale Dichteschwankungen in kosmischer Hintergrundstrahlung sprechen am deutlichsten für die Urknalltheorie

 
 

 
Wie genau kennt man den ältesten,

heute noch einsehbaren Zustand unseres Universums?

 
 
Die älteste Strahlung, die uns erreicht — man nennt sie den kosmischen Mikrowellenhintergrund — zeigt uns den Zustand unseres Universums wie er etwa 380 000 Jahre nach dem Urknall vorlag.
 
     
  • Obgleich schon knapp 20 Jahre vorausgesagt, wurde diese Strahlung erst 1965 — durch Zufall — entdeckt.
     
  • In den Jahren 1989-1993 hat der Satellit COBE sie erstmals detailliert ausgemessen. Klar wurde: Die (heutige) Temperatur dieser Strahlung ist nicht wirklich konstant, sondern schwankt von Richtung zu Richtung um einige Hunderttausendstel Grad.
     
  • 2001 hat man das durch neues Messgerät — die Sonde WMAP — mit noch deutlich höherer Genauigkeit bestätigt gefunden (WMAP konnte Temperaturdifferenzen bis hinunter zu 1/20 Millionstel Grad unterscheiden).
     
  • Zwischen 2010 und 2013 hat eine Neuvermessung mittels des Forschungssatelliten PLANCK uns den kosmischen Hintergrund noch viel genauer bekannt gemacht:
     
    Während COBE nur Strukturen von minderstens 7 Grad Ausdehnung erfassen konnte, wurde mit PLANCK eine Auflösung von 5 bis 10 Bogenminuten erreicht.

     
     
    PIA16874-CobeWmapPlanckComparison-20130321
     
    NASA/JPL-Caltech/ESA [Public domain], via Wikimedia Commons
     
    Diese Bilder zeigen winzige Temperaturschwankungen von jeweils nur wenigen Millionstel Grad.
     
    Sie werden als Dichteschwankungen zu jener Zeit interpretiert.

 
Die hohe Präzision der durch PLANCK gelieferten Messdaten hat eine Neuberechnung wichtiger kosmologischer Kennzahlen als sinnvoll erscheinen lassen. Auf diese Weise wurden korrigiert
     
  • das Alter des Universums auf 13.82 Mrd. Jahre (alter Wert: 13.7),
     
  • der Anteil baryonischer Materie an der gesamten Materiedichte auf 4.9 Prozent (alter Wert: 4.6),
     
  • der Anteil Dunkler Materie auf 26.8 Prozent (alter Wert: 23) und
     
  • der Anteil Dunkler Energie an aller Energie im Universum auf 68.3 Prozent (alter Wert: 72).

 
Das Standardmodell der Kosmologie, worunter man die Urknalltheorie erweitert um die Inflationstheorie versteht,
     
  • ist heute zwar das einzige Modell, mit dem sich alle Beobachtungsergebnisse irgendwie erklären lassen,
     
  • ist aber im Detail — unter Theoretikern ebenso wie auch unter Astronomen — immer noch umstritten.

 
Kritiker weisen darauf hin, dass es einige mehr oder weniger willkürliche Parameter gibt, mit denen die gemessenen Daten an das Modell angepasst werden.
 
Es ist daher nicht uninteressant, dass die PLANCK-Mission auch einige Fakten zutage gefördert hat, die schlecht zum Standardmodell passen:
     
  • So scheint eine Himmelssphäre wider Erwarten stärkere Strukturen aufzuweisen als die andere.
     
  • Zudem fand man einen völlig kalten Fleck von ganz unerwarteter Größe.
     
  • Da die Datenauswertung extrem schwierig und natürlich auch entsprechend fehleranfällig ist, könnten sich hinter solch Ungereimtheiten durchaus auch Anzeichen auf eine noch erforderliche Revision des Standardmodells verbergen.
     
  • Torsten Enßlin — Leiter der deutschen Beteiligung an der PLANCK-Mission — räumt ein, dass man auch darüber nachdenken müsse.

 
 
Quelle: Dieter B. Herrmann: Das Urknall-Experiment (2014), S. 175-179


 

 Beitrag 0-331
Warum wir Raum und Zeit nicht beliebig genau auflösen können

 
 

 
Warum heutige Physik Raum und Zeit nur bis hin zur Planckskala kennt

 
 
Der Astrophysiker Günther G. Hasinger, Direktor am Max-Plack-Institut für extraterrestrische Physik in Garching, erklärt:
 


Günther Hasinger (2007):
 
Es gibt in der Quantenphysik eine kleinste Länge, unterhalb derer sich physikalische Vorgänge mit den heutigen Theorien nicht mehr sinnvoll beschreiben lassen: die Plancklänge, etwa 10-35 Meter.
 
Jedes Objekt nämlich, dessen Durchmesser kleiner als die Plancklänge ist, muss [ nach Heisenbergs Unschärferelation ] eine Masse haben, die größer als die Planckmasse von etwa 22 Mikrogramm ist, was dieses Objekt zu einem Schwarzen Loch macht.
 
Analog dazu gibt es die Planckzeit. Das ist der Zeitabschnitt, den das Licht benötigt, eine Plancklänge zu durchlaufen.
 
Beides zusammen zeigt: Die Planckzeit ( = 10-43 sec ) ist der frühest mögliche Zeitpunkt, zu dem sich unser Universum ohne Quantengravitationstheorie beschreiben lässt.
 
Zu diesem Zeitpunkt waren in jedem Raumbereich vom Durchmesser 1 Plancklänge 1019 GeV Energie konzentriert (was der Bewegungsenergie eines Autos von einer Tonne Gewicht entspricht, wenn es mit 220 km/h gegen eine Betonwand rast). Mit dieser Energie brennt eine 100-Watt-Lampe 8 Monate lang.
 


 
Interessant in diesem Zusammenhang sind auch folgende Artikel. Sie machen klar, dass wir bisher nicht wissen, ob Zeit und Raum tatsächlich diskret sind (wie etwa die Theorie der Schleifenquantengravitation uns zu suggerieren scheint):

 

 Beitrag 0-330
Magnetische Monopole — gibt es sie?

 
 

 
Magnetische Monopole — gibt es sie?

 
 
Die GUT-Theorien sagen die Existenz magnetischer Monopole voraus, d.h. die Existenz von Elementarteilchen, deren jedes einen einzelnen magnetischen Nord- oder Südpol darstellt.
 
Warum aber hat man solche Teilchen bisher nicht gefunden?
 
Alan Guth — nachdem er 1979 die Inflationstheorie vorschlug — hat sich mit dieser Frage eingehend befasst und glaubt errechnet zu haben, dass derartige Teilchen nur entstehen können bei Temperaturen, wie sie in unserem Universum schon kurz nach Beginn der Inflationsphase nicht mehr geherrscht haben.
 
Da der durch Menschen einsehbare Teil des Weltalls damals aber extrem kleinen Durchmesser hatte — wohl kleiner als die Plancklänge —, sein nicht wahrscheinlich, dass er damals mehr als nur ganz wenige magnetische Monopole enthalten haben kann. Sie könnten heute durchaus noch existieren, wären dann aber in unserem Universum extrem selten, da nun ja über einen kugelförmigen Bereich verteilt, dessen Radius ca. 43 Mrd. Lichtjahre beträgt.
 
Wir dürfen deswegen nicht erwarten, auch nur ein oder zwei davon wirklich zu finden.

 

 Beitrag 0-299
War ein Skalarfeld — das Inflatonfeld — Triebfeder der kosmischen Inflation?

 
 

 
Das Inflatonfeld:

hypothetische Triebfeder der den Urknall zündenden Inflationsphase

 
 
Was Treiber der Inflation war, die dann schließlich im Urknall zum Stillstand kam, ist bis heute nicht bekannt.
 
Man geht jedoch davon aus, dass Triebfeder der Inflation ein spontaner Symmetriebruch im sog.  I n f l a t o n f e l d  war. Es ist dies ein Skalarfeld, dessen Existenz man vermutet, aber (noch?) nicht als zwingende Konsequenz von Naturgesetzen erkennen kann.
 
An die Existenz des Inflatonfeldes zu glauben, macht insofern Sinn, als
     
  • diese Idee einige kosmologische Fragen löst, auf die wir sonst keine Antwort hätten,
     
  • und die Superstringtheorie ja eine ganze Menge von Skalarfeldern kennt, so dass eines davon gut das Inflatonfeld sein könnte.

 
Was aber ist nun ein spontaner Symmetriebruch in einem Skalarfeld?
    Unter einem Skalarfeld versteht man eine Funktion, die jedem Punkt der Raumzeit ein reelle Zahl zuordnet. Im Falle des Inflatonfeldes quantifiziert sie die Stärke einer Kraft, welche — wo stärker als die Gravitationskraft — zur Expansion des Raumes führt.
     
    Manche Autoren nennen sie negative Gravitation oder auch negativen Druck. Letzteres ist mathematisch begründet, ansonsten aber irreführend, denn schließlich lässt in einem Luftballon vorhandener Gasdruck den Luftballon größer werden. Man würde also erwarten, dass negativer Druck etwas in sich zusammenfallen ließe. In der Kosmologie aber ist genau das Gegenteil der Fall: Je schwächer jene Kraft, desto schneller expandiert der Raum.
     
    Mir erscheint es daher sinnvoller, sie Druck bzw. negative Spannung zu nennen (da Spannung in einem Gummiband das Band zu verkürzen sucht, man von negativer Spannung also das Gegenteil erwarten würde.
     
    Jedes Skalarfeld kann verglichen werden mit der Oberfläche einer hügeligen Landschaft. Liegt nun auf der Spitze eines der Hügel ein Ball, so stellt das beides dar: einen lokal recht symmetrischen Zustand und auch ein instabiles Gleichgewicht. Schon der kleinste Lufthauch kann dann dazu führen, dass der Ball aus dem Gleichgewicht gerät und dieses spontanen Symmetriebruchs wegen mit zunehmender Geschwindigkeit den Hügel hinunter rollt bis er dann schließlich – im Tal angekommen – dort in einer Mulde liegen bleibt (womit sich dann ein unsymmetrischer, aber deutlich stabilerer Zustand ergeben hat).

Dieses gedankliche Bild – in dem das Fallen des Balles der sich entladenden negativen Spannung entspricht – macht sehr schön klar,
     
  • wie es zur Inflation gekommen sein könnte,
     
  • warum sie nur kurze Zeit anhielt,
     
  • aber doch unaufhaltsam war.

Die fast vollständige Entladung lokal präsenter negativer Spannung während der inflationären Phase unseres Universums hat in noch nicht ganz 10-30 Sekunden sämtliche Entfernungen im All um mindestens den Faktor 1050, vergrößert.
 
 
Der Astrophysiker Paul Davies erklärt es so:

     
    Während der Inflationsphase hat sich das Volumen jeder Raumregion alle 10-34 sec verdoppelt ( es ist dies eine Zeitspanne, in der das Licht noch nicht mal einen Atomkern ganz durchqueren kann ).
     
    Jede Art von Materie, die vor Beginn der Inflation existiert haben mag, wurde durch die Inflation auf verschwindend kleine Dichte gedehnt, so dass der Raum danach praktisch leer war — ein Vakuum.
     
    Die ungeheuere Energie aber, die während der Inflation im skalaren Inflationfeld steckte, musste beim Zusammenbruch des Feldes andere Form annehmen — und diese Form, so denkt man, war Wärme.
     
    Der nächste Schritt war dann die Umformung der Wärmeenergie in Materie: Einsteins Formel  E = mc2  sagt uns ja, dass Materie entstehen kann, solange nur ausreichend viel Energie verfügbar ist.
     
    Einsteins Formel zeigt, dass bei einer Temperatur von 1 Milliarde Grad — das ist die Temperatur des Universums etwa 1 Sekunde nach dem Urknall — genug Wärmeenergie vorhanden war, um Elektronen entstehen zu lassen. Noch früher war die Temperatur hoch genug, so dass auch massereichere Teilchen wie etwa Protonen entstehen konnten.
     
    Kurz: Zu Ende der Inflationsphase hat die aus dem Zusammenbruch des Inflatonfeldes resultierende Energie zu einer extrem hohen Temperatur von etwa 1027 Grad geführt — mehr als genug, um alle heute im Weltraum vorhandene Materie entstehen zu lassen.
     
     
    Der Zerfall des Inflatonfeldes ist ein Quantenprozess, dessen Beginn eine nicht vorhersagbare Quantenfluktuation darstellt.
     
    Hieraus ergibt sich, dass das Feld an verschiedenen Orten zu unterschiedlicher Zeit in zufällig verteilten Blasen zerfällt — in Raumblasen also, deren jede dann ein eigenes Universum (unserem vergleichbar) sein sollte.
     

    Quelle: Paul Davies: Der kosmische Volltreffer (2008), S. 86-89.
     
    Wer mehr wissen möchte, lese Andrej Linde: Elementarteilchenphysik und inflationäre Kosmologie (1990).

 
 
Hinweis: Laien verstehen unter dem Urknall den Symmetriebruch, d.h. den Zeitpunkt, zu dem die inflationäre Phase unseres Universums begann. Unter Physikern aber wird es mehr und mehr üblich, erst das Ende der inflationären Phase als den Urknall zu sehen, da nämlich erst ab da unser Universum in einem Zustand war, den heutige Physik beschreiben und in modernen Teilchenbeschleunigern für winzige Bruchteile von Sekunden – seinen Eigenschaften nach – sogar rekonstruieren kann.

 

 Beitrag 0-290
Die beiden bekanntesten Vorschläge, die Urknallsingularität aufzulösen

 
 

 
Urknall oder Umschwung (Bounce)?

 
 
Da die Urknalltheorie sich aus der Tatsache ergab, dass Einsteins Relativitätstheorie das durch Menschen beobachtbare Universum im Entstehen seines heutigen Zustands nur zurückverfolgen kann bis zu einem Zeitpunkt, in dem sein Durchmesser so in etwa dem eines Atoms entsprach, hat man sich schon sehr bald gefragt, wie es denn in diesen Zustand kam.
 
Dies hat zunächst zur Idee geführt, dass es als Quantenfluktuation entstanden sein könnte, d.h. buchstäblich aus dem Nichts.
 
Da nun aber nicht klar ist, wie weit über unseren Beobachtungshorizont hinaus es sich denn eigentlich erstreckt — es könnte ja z.B. sogar unendlich groß sein — war man schon bald zur sog. Inflationstheorie gekommen, die — zunächst vorgeschlagen durch Alan Guth — wenig Anklang fand, dann aber sehr plausibel wurde in einer Form, wie Andrei Linde und Aleander Vilenkin sie vertreten: als Theorie ewiger Inflation, nach der unser Universum sich infolge eines Symmetriebruchs im falschen, inflationierenden Vakuum ergab.
 
 
In Konkurrenz zur Theorie ewiger Inflation aber stand und steht immer noch die Idee, dass sich unser Universum — mit dem Urknall als Brücke — als Neugeburt eines zuvor schon vorhandenen, kontrahierenden Vorgänger-Universums ergeben haben könnte.
 
Die beiden bekanntesten dieser Ansätze sind:
     
  • einer, der i.W. auf Steven Hawking und auf Forscher, die mit ihm zusammengearbeitet haben, zurückgeht (entstanden schon in den 70-er Jahren, wurde er mehrfach modifiziert und überarbeitet; seit 2008 kennt man ihn als das Bounce-Modell von Hawking, Hartle und Hertog)
     
  • und ein weiterer, den 2002 Martin Bojowald entdeckt hat bei einem Versuch, Einsteins Theorie so zu ergänzen, dass sie auch Aussagen für eine mögliche Zeit vor dem Urknall liefern kann.

Beide Ansätze beseitigen die Urknallsingularität.
 
Im Ansatz von Hawking, Hartle und Hertog wäre das Inflaton so eine Art Brücke zwischen einem in sich zusammenstürzenden Raum und dem unseren, der expandiert. Kosmologen nennen das einen Bounce (zu deutsch Umschwung oder Urschwung).
 
Wie die durch Hawking, Hartle und Hertog angestellten Rechnungen nun aber gezeigt haben, müsste die Zeit im Vorgänger-Universum — wenn man sie als thermodynamischen Zeitpfeil begreift — in umgekehrter Richtung vergangen sein. Da Bojowalds Theorie zum selben Schluss kommt, könnte jener Bounce dann aber wohl auch ein Urknall gewesen sein, aus dem gleich beide Universen entstanden ( und vielleicht noch mehr? ).

 

 Beitrag 0-254
Was direkt nach dem Urknall geschehen sein muss

 
 

 
Die ersten Sekunden
 
und die ersten 280 000 Jahre nach dem Urknall

 
 
Bei etwa 1012 Kelvin — etwa 1/10000 sec nach dem Urknall
    hat das Teilchenplasma in etwa noch die Dichte heutiger Atomkerne ( etwa 0.01 bis 0.1 GeV/fm3 ).
     
    Dies hat zur Folge, dass sich fast noch alle Teilchen — ganz unabhängig von ihrer Art — im thermischen Gleichgewicht befinden — und das gilt bei solcher Temperatur sogar noch für Neutrinos. Sie alle tauschen daher noch ständig Energie untereinander aus und wandeln sich in einander um. Höchstens die Teilchen dunkler Materie könnten sich hier schon abgekoppelt haben.
     
    Abkopplung bedeutet, dass Teilchen bestimmter Art zu einem Eigenleben finden und nur noch per Gravitation durch andere beeinflussbar sind.
     
    In diesem noch sehr heißen, dichten Stadium sind die leichtesten Teilchen die häufigsten, denn sie können massenweise aus Kollisionsenergie gebildet werden. Photonen, Neutrinos, Elektronen und Positronen sind daher noch weit häufiger als Nukleonen. Protonen und Neutronen wandeln sich noch ständig in einander um. So kann z.B. ein Proton ein Elektron einfangen und sich unter Aussendung eines Elektron-Neutrinos in ein Neutron verwandeln. Umgekehrt kann ein Neutron und ein Positron zu einem Proton und einem Elektron-Antineutrino werden.
     
    Bei zunehmend sinkender Temperatur wird dann aber wichtig, dass Protonen etwas leichter sind als Neutronen, und so kommen sie immer häufiger vor, da die thermische Energie immer seltener ausreicht, die schwereren Neutronen zu erzeugen. Es gibt jetzt etwa 1.5% mehr Protonen als Neutronen.

Bei etwa 1010 Kelvin — etwa 1 sec nach dem Urknall
    ist die Materiedichte nur noch etwa 100 000 Mal so große wie die von Wasser. Die thermische Energie liegt nun in einem bereich, der für Kernreaktionen typisch ist. Nun gibt es schon 3 Mal mehr Protonen als Neutronen.
     
    Dichte und Temperatur sind nun so weit abgesunken, dass sich der flüchtige Charakter der Neutrinos bemerkbar macht: Sie koppeln sich jetzt ab und durchqueren seitdem durch fast nichts mehr aufhaltbar den Raum.

Nur wenig später – bei etwa 5 Milliarden Kelvin
    reicht die mittlere Teilchenenergie nicht mehr aus, Elektron-Positron-Paare zu bilden. Da sich ständig große Mengen solcher Paare vernichten, verschwinden sie schnell fast vollständig, wobei aber ein winziger Überschuss an Elektronen (1 aus 1 Milliarde) zurückbleibt. Sie werden später die Hüllen der Atome bilden. Es müssen dabei ebenso viele Elektronen wie Protonen übgrig geblieben sein, denn unser Universum ist insgesamt elektrisch neutral.

 
Etwa 1 Stunde nach dem Urknall
    sind 1/8 aller Nukleonen Neutronen. Jedes Paar dieser Neutronen hat sich schon mit einem Paar von Protonen zu einem Heliumkern gebunden. Nur recht sporadisch gibt es auch schon wenige Kerne von Deuterium, Tritium, Helium-3, Beryllium-7, Lithium-6 und Lithium-7. Das Verhältnis der chemischen Elemente liegt somit schon fest und wird sich erst sehr viel später langsam wieder ändern: Erst dann, wenn im Inneren von Sternen erneut sehr große Dichten und entsprechend hohe Temperaturen auftreten.
     
    Aus dem damaligen Proton-Neutron-Verhältnis von 7 zu 1 folgt, dass der Gewichtsanteil von Helium bezogen auf das Gesamtgewicht aller Atome damals 25% betrug. Die restlich 75% waren fast ausschließlich Wasserstoff (der Anteil anderer Atome war zu gering, um nennenswert zu sein).
     
    An diesem Verhältnis hat sich bis heute nur wenig verändert: In unserem Sonnensysten verteilt sich Masse wie folgt:
       
    • 70.57 % sind Wasserstoff 1,
       
    • 27.52 % sind Helium 4.
       
    • Alle anderen Atome zusammen machen nur 2 % aus und müssen noch vor Entstehung der Sonne in den Zentren anderer Sterne entstanden sein.

Bei etwa 10 000 Kelvin — rund 60 000 Jahre nach dem Urknall
    gerät unser Universum von einem strahlungsdomierten in einen materiedominierten Zustand: Vorher war die Energiedichte der Strahlung (Photonen und Neutrionos) größer als die Dichte der die Ruhemasse aller damals schon existierenden Materieteilchen darstellendien Energie (dunkle Materie mit eingeschlossen).
     
    Ganze Atome — und damit elektrisch neutrale Teilchen gewöhnlicher Materie — gab es damals aber noch nicht. Damit sie entstehen konnten, musste sich die Temperatur noch weitere 220 000 Jahre verringern, bis hinunter auf etwa 3000 Kelvin.
     
    Das Universum besteht dann aus
       
    • 63 % dunkler Materie
       
    • 12 % Protonen, Elektronen und Heliumkernen
       
    • 15 % Photonen
       
    • 10 % Neutrinos

Erst etwa 280 000 Jahre nach dem Urknall entstehen Atome.
    Sie sind elektrisch neutral, und so kann sich Licht nun erstmals geradlinig ausbreiten.

 
Note: Die Expansion des Raumes streckt sämtliche Wellen darin — vergrößert also die Wellenlänge nicht nur von Photonen, sondern grundsätzlich aller Quanten. Daher kommt es, dass die kosmische Hintergrundstrahlung heute nur noch eine Temperatur von 2.73 Kelvin hat.
 
Ohne Berücksichtigung der dunklen Energie im Vakuum ist die Strahlungsdichte heute 3750 Mal kleiner als die Dichte der Ruheenergie aller hellen und dunklen Materie.

 
 
Quelle: Jörg Resag: Zeitpfad — Die Geschichte unseres Universums und unseres Planeten, Springer Spekrum 2012


 

 Beitrag 0-96
Wie es durch Symmetriebrüche zur heutigen Form unseres Universums kam

 
 

 
Vom Eiswürfel zur Ursuppe und zurück

 
 
Nach einer oft zitierten Philosophie durchlaufen alle Objekte (Dinge, Menschen, Gase, ja sogar das Universum selbst) eine Reihe von Stadien. Es sei dabei jedes Stadium durch einen Konflikt zwischen zwei gegenläufigen Kräften charakterisiert. Ist der Konflikt gelöst — was meist explosionsartig passiert —, gelangt das Objekt in ein nächstes Stadium, Synthese genannt. Langsam aber immer deutlicher werden aber auch dort Widersprüche erkennbar, so dass der Prozess auf einer höheren Ebene neu beginnt ...
 
Philosophen bezeichnen dies als den Übergang von Quantität zu Qualität: Es kommt es zu mehr und mehr kleinerer Veränderungen, bis sich schließlich explosionsartig ein qualitativer Bruch mit der Vergangenheit ergibt.
 
Auch für Gesellschaften gilt diese Theorie (man denke da z.B. an die Französische Revolution).
 
 
Wie schon angedeutet, geschieht der Pasenübergang meist explosionsartig. Wo sich z.B. ein Fluss aufstaut, bildet sich hinter dem Staudamm rasch ein größer und größer werdender See, der enormen Druck aufbaut — bis der Damm dann schließlich bricht.
 
Gewöhnlich sind solche Phasenübergänge von einem Symmetriebruch begleitet, der schwer rückgängig zu machen ist. Und so ist der Zustand maximaler Symmetrie häufig instabil.
 
 
Bei ihren Untersuchungen der Superstringtheorie sind die Physiker zur Vermutung gelangt — ohne sie bislang beweisen zu können —, dass das ursprünglich 10-dimensionale Universum instabil gewesen sein müsse und sich dann durch Tunneleffekt in ein vier- und ein sechs-dimensionales aufgeteilt haben könnte, so dass wir heute einen gebrochenen Zustand des wirklichen Vakuums erleben.
 
 
 
Im Versuch, darüber nachzudenken, wie sich der ursprüngliche, voll symmetrische Zustand wieder herstellen ließe, betrachten wir einen Eiswürfel in einem abgeschlossenen Behälter, von dem wir annehmen, dass er immer weiter, über alle Grenzen hinweg, erwärmt wird. Was passiert?
 
Nun, es wird zu einem Phasenübergang nach dem anderen kommen:

     
  • Zuerst wird das Eis zu Wasser,
     
  • dann das Wasser zu Dampf.
     
  • Schließlich zerfallen die Wassermoleküle (die Energie der Meleküle übersteigt ihre Bindungsenergie, so dass sie sich in die elementaren Gase Wasserstoff und Sauerstoff spalten).
     
  • Wenn schließlich 3000 Grad K überschritten sind, werden aus die Wasserstoff- und sauerstoffatome zerrissen: Ihre Elektronen befreien sich vom Kern, so dass wir jetzt ein Plasma (ionisiertes Gas) vorliegen haben.
     
  • Erhitzt man es weiter, und wird schließlich so etwa 1 Billion Grad K erreicht, so werden auch die Atomkerne selbst zerrissen, und wir haben ein aus freien Neutronen und Protonen bestehendes Gas — ein Plasma — ähnlich dem, wie es im Inneren eines Neutronensterns vorliegt.
     
  • Bei weiterer Erhitzung über 10 Billionen Grad hinweg zerfallen diese Nukleonen weiter, so dass wir dann ein Gas freier Quarks, Elektronen und Neutrinos haben.
     
  • Bei Temperaturen über 1 Billiarde Grad schließlich kommt es zu einer Vereinigung der der elektromagnetischen mit der schwachen Kernkraft und es tritt die Symmetrie SU(2) × U(1) auf.
     
  • Zu einer Vereinigung der elektroschwachen und der starken Kernkraft kommt es bei etwa 1028 Grad, und es zeigen sich dann die GUT-Symmetrien: SU(5), E(10) oder E(6).
     
  • Bei unvorstellbaren 1032 Grad schließlich vereinigt sich die Gravitation mit der GUT-Kraft, und alle Symmetrien des 10-dimensionalen Superstrings treten zutage. Man hat jetzt ein aus Superstrings bestehendes Gas, welches so energiereich ist, dass sich sogar die Geometrie der Raumzeit verwerfen und ihre Dimensionalität sich verändern könnte.

 
 
Wenn wir den Prozess umkehren, ist zu erwarten, dass wir sehen,
 
 
Wie sich der Urknall als eine Folge verschiedener Phasenübergänge vollzogen hat:

     
  • 10-43 sec: Das 10-dimensionale Universum teilt sich in ein 4- und ein 6-dimensionales. Während das 6-dimensionale zu einer Größe von 10-32 Zentimetern kollabiert, bläht sich das 4-dimensionale rasch auf. Seine Temperatur beträgt jetzt 1032 Grad K.
     
  • 10-35 sec: Die GUT-Kraft zerbricht, so dass die starke Kernkraft nun nicht mehr mit der elektroschwachen Wechselwirkung vereint ist. SU(3) fällt aus der GUT-Symmetrie heraus. Ein kleiner Fleck im Universum wird um einen Faktor von 1050 aufgebläht und entwickelt sich schließlich zu dem, was wir als das uns sichtbare Universum kennen.
     
  • 10-9 sec: Jetzt ist die Temperatur auf 1015 Grad K gefallen. Die elektroschwache Symmetrie bricht auseinander in SU(2) und U(1).
     
  • 10-3 sec: Quarks beginnen sich zu Neutronen und Protonen zusammenzufinden. Die Temperatur beträgt etwa 1014 Grad K.
     
  • 3 Min: Protonen und Neutronen fügen sich zu stabilen Kernen zusammen. Die Energie zufälliger Stöße ist nun nicht mehr groß genug, diese Kerne wieder auseinander zu reißen. Noch immer ist der Raum undurchlässig für Licht, weil Ionen das Licht nicht gut übertragen.
     
  • 380.000 Jahre: Rund um die Kerne beginnen sich Elektronen zu sammeln. Nach und nach bilden sich Atome. Da sie elektrisch neutral sind, wird Licht nun kaum mehr gestreut (so dass wir heute ab da entstandene großräumige Strukturen sehen können).
     
  • 3 Milliarden Jahre: Die ersten Quasare entstehen.
     
  • 5 Milliarden Jahre: Es bilden sich Galaxien.
     
  • Nach mehr als 10 Milliarden Jahren: Unser Sonnensystem entsteht und wenige Milliarden Jahre später treten auf der Erde die ersten Lebensformen auf.


Michio Kaku kommentiert:
 
Es erscheint fast unvorstellbar, dass wir — eine intelligente Affenart auf dem dritten Planeten eines unbedeutenden Sterns in einer unbedeutenden Galaxie — in der Lage sein sollten, die Geschichte des Universums fast bis zum Augenblick seiner Entstehung zurückzuverfolgen — bis hin zu einem Moment, wo Temperatur und Druck alles übertraf, was unser Sonnensystem je erlebt haben kann.
 
Und doch ergibt sich aus der Theorie der schwachen, der elektromagnetischen, und der starken Wechselwirkung eben dieses Bild.
 


 
Die durch den COBE-Satelliten ab 1989 gesammelten Daten haben bewiesen, dass wir den Ursprung des Universums bis auf Bruchteile einer Sekunde nach dem Urknall verstehen. Es bleibt jedoch die Frage, was vor dem Urknall war und was ihn verursacht hat. Geht man an die Grenzen der Allgemeinen Relativitätstheorie, so erhält man letztlich sinnlose Antworten, denn im Augenblick des Urknalls dürften Quanteneffekte vorgeherrscht und sich der Gravitation gegenüber durchgesetzt haben.
 
 
 
Quelle: Michio Kaku: Die Physik der unsichtbaren Dimensionen, Rohwohlt 2013, S. 337-342


 

 Beitrag 0-356
Könnte es gar keinen Sinn machen, nach dem Zustand des Universums vor dem Urknall zu fragen?

 
 

 
Welchen Sinn macht es,

nach dem Zustand unseres Universums vor dem Urknall zu fragen?

 
 
Hans Jörg Fahr (ein Professor für Astronomie an der Universität Bonn) hat eine interessante Idee zur Diskussion gestellt:
 


Hans Jörg Fahr in Mit oder ohne Urknall (2016), S. 6 :
 
Wir können nicht ausschließen, dass das Universum [ gemeint ist das möglicherweise unendlich weite Weltall ] ein chaotisches System ist mit unüberschaubar vielen multikausalen, nicht-linearen Ursache-Rückkopplungen. Chaostheorie würde das einen kosmischen Attraktorzustand nennen.
 
Wenn dem so sein sollte, würde es keinen Sinn machen, danach zu forschen, was vor dem Urknall für ein Zustand existiert hat, denn alle nicht-linear-chaotischen Systeme lassen ihre Anfänge in völlige Vergessenheit zurücktreten.
 
Man sieht ihnen ihre Anfangszustände einfach nicht mehr an: Das vor dem Betrachter ablaufende Weltgeschehen liefert keinerlei Hinweise mehr auf irgendwelche Anfangszustände. Es gibt zwar lokales Mikrogeschehen, aber die großräumige Strukturbeschaffenheit wird dadurch nicht, oder kaum, beeinflusst. Sie hält sich über alle Zeiten hinweg.
 
Zum Vergleich denke man ein ein Gas im theormodynamischen Gleichgewicht: Sein Makrozustand ändert sich nicht mehr — und doch bewegen sich all seine Moleküle ständig.
 
 
Schönes Beispiel für solche Situation ist das metereologische Geschehen auf unserer Erde: Niemand kommt auf die Idee, einen Anfangszustand des Wetters zu suchen. Die einzig sinnvolle Frage ist, wie sich aus dem heutigen Wetter das von morgen oder übermorgen ergibt.
 


 
Quelle: Hans Jörg Fahr: Mit oder ohne Urknall (Springer Spektrum 2016)
 


 

  Beitrag 52-13
Was ist im Urknall wirklich passiert?

 
 
Quante in 52-8:
 
Zugleich verstößt die Urknalltheorie auch gegen ganz andere anerkannte physikalische Lehrsätze, z.B. dem Energieerhaltungssatz der da lautet. "In einem abgeschlossenen System ist die Summe aller Energien konstant. Die Gesamtenergie bleibt erhalten." Energie kann also weder verloren gehen noch kann sie geschaffen werden, aber beim Urknall, der Singularität, da haben andere Gesetze gelten lassen...dürfen, die wir nicht kennen.


Die Urknalltheorie verstößt keineswegs gegen den Energie-Erhaltungssatz — schon allein deswegen nicht, da sie nicht voraussetzt, dass unser Universum etwas in sich Abgeschlossenes darstellt oder zu Beginn des Urknalls dargestellt hätte.


Man sollte den Urknall nicht als allererstes Ereignis im Kosmos sehen, sondern einfach nur als ein Ereignis, welches etwas schon Existierendes zu dem gemacht hat, was wir als das Universum, in dem wir leben, sehen.

Bedenke auch: Innerhalb des Beobachtungshorizonts von uns Menschen liegt wohl nur ein sehr kleiner Teil dessen, was im Urknall neue Form bekam. Wir können nicht wissen, wie sich der im Zuge des Urknalls so schnell expandierende Teil des Universums in den Kosmos als Ganzes einbettet.

Eine Theorie hierfür gibt es dennoch schon: Die Theorie ewiger Inflation

 

  Beitrag 52-14
Wir wissen nicht, in welchem Sinne unsere Zeit unendlich sein könnte

 
 
Quante in 52-8:
 
Denn auch Gott muss es ja schon seit ewiger Zeit und für ALLE Zeit geben, denn ansonsten sei die Frage seiner Entstehung hiermit gestellt.


Das Problem ist, dass wir ja noch nicht mal wissen, was Zeit (in unserem Sinne) wirklich ist.

So wie man unendlich große mathematische Räume (Unendlichkeiten also) in immer noch größere einbetten kann — sogar in solche, die in einem Sinne unendlich groß, in einem anderen aber von endlichem Durchmesser sind — könnte es doch auch im Spezialfall rein zeitlicher Dimensionen sein.

Es könnte also sehr gut sein, dass sich jede Ewigkeit in eine noch weit größere Ewigkeit als Teilintervall "endlicher" Länge einbetten lässt.


Als Ewigkeit bezeichne ich alles, was aus zeitlicher Sicht unendlich groß ist (in dem Sinne, dass es dort zu jedem Ereignis E immer noch ein ihm zeitlich vorausgehendes gibt).

Beispiel einer Menge, die unendlich groß ist, aber doch nur endlichen Durchmesser hat, wäre die Menge aller reellen Zahlen, die größer als 0 und kleiner als 1 sind.
Warum sollte Zeit in unserem Sinne nicht diesem Zahlintervall entsprechen können und Zeit im Sinne der Schöpfung z.B. der Menge  a l l e r  reellen Zahlen?

 

  Beitrag 52-19
Das Wenige, das wir über die Ausdehnung des vom Urknall geschaffenen Raumes wissen

 
 
Zeitreisender in 52-5:
 
Also das Universum ist nicht unendlich!
Ich meine, dies hat die Wissenschaft bereits geklärt. Die Größe des Durchmessers (unserers) Universums, findest du sogar auf dieser Website.


Nein, die Wissenschaft konnte das bislang noch  n i c h t  klären. Tatsache ist:
  • Unter dem Urknall versteht man das erste Ereignis, von dem wir mit Sicherheit wissen, dass es stattfand.
  • Wir wissen nicht, ob — und wenn ja, in welchem Sinne — ihm andere Ereignisse vorausgingen.
  • Auch die Urknalltheorie lässt völlig offen, ob unser Universum in  r ä u m l i c h e r  Hinsicht unendlich groß ist.
    Wo man vom endlichen Durchmesser unseres Universums spricht, meint man damit nur den Durchmesser des uns beobachtbaren Teiles eines Raumes, den der Urknall geschaffen zu haben scheint (des sog. Weltalls, das dem entspricht, was Physiker unsere Raumzeit nennen). Wir wissen nicht, ob es darin Entfernungen gibt, die deutlich größer als 46 Mrd. Lichtjahre sind oder gar unendlich große Entfernungen. Betrachtet man den uns sichtbaren Teil des Universums als einen kugelförmigen Bereich um uns herum, so reicht der bis hin zu Orten, an denen es Lichtquellen gab, deren Licht uns gerade noch erreichen kann. Dass die von uns (heute) deutlich weiter entfernt sein können als nur 13.8 Mrd. Lichtjahre, erklärt sehr schön der Physiker MartinB.

 

  Beitrag 52-35
Wie man sich die ständige Aufblähung des Weltraums vorzustellen hat

 
 
Quante in 52-30:
 
Wenn wir in alle Richtungen des Himmels blicken, so wird bei Messungen auf Grund der Rotverschiebung festgestellt, dass sich alle Objekte von uns entfernen. Nun, gut so, erst einmal, erklärt wird es u.a. mit der Expansion des Raumes. Das dumme daran ist nur, Andromeda vollzieht eine genau entgegengesetzte Bewegungsrichtung, sie kommt auf uns zu und wird in ein paar Mrd. Jahren mit unserer Galaxie kollidieren. Was kann also die Ursache dafür sein, daß Andromeda, im Gegensatz zu allen anderen Galaxien, auf uns zukommt, sie müsste doch gefälligst, entsprechend der Expansion des Raumes sich ebenfalls von uns entfernen.

Es gäbe eine ganz einfache logische Erklärung dafür, sie war nicht schon immer Bestandteil unseres Universums und ist als solche, vor langer Zeit, in unser Universum eingedrungen. Damit wäre die Eigenart ihrer Bewegungsrichtung erklärt ohne sich verbiegen zu müssen, bzw. eine unlogische Konsequenz zu erzeugen.


Hi Quante,

es gibt da noch eine viel einfachere Erklärung:

Die überall gleich schnelle Expansion des Raumes bedeutet, dass sich die Entfernung zwischen je zwei Orten im Raum mit ein und derselben Geschwindigkeit vergrößert.
Nun sind die Galaxien im Raum aber Objekte, die sich — analog zu Fahrzeugen auf der Erde —  z w i s c h e n  solchen Orten bewegen.

Wo sich zwei Fahrzeuge (Galaxien) aufeinander zu bewegen, kann der Abstand zwischen ihnen also durchaus ständig kleiner werden, selbst dann, wenn die Entfernung zwischen jenen Orten sich ständig vergrößert (die "Straße", die sie nehmen, sich also dehnt).

Der Abstand der Fahrzeuge voneinander wird genau dann ständig kleiner werden, wenn die Geschwindigkeit v1, mit der die Fahrzeuge sich relativ zur Straße bewegen, größer ist als die Geschwindigkeit v2, mit der die Straße sich verlängert.

Gruß, grtgrt

Noch ein Gleichnis: Vergleicht man den Raum mit der Oberfläche eines Luftballons, der aufgeblasen wird (so dass seine Oberfläche sich ständig vergrößert), würden die Galaxien z.B. Ameisen entsprechen, die auf der Oberfläche des Luftballons herumlaufen. Aus der Tatsache, dass zwei solcher Ameisen aufeinander zulaufen und sich schließlich treffen können, kann ja auch nicht geschlossen werden, dass die Oberfläche des Ballons sich nicht dennoch ständig vergrößert.

 

  Beitrag 52-20
-

 
 
Harti in 52-18:
 
Ich bin der Auffassung Raum und Zeit sind die begrifflichen Koordinaten, mit denen wir Veränderungen in unserer Umwelt erfassen, beschreiben, uns darüber verständigen.. Deshalb können wir Raum und Zeit auch mathematisch in einem kartesischen Koordinatensystem, da sie begrifflich als Gegensätze vorgestellt werden, beschreiben.


Hallo Harti,

auch ich vermute, dass die Zeit eine rein nur begrifflich existierende Größe ist.

Der Raum aber existiert schon wirklich konkret. Aber Du hast natürlich recht, dass die 3 Raumdimensionen in Sinne der ART nur begriffliche Größen sind. Ich halte es für gar nicht ausgeschlossen, dass der Raum in Wirklichkeit mehr als nur 3 Dimensionen hat (selbst die Zeit, die man heute noch als 1-dimensional sieht, könnte in Wirklichkeit unendlich viele Dimensionen haben).

Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 52-22
-

 
 
Quante in 52-8:
 
Aber nein, es wird immer fleißig weiter postuliert Raum und Zeit seien mit dem Urknall entstanden bzw. in neueren Postulaten wird behauptet, der Urknall habe an allen Orten des Universums gleichzeitig stattgefunden. Wau!

Quante in 52-17:
 
Wenn mittels des Urknalls vermittelt wird, mit ihm seien zugleich Raum und Zeit, von mir aus auch Raumzeit erst entstanden und die Frage gestellt wird, wo denn dieser Urknall stattgefunden habe, wenn es weder Raum noch Zeit gab, dann kommt als Antwort, der Urknall habe an allen Orten gleichzeitig stattgefunden.


Hallo Quante,

die Aussage, der Urknall habe an allen Orten des Universums stattgefunden, ist so zu verstehen, dass alle uns heute bekannten "Orte" im Universum direkt im Urknall unendlich kleinen Abstand voneinander hatten: d.h. gar keinen Abstand oder nur einen, der so klein war, dass keine heute bekannte physikalische Theorie ihn noch sinnvoll aufzulösen in der Lage ist.

Die noch im Urknall einsetzende Expansion des Raumes hat diese kaum vorhandenen Abstände
  • zunächst extrem schnell,
  • dann zunehmend langsamer
  • und dann (nach etwa 7 Mrd. Jahren) bis heute wieder mit ständig zunehmender Geschwindigkeit
auf riesige Entfernungen vergrößert, so dass wir uns heute kaum noch vorstellen können, dass all diese Orte urprünglich ununterscheidbar nahe beisammen lagen, also buchstäblich nur ein einziger waren.

Gruß, grtgrt

 

  Beitrag 2080-3
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U... in 2080-1:
 
Kann etwas aus dem Nichts entstehen und was ist eigentlich "Nichts"?
Wenn wir zu den Sternen blicken, dann sind die untereinander Millionen von Kilometern entfernt, aber dazwischen ist nicht "Nichts". Selbst das Vakuum ist nicht "Nichts"....


Das sehe ich ebenso. Das Vakuum scheint so eine Art Höhle zu sein, in der sich alle momentan in unserem Universum vorhandene, nicht benötigte Energie versteckt, aus dem sie portionsweise herauskommt und wohin sie sich bei Verschmelzung zweier virtueller Teilchen auch portionsweise wieder zurückzieht.

Das Vakuum ist so eine Art kosmischer Gewitterwolke, aus der ständig Blitze kommen in Form paarweise geborener virtueller Teilchen, die ihren Zwillingsbruder verlieren können, die sich — in dem Fall — dann nicht sofort wieder ins Vakuum zurückziehen können und so dazu beitragen, dass Materie entsteht.


U... in 2080-1:
 
Die Frage nach dem Urknall ist für mich nicht plausibel erklärt. Einerseits geht man davon aus, dass am Beginn der Zeit alles in einem Punkt konzentriert war. Da müssen also entweder bereits alle Teilchen / Teilcheneigenschaften konzentriert in einem Punkt vereint gewesen sein. Das wäre meiner Meinung nach das ultimative schwarze Loch mit einer Gravitation, die der Summe aller Gravitationskräfte im gesamten Universum entspricht. Oder aber es sind erst Teilchen entstanden. Aber woher? Aus dem Nichts?

Das, U..., muss man genauer so sehen:

Wie all unsere physikalischen Theorien sind auch die Urknalltheorie und ihre Verfeinerung, die Inflationstheorie, nur aussagekräftig bis auf die Größenordnung der Planckskala hinunter. Mit anderen Worten: Was Du und andere als "einen Punkt" verstehen ist in Wirklichkeit, und wohl auch nur näherungsweise, eine Kugel mit zeitlich wie räumlich durchaus positivem (wenn auch extrem kleinem) Durchmesser: Die Eizelle sozusagen, die sich dann zu dem entwickelt hat, was wir heute als den Inhalt unserer Raumzeit sehen.

Erst Bojowalds Theorie hat das uns allen so richtig klar gemacht.


U... in 2080-1:
 
In diesem Zusammenhang ist für mich auch die Definition der schwarzen Löcher fraglich. Einerseits heißt es, dass die Gravitation so stark sei, dass nicht einmal Licht entfliehen kann. Andererseits spricht man von "Jets", die nahezu mit Lichtgeschwindigkeit Teilchen aus den schwarzen Löchern schießen. Überhaupt: Ist ein schwarzes Loch gar kein Loch, sondern eine Materiekugel von ungeahnter Dichte, in die doch nichts mehr eindringen kann...

Findet Ihr die Erklärungen der Wissenschaft nicht auch widersprüchlich?


In John Barrow: Einmal Unendlichkeit und zurück (2004) liest man auf Seite 113:

Ganz gegen einen weit verbreiteten Glauben sind Schwarze Löcher nicht unbedingt kompakte Objekte.

Große Exemplare, wie man sie im Zentrum von Galaxien vermutet, sind milliardenfach schwerer als unsere Sonne, aber trotzdem ist ihre Dichte geringer als die von Luft!
Wir könnten ihren Ereignishorizont glatt durchqueren und würden nichts Seltsames bemerken. Nur ein Versuch umzukehren würde scheitern.


Etwas mehr dazu findet sich im ersten Teil von Beitrag 2078-1.
 

  Beitrag 2080-5
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Grtgrt in 2080-3:
 
Was Du und andere als "einen Punkt" verstehen ist in Wirklichkeit, und wohl auch nur näherungsweise, eine Kugel mit zeitlich wie räumlich durchaus positivem (wenn auch extrem kleinem) Durchmesser: Die Eizelle sozusagen, die sich dann zu dem entwickelt hat, was wir heute als den Inhalt unserer Raumzeit sehen.

Horst in 2080-4:
Donnerwetter grtgrt, woher kennst du denn die Wirklichkeit?

Die Singularität "Urknall" war also in Wirklichkeit eine Kugel mit "zeitlichem" und "räumlichem" Durchmesser? Wie denn das?

Zeit und Raum sind doch angeblich erst nach/mit dem Urknall entstanden!


Hallo Horst:

Bitte nimm den Ausdruck "Kugel" nicht so ganz wörtlich. Gemeint ist etwas extrem Kleines: von seiner Funktion her eine Art Eizelle, aus der dann das wurde, was heute der Inhalt unserer Raumzeit ist bzw, je nach Sprechweise, eben diese Raumzeit.

Bitte berücksichtige: Die Urknalltheorie selbst gibt zu, dass sie die Geschichte unseres Universums nicht bis zum Beginn aller Zeit zurückverfolgen kann. Die Tatsache, dass die Mathematik der ART den Urknall zu einer Singularität macht, bedeutet in Klartext nichts anderes, als dass es eine Zeit gab, zu der die gesamte Energie unseres Universums in einer Region konzentriert war, deren Durchmesser die Größenordnung der Plancklänge hatte. Ein Punkt muss sie deswegen aber keineswegs gewesen sein (von einem Punkt zu sprechen ist lediglich eine populärwissenschaftliche begriffliche Vergröberung, die nicht wörtlich genommen werden darf).

Genau genommen ist die Sache noch komplizierter: Man kann nicht ausschließen, dass schon jene "Eizelle" sehr groß, vielleicht sogar unendlich groß war. Wirklich unauflösbar klein (durch die ART nicht auflösbar) muss der Urknalltheorie nach nur der Teil der am wenigsten ausgedehnten Version unseres Raumes gewesen sein, der dem uns heute beobachtbaren Universum entspricht. Da das uns beobachtbare Universum aber wirklich eine kugelförmige Region darstellt, muss — überall gleiche Expansions­geschwindigkeit des Raumes vorausgesetzt — auch der Teil der "Eizelle", der die Urversion des uns heute beobachtbaren Universums war,  K u g e l f o r m  gehabt haben.


 

  Beitrag 2080-8
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Horst in 2080-7:
 
Meine beiden Fragen waren doch eigentlich eindeutig. Also noch mal;

WO befand sich deine "Kugel" wenn es doch noch gar keinen Raum für ihren Aufenthalt gab ?
und
WIE konnte die "Kugel" vorhanden sein, wenn es noch gar keine Zeit für die Dauer ihres Daseins gab?

Beides "entstand" ja erst mit dem angeblichen Urknall, der aus dem genannten Widerspruch nicht nachvollziehbar ist und ohnehin von vielen auch angezweifelt wird.


Ganz einfach: Die "Kugel" selbst war das WO (sie war der einzig damals existierende Raum, von dem die Urknalltheorie weiß).

Auf die Frage, WIE es zu ihrer Existenz kam, weiß die Urknalltheorie keine Antwort (bislang ist Bojowalds Theorie der einzige Versuch, sie zu beantworten).

 

  Beitrag 2080-13
Details zum Urknall wie sie sich aus der Inflationstheorie ergeben

 
 
U... in 2080-6:
 
Energieball? Das wäre eine Möglichkeit, ja. Ich selbst tu mich aber mit der Urknalltheorie etwas schwer.
 


Hallo U...,

wenn ich jemand so was sagen höre, drängt es mich immer, ihn zu fragen, auf welche Variante der Urknalltheorie sich seine Skeptis denn eigentlich bezieht.
Hier mein Kenntnisstand (zuletzt aktualisiert in 2003):


Die heute durch Beobachtunsdaten am wahrscheinlichsten gemachte Variante der Urknalltheorie ist die sog. Inflationstheorie (in der Version, die so etwa 1982 in Teilen von Andrei Linde, in anderen Teilen durch Alexander Vilenkin erarbeitet wurde). In 2003, bezugnehmend auf Daten, die damals der Forschungssatelliten WAMP eben geliefert hatte, schrieb Linde:

Zitat von Linde (2003):
 
WMAP makes a big leap in confirming many of the predictions of inflationary cosmology, and this places the theory on much firmer ground that it was before. ... So far, if you ask me, I do not really know of a class of theories that I would consider as a decent competitor of inflation at the moment.


Früher schon sagte er:

Zitat von Linde (schon 1994):
 
If my colleagues and I are right, we may soon be saying good-bye to the idea that our universe was a single fireball created in the big bang.

We are exploring a new theory based on a 15- year-old notion that the universe went through a stage of inflation. During that time, the theory holds, the cosmos became exponentially large within an in- finitesimal fraction of a second. At the end of this period, the universe continued its evolution according to the big bang model.

As workers refined this inflationary scenario, they uncovered some surprising consequences. One of them constitutes a fundamental change in how the cosmos is seen. Recent versions of inflationary theory assert that instead of being an expanding ball of fire the universe is a huge, growing fractal. It consists of many inflating balls that produce new balls, which in turn produce more balls, ad infinitum.

Cosmologists did not arbitrarily invent this rather peculiar vision of the universe. Several workers, first in Russia and later in the U.S., proposed the inflationary hypothesis that is the basis of its foundation.


Das zur Kenntnis genommen frägt man sich zu Recht:

Wenn die Feuerball-Theorie überholt ist, was versteht man denn dann heute unter der Urknalltheorie?


Nun, diese Frage sehe ich bisher am genauesten beantwortet durch einen Aufsatz » Weltweite Inflation « von John D. Barrow (zu finden auf den Seiten 196 bis 201 seines Buches Einmal Unendlichkeit und zurück (2002)). Auf den Punkt gebracht steht dort Folgendes:

    Die derzeit populärste Theorie ist die Inflationstheorie präzisiert durch Vilenkin und Linde. Sie kann viele uns bekannte Eigenschaften des Universums gut erklären. Nach ihr wurde der Raum entscheidend geprägt durch eine sog. Inflationsphase.
    Die "Zündung" des Urknalls ist ein nur quantenmechanisch begründbarer Prozess, der das Universum aus den Nichts erzeugt (Vilenkin, 1982).
    Nach etwa 10-35 sec begann — so die Theorie — eine Inflationsphase, die spätestens bei 10-30 sec endete und alle Abstände so vergrößert hat, dass aus einer Plancklänge grob der Durchmesser des uns heute beobachtbaren Universums wurde.
     
    In einem derart inflationären Universum aber, so Barrow, gebe es ganz bemerkenswerte Variationsmöglichkeiten:
    Die winzige Blase, die sich inflationär derart aufgebläht hat, könnte nur eine von vielen — vielleicht sogar von unendlich vielen — sein. Jede könnte in unterschiedlicher Weise inflationär ausgedehnt worden sein, vielleicht bis hin zu einem Zustand, in dem sie dann zerplatzt sein könnte oder begann, wieder zu schrumpfen.
    Eine Folge daraus wäre wäre: Der Kosmos könnte aus Bergen von Schaum bestehen, dessen einzelne Blasen Welten mit gravierend verschiedener Physik darstellen. Dichte, Temperatur und Expansionsgeschwindigkeit wären sicher von Blase zu Blase verschieden.
    Wir scheinen in einer Region zu leben, die ihren » genetischen Code « aus einer ganz bestimmten dieser Blasen hat.
    Alle nur denkbaren Kombinationen aus Dichte, Temperatur und Expansionsgeschwindigkeit könnten irgendwo im Kosmos verwirklicht sein, und irgendwo in diesem enlosen Schaum von Blasen könnten Bedingungen herrschen, die Leben (wie wir es uns vorstellen) ermöglichen: Die Abweichungen von einer homogenen Materiedichte müssten dort gerade so beschaffen sein, dass nicht alles vorzeitig in eim Schwarzen Loch endet, sich aber andererseits doch Materieinseln bilden können: Atome, Moleküle, Sterne, Planeten ... eben Staub in der Blase.
    Physiker haben die Möglichkeiten solch » geografischer Komplexität « mit ihren vielen unterschiedlichen Inseln in einem möglicherweise unendlich großen Kosmos untersucht und fanden dabei heraus, dass sich jene aufgeblähten Blasen nach kurzer Inflationsphase in noch weit mehr Eigenschaften unterscheiden können als nur hinsichtlich Dichte und Temperatur: Selbst Kräfte und Naturkonstanten könnten Ergebnis von Zufällen zu Beginn des Abkühlungsprozesses sein. Es könnte Regionen geben, in denen allein nur die Gravitationskraft herrscht, bei uns gibt es zudem noch die elektromagnetische, die schwache und die starke Kernkraft. Vielleicht aber gibt es auch Regionen mit noch anderen Kräften — mit solchen, die in unserer Welt nicht existieren oder nur so schwach sind, dass Physiker sie bisher nicht entdeckt haben.
    Dieses Ergebnis ist bemerkenswert, da wir damit zum ersten Mal bestätigt bekommen, dass die Raumregion, die unser beobachtbares Universum darstellt, keineswegs typisch für den gesamten Kosmos zu sein braucht.
    Die Inflationstheorie hat aber, bald nachdem die eben beschriebene Möglichkeit » geographischer Komplexität « entdeckt wurde, auch entdeckt, dass es eine noch weit dramatischere » historische Komplexität « geben könnte:
    Sobald nämlich eine kleine Blase inflationär zu wachsen beginnt, muss man damit rechnen, dass in ihrem Inneren Voraussetzungen für das Entstehen von in sie geschachtelter ganz ähnlicher Blasen geschaffen werden. Ein solcher Prozess — einmal in Gang gesetzt — kommt nie zu einem Ende. Somit haben inflationäre Blasen die Eigenschaft, ihre eigene Struktur ständig komplexer werden zu lassen.
    Auch das Entstehen von sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitender Vakuumblasen hält man (schon seit 1982) für möglich: siehe (1), (2), (3).


Wir sehen jetzt: Was ich in 2079-1 als » kosmischen Schaum « bezeichne, könnte noch weit komplexere Struktur haben als dort skizziert. Der Inflationstheorie entspre­chend kann solcher "Schaum" sich ja nun auch im Inneren jeder Blase — jeden Universums also — bilden und würde dort zu Singularitäten der Raumzeit führen. Ob sich diese Singularitäten von außen betrachtet wie Schwarze Löcher verhalten würden, scheint noch niemand untersucht zu haben.

Gruß, grtgrt

PS: Man lese auch ein 2008 mit Linde und Valenkin geführtes Interview, in dem sie selbst ihre Weltsicht erklären.

 

  Beitrag 2080-18
Vilenkins Denkfehler

 
 

Vilenkins Denkfehler

( den weder Linde noch Barrow bemerkt haben )



Grtgrt in 2080-13:
 
Man lese auch ein 2008 mit Linde und Valenkin geführtes Interview, in dem sie selbst ihre Weltsicht erklären.


In diesem Interview argumentiert Vilenkin wie folgt:

Zitat von Vilenkin:
 
Ich sollte noch eine andere Konsequenz der Multiversumstheorie erwähnen: Die Unterhaltung, die wir gerade führen, passiert genau so mit den gleichen Leuten unendlich Mal in anderen Universen.

Der Grund ist sehr einfach: Das Multiversum ist unendlich, und es gibt eine unendliche Anzahl von Regionen, die durch die ewige Inflation entstehen. Auf der anderen Seite gibt es in einer begrenzten Region und in endlicher Zeitspanne aber nur eine endliche Zahl von möglichen Dingen, die passieren können. Also hat man eine endliche Zahl von Geschichten, die in unendlich vielen Orten spielen. Folglich findet jede mögliche Geschichte auch irgendwo statt. Es gibt Kopien von uns Menschen.
 


Diese Argumentation ist nicht schlüssig: Sie beweist keineswegs, dass es Kopien von uns oder gar unseres ganzen (beobachtbaren) Universums geben  m u s s , denn:

Einerseits ist richtig:
    Wo immer wir uns ein Universum als kugelförmige Region endlichen Durchmessers um einen Beobachter herum, vorstellen, kann es darin nur endlich viele Atome geben und daher auch nur endlich viele Konfigurationen, in denen sie angeordnet sind.
    Geht man davon aus, dass der Kosmos unendlich viele Atome enthält, kann man sich um jedes herum eine solche Kugel mit (ein und demselben) Radius R vorstellen, und wird dann tatsächlich unendlich viele solcher Kugeln haben, aber doch nur endlich viele Konfigurationen, in denen in ihnen enthaltene Atome angeordnet sein können.
    Daraus folgt, dass es in dieser Menge von "Universen" (Kugeln vom Radius R) unendlich viele mit exakt gleicher Konfiguration geben muss.

Andererseits ist ebenso richtig:
    Man kann daraus keineswegs schließen, dass wirklich  j e d e  der Konfigurationen unendlich oft auftritt — es wäre nur  m ö g l i c h, muss aber keineswegs zwingend so sein.
    Vilenkin hat das ganz offensichtlich übersehen.


Wie Vilenkin und Koautor Garriga genau argumentieren lässt sich nachlesen in arXiv. Ihre Arbeit endet mit der Aussage (ii) we argued that the number of distinct histories is finite, which allowed us to conclude that there should be regions with histories identical to ours". Das aber muss als nicht schlüssig zurückgewiesen werden, denn tatsächlich gefolgert könnte nur werden, dass die endliche Zahl der Historien unendlich vieler Welten zwingend zur Folge haben muss, dass mindestens  e i n e  dieser Historien unedlich vielen Welten gemeinsam ist.

Vilenkins vermeintlicher "Beweis" enthält darüber hinaus noch eine andere Überlegung, die nicht nachvollziehbar erscheint (siehe die letzten Bemerkungen in » Der Kosmologen aktuellstes Weltbild «).

Auch im Aufsatz » Is there another you out there in a parallel Universe? Even if the Universe grows to infinity, there might not be enough space to hold all the possibilities « wird Vilenkins Schlussfogerung als falsch erkannt.