Ich bin im Laufe der Zeit zu der Überzeugung gekommen, dass es sich bei dem Ausdruck "Volk der Dichter und Denker" um eine Selbstüberschätzung handelt, die bei vielen Völkern in mehr weniger starker Ausprägung anzutreffen ist.
Solche Selbstüberschätzungen führen nicht selten zu Aggresivität gegenüber anderen Völkern.
Hallo Harti,
wenn ich den Ausdruck dahingehend verstünde, dass Dichter und Denker was Besseres seien als Menschen oder Völker mit anderem Schwerpunkt,
dann wäre deine Kritik durchaus angebracht.
Ich aber möchte ihn verstanden wissen im Sinne von "
wir Deutschen sind drauf und dran, etwas aufzugeben, das wir als wichtigen Fortschritt schon mal erreicht hatten".
Und das ist keineswegs nur meine Meinung:
Vor kurzem las ich in der Süddeutschen einen Artikel, in dem berichtet wurde, dass die EU-Behörden zunehmend Probleme haben, gute Dolmetscher zu finden — und ganz besonders solche mit Muttersprache Deusch oder Englisch.
- Was Englisch betrifft, erklärt man sich das aus der Tatsache, dass in England schon seit einiger Zeit das Erlernen wenigstens einer Fremdsprache in der Oberschule nicht mehr obligatorisch ist.
- Was Deutsch betrifft, stellen die Verantwortlichen einfach nur fest, dass die Qualität der Übersetzungen ins Deutsche — und das seltsamerweise vor allem dann, wenn der Übersetzer Deutsch als Muttersprache hatte — besorgniserregend gesunken ist und schnell weiter zu sinken scheint.
Diese Beobachtung finde ich nun wirklich Besorgnis erregend.
Dass selbst Journalisten nicht mehr immer absolut sattelfest in Orthographie sind oder darin, welche grammatikalische Wendung denn nun eigentlich gut bzw. schon hart an der Grenze des noch Zulässigen ist, beobachtet man eigentlich erst in den letzten beiden Jahrzehnten.
Bisher war ich der Meinung, diese Entwicklung sei verursacht
- vom Zunehmen des Telegramm-Stils, mit dem man heute (in SMS oder e-Mail) miteinander kommuniziert
- und von der Tatsache, dass man selbst in der Schule Rechtschreib- und Ausdrucksfehler heute nur noch im Rahmen von Deutsch-Unterricht gezielt brandmarkt und mit in die Beurteilung einer schriftlichen Arbeit eingehen lässt.
Was die EU-Behörden nun aber beobachten, zeigt mir, dass diese Erklärung zu kurz greift (denn im Telegramm-Stil kommunizieren heute nicht nur Deutsche miteinander).
Was aber ist dann die wirkliche Ursache für den Verfall von Sprachkultur bei uns in Deutschland?
Ich weiß es nicht — und das erschreckt mich noch mehr.
Beste Grüße,
grtgrt