Über die – bislang rein spekulativen – VSL Theorien von Moffat und Magueijo
Die Abkürzung
VSL steht für
Variable Speed of Light. Wozu braucht man sie (wo c doch als konstant gilt)?
Selbst wo Licht durch Materie wandert und dort etwas langsamer zu sein scheint, nimmt man an, das sei nur deswegen so, weil es dort — durch Zwischenspeicherung in Atomen — aufgehalten wird. So ganz beweisen scheint das als einzig mögliche Ursache aber nicht zu sein.
Darüber hinaus gibt es heute es keinerlei Anzeichen dafür, das die Geschwindigkeit, mit der sich Licht im Universum ausbreitet, nach Zeit, Ort oder Umstand schwanken könnte.
Dennoch gab und gibt es immer wieder Physiker — auch Lee Smolin soll gelegentlich dazu gehören —, die sich fragen, welche Konsequenzen die Annahme zur Folge hätte, dass Licht z.B. im frühen Universum, in der Gegend Schwarzer Löcher oder unter anderen besonderen Umständen andere Geschwindigkeit gehabt hätte bzw. hätte als die einzige durch uns bisher gemessene.
Besonders intensiv haben sich solche Fragen bisher João Magueijo und — schon sehr viel früher — auch
John Moffat gestellt. Dennoch sind sie keineswegs die einzigen, obgleich sicher richtig ist, dass die Mehrzahl aller Physiker solche Spekulation als reine Zeitverschwendung sieht.
Moffat begann 1992 darüber nachzudenken, weil ihm aufgefallen war, dass das sog.
Horizont-Problem (eines der großen kosmischen Rätsel) kein Rätsel mehr wäre, wenn im sehr jungen Universum das Licht sich um Größenordnungen schneller als heute ausgebreitet hätte. Auch ein großes Hindernis, das
Homogenitätsproblem zu lösen würde so entfallen.
Zum Horizont- und Homogenitätsproblem:
Betrachtet man zueinander disjunkte kugelförmige Teilbereiche des Universums, deren Radius nicht größer ist als die Entfernung, die Licht seit dem Urknall maximal zurücklegen konnte, so kann nichts, was in einer der beiden Regionen je geschah, den Zustand der anderen beeinflusst haben. Andererseits kann im sehr frühen Universum der Radius solcher Kugeln nicht groß gewesen sein, wenn man davon ausgeht, dass Licht sich auch damals nicht schneller ausbreiten konnte als heute.
Wie also konnte es dann passieren, dass schon damals der Grundstein zur Homogenität des Universums gelegt wurde?
Das — so Moffat — begründe den Verdacht, dass die Lichtgeschwindigkeit unmittelbar nach dem Urknall sehr viel größer als heute gewesen sein könnte.
Sehr zum Ärger Moffats sind diese seine Arbeiten von der Fachwelt zunächst völlig ignoriert worden — zumindestens bis 1998, als
João Magueijo ganz ähnliche Überlegungen anstellte, angeblich ohne von Moffat zu wissen.
Anders als Moffat hat Magueijo versucht, seine Ansätze gezielt der Öffentlichkeit bekannt zu machen über Werbung für sein 2003 erschienenes Buch
Faster than the Speed of Light (wobei dieser Titel irreführend ist, denn auch in VSL-Theorien bewegt sich nichts schneller als das Licht).
Leider wird, wer das Buch liest, ziemlich enttäuscht sein, denn nach einer Rekapitulation von Einsteins SRT und ART spricht Magueijo darin fast nur über seine wechselnden Gemütszustände und seinen Ärger über angeblich absolut inkompetente Zeitschriften-Herausgeber, Peer-Reviewer und Vertreter der Universitätsbürokratie, insbesondere in seinem Gastland Großbritannien und in der Hochschule, an der er lehrt (!). Er vergreift sich da ziemlich stark im Ton. Ausgesprochen ärgerlich finde ich vor allem, dass er nur auf wenigen Seiten seines Buches (260-271) so weit geht, den Inhalt seiner Theorie wirklich zu skizzieren. Das ist schade, denn er macht uns neugierig mit wenigsten dem Folgenden:
Zitat von Magueijo:
Beispielsweise habe ich die Physik Schwarzer Löcher im Rahmen der VSL-Theorie untersucht und bin auf einige überraschende Ergebnisse gestoßen ...
Rasch fand ich heraus, dass in VSL-Theorien die Lichtgeschwindigkeit sich nicht nur mit der Zeit verändert, während sich das Universum entwickelt, sondern auch im Raum. In der Nähe von Planeten und Sternen ist der Effekt fast unmerklich, doch in der Nähe eines Schwarzen Loches ... führten die Gleichungen unweigerlich zum Schluß, dass die Lichtgeschwindigkeit am Horizont null werden könnte.
Das ist von enormer Bedeutung, da ... [man so das Schwarze Loch gar nicht betreten könnte ...
Nach der konservativen VSL ist die Lichtgeschwindigkeit c — genau wie in der ART — die Geschwindigkeitsbegrenzung — nur dass sie von Straße zu Straße verschieden sein kann. Wo sie also auf Null absinkt, steht man vor einer Ampel, die ewig Rot ist ...
Zitat von Magueijo:
Sobald ich erkannt hatte, dass die Theorie c sowohl im Raum als auch in der Zeit variabel macht, begann ich zu untersuchen, welche andere Arten von Schwankungen noch möglich sind. Außerordentlich verblüffend war ein Sonderfall: die » Schnellspuren (fast tracks) «. Das sind Objekte, die in einigen VSL-Theorien auftreten in Form kosmischer Strings, entlang derer die Lichtgeschwindigkeit sehr viel höher ist:
Kosmische Strings sind hypothetische Objekte, die von einigen Teilchentheorien vorhergesagt werden und an die magnetischen Monopole erinnern, die Alan Guth so sehr beschäftigen. Doch während jene punktartig sind, ist die Beschaffenheit kosmischer Strings linienartig. Sie sind lange Fäden konzentrierter Energie, die sich durch das Universum ziehen. Bis auf den heutigen Tag warten kosmische Strings — wie Schwarze Löcher oder Monopole — noch auf Beobachtung, aber sie sind logische Verhersagen sehr erfolgreicher Teilchentheorien.
Als ich kosmische Strings in die Gleichungen meiner VSL-Theorie einsetzte, stellte ich fest, dass die Lichtgeschwindigkeit in der unmittelbaren Umgebung des Strings viel größer werden konnte — so als umgäbe ihn eine » Beschichtung « aus hoher Lichtgeschwindigkeit.
Dadurch würde ein Korridor mit extremem Geschwindigkeitslimit durch das Universum gelegt: eine Art Schnellstraße, die die Raumfahrt sich so sehnlich wünscht.
Doch es kommt noch besser! Einsteins Zeitdehnungseffekt ruft ein schreckliches Dilemma für Raumreisen hervor. Denn wenn es uns gelänge, mit Geschwindigkeiten nahe der des Lichs zu fliegen, könnte uns Hin- und Rückreise zu fernen Sternen in der Spanne eines Menschenlebens zwar möglich sein, doch würden die Kosmonauten bei der Rückkehr ihres Raumschiffes feststellen, dass ihre Zivilisation längst untergegangen ist.
Nähmen sie aber den Weg entlang eines kosmischen Strings (der VSL-Theorie entsprechend), so wäre das anders. Zwar gäbe es auch da einen Zeitdehnungseffekt, doch wäre der, des weit höheren lokalen Wertes von c wegen, deutlich geringer: Da der VSL-Theorie entsprechend die Lichtgeschwindigkeit entlang des Strings sehr viel höher als anderswo sein kann, könnte man tatsächlich s e h r schnell reisen und dennoch weit unter dem lokalen Wert von c bleiben. Die Zeitdehnung könnte dann vernachlässigbar sein.
PS: Manchmal frage ich mich, ob die schwarzen "Straßen", die der Röntgensattelit ROSAT im grünen Bild auf Seite
http://blog.chromoscope.net/data/ zeigt, Spuren solch extraschneller Bewegung sein könnten. Siehe auch
WAMP Data aus 2006.
Schließlich bringt Magueijo seine Theorie auch noch in den Kontext der Fragen rund um Einsteins kosmologische Konstante. Er schreibt:
Zitat von Magueijo:
Offenbar expandiert das Universum heute rascher als in der Vergangenheit.
Es scheint also, dass die kosmologische Konstante Λ (Lambda) heute nicht null ist. Doch wenn die Vakuumenergie in unserem Universum überhaupt eine Rolle spielt, warum wird ihre Wirkung dann erst in letzter Zeit spürbar? Wäre sie immer schon so dominant gewesen, wären alle Galaxien längst in unendliche Fernen getrieben. Also, warum gibt es das Universum immer noch in seiner gegenwärtigen Form?
Eine denkbare Lösung ist VSL. Wir sahen, dass jäher Rückgang von c die Vakuumenergie in gewöhnliche Materie verwandelt ...
So betrachtet wird Λ jedesmal, wenn die Lichtgeschwindigkeit stark zurück geht, in Materie umgewandelt, worauf es zu einem Urknall kommt. Sobald aber Λ seine Herrschaft abgibt, stabilisiert sich die Lichtgeschwindigkeit, und das Universum tritt wieder in seinen Normalzustand ein. Doch ein kleines Rest-Lambda hält sich im Hintergrund und macht sich schließlich wieder bemerkbar.
Geht man also von VSL aus, so haben Astronomen gerade die Rückkehr der kosmologischen Konstante beobachtet.
Sobald dies geschieht, beginnt Lambda die Herrschaft im Universum erneut an sich zu reißen und schafft damit die Bedingungen für einen weiteren scharfen Abfall der Lichtgeschwindigkeit — und einen neuen Urknall. Dieser Prozess setzt sich endlos fort, eine ewige Folge von Urknallen.
Wie oben schon gesagt: Magueijos Theorie ist reine Spekulation.
Dennoch scheint mir recht interessant, zu was die Gleichungen der ART führen, wenn man mehr als nur die Fälle stets konstanter Lichtgeschwindigkeit betrachtet ...
PS: Seitenzahlen beziehen sich auf die deutsche Übersetzung von Magueijos Buch.
Sie trägt den irreführenden Titel Schneller als die Lichtgeschwindigkeit – Der Entwurf einer neuen Kosmologie (2003).
Siehe auch: Overview on Varying Speed of Light Theories (as of 2003)