welt-verstehen/Schule+Hilfsmittel+Nutzung+Schulen, stw4383SHNS
Bildungspolitik
1. Hauptbeschäftigung: | Des Spielers Alltag wird dominiert durch ständiges Nachdenken über vergangene oder künftige Spiele. |
2. Entzugssymptome: | Reizbarkeit oder Erregbarkeit, Konzentrationsstörungen, Angst und gedrückte Stimmung |
3. Toleranzentwicklung: | Mit dem Spielen muss immer mehr Zeit verbracht werden. |
4. Kontrollverlust: | Der Spieler vermag sein Spielen nicht willentlich einzuschränken. |
5. Interesseverlust: | Frühere Hobbies und Freizeitaktivitäten interessieren nicht mehr. |
6. Negative Konsequenzen: | Nachteilige psychosoziale Auswirkungen des Spielens werden in Kauf genommen. |
7. Lügen, Täuschen: | Angehörige, Freunde und Therapeuten werden hinsichtlich des wahren Ausmaßes des Spielens getäuscht. |
8. Stimmungsverbesserung: | Der Spieler spielt, um Angst, Schuldgefühle, Hilflosigkeit, Probleme oder Stress zu bekämpfen. |
9. Vereinsamung, sozialer Abstieg: | Partnerkonflikte, Trennung, Karriereknick (Verlust des Arbeitsplatzes, Abbruch des Studiums) |
Manfred Spitzer (2012):
Im Grunde ist es beschämend, dass die Wissenschaft erst im Herbst 2011 bestätigen konnte, was aufmerksame Eltern und Großeltern schon lange beobachten: Kinder werden » ganz kirre «, wenn sie beispielsweise am Sonntag Vormittag stundenlang die Comics im Kinderkanal schauen: "Die Kinder sind danach einfach zu nichts mehr zu gebrauchen" beklagen sich Mütter, wenn sie mit mir nach Voträgen über die Folgen von Medienkonsum diskutieren.
Erwähnenswer in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass das Frontalgehirn nicht nur bei Ermüdung, sondern auch beim Abfallen des Blutzuckerspiegels — wie er ganz normal etwa 2 Stunden nach dem Frühstück auftritt — weniger gut funktioniert:
Ein Experiment mit erfahrenen Richtern hat ganz klar gezeigt, dass diese — nachdem sie eine Weile nichts gegessen haben — nachweislich weniger gut durchdachte Urteile fällen.
Was für Richter, für erwachsene Personen also, gilt, muss für Kinder mit noch nicht voll ausgebildetem Frontalgehirn allemal gelten: Wer ohne Frühstück in die Schule geht, wird sich weniger gut konzentrieren können.
Manfred Spitzer ( 2012, gekürzt ):
Wer mit Anfang 20 schon viele Freunde hat, der kann seine sozialen Kontakte auch mittels Online-Dienstleistern wie Facebook weiter pflegen. Es wird ihm das ebenso wenig schaden wie der Gebrauch eines Computers zur Erlediging studentischer Referate.
Sofern sich aber noch in der Entwicklung befindliche Kinder der neuen Technik zuwenden, liegt der Fall anders: Hier werden ganz offensichtlich für eine gesunde Entwicklung erforderliche Erfahrungen durch den Gebrauch elektronischer Medien verhindert.
Wer nämlich schon als Kind viel in Facebook unterwegs ist, der ist entsprechend seltener in der Realität sozial engagiert. Man bedenke:
Bei den [in vorher diskutierten Studien beobachteten] Kindern betrug die mit direkten (face to face) sozialen Kontakten verbrachte Zeit etwa 2 Stunden, wohingegen sie etwa 7 Stunden online waren. Jene jungen Mädchen gewöhnten sich hierdurch echte soziale Kontakte eher ab — und leiden darunter. Abigail Baird, eine Neurowissenschaftlerin aus New York, bringt es auf den Punkt, indem sie feststellt: » Wenn es darum geht, zu lernen, wie man mit Menschen umgeht, gibt es keinen Ersatz für den Umgang mit Menschen. «
Wie Studien zeigen, gilt: Die intensive Nutzung sozialer Online-Netze vermindert nicht nur die Zahl realer Freundschaften, sondern auch soziale Kompetenz, da die hierfür zuständigen Gehirnareale schrumpfen. Mehr Stress und zunehmender Verlust der Selbstkontrolle sind die Folgen. Eine soziale Abwärtsspirale setzt ein, die einem erfüllten Leben in der Gemeinschaft im Wege steht.
Note: Da sich entsprechende Experimente mit Menschen aus ethischen Gründen verbieten, hat man den Zusammenhang zwischen Gehirngröße und sozialer Einbindung in Gemeinschaften an Rhesusaffen untersucht mittels genauer anatomischer Gehirnbilder bei 23 Tieren, die zuvor für mehr als ein Jahr [nur 1 Jahr (!)] in sozialen Gruppen unterschiedlicher Größe gelebt hatten.
Um ihre Hypothese zu prüfen, dass das bessere soziale Denken letzlich zu einem erfolgreichen Sozialleben führt — und zu entsprechendem Aufstieg in der sozialen Rangordnung der Gruppe — hat man bei insgesamt 11 männlichen Tieren den Zusammenhang zwischen Gehirngröße und sozialer Stellung in der Gruppe untersucht. Hierbei zeigte sich in einem bereich des präfrontalen Cortex eine klar erkennbare Größenzunahme mit zunehmender sozialer Dominanz: Mit jedem Prozentpunkt in der Znahme sozialer Dominanz nahm in diesem bereich die Dichte der grauen Substanz um 0,31 Prozentpunkte zu.
Man hat zusätzlich untersucht, wie gut bei den Tieren die für das Sozialverhalten zuständigen Teile des Gehirns mit anderen gehirnbereichen verknüpft sind (sog. funktionelle Konnektivität). Hierbei zeigte sich eine funktionale Kopplung mit einem bereich im Frontalgehirn. Die Intensität dieser Kopplung hing mit der Größe des sozialen Netzwerks zusammen.
Kombiniert mit Ergebnissen aus Studien des menschlichen Sozialverhaltens ergibt sich als Schlussfolgerung, dass die intensive Nutzung digitaler sozialer Medien wie etwa Facebook, WhatsApp, Twitter — die ja zwangsläufig mit weniger face-to-face-Kontakten einhergeht —, zu einer Verminderung des Wachstums der Größe sozialer Gehirnbereiche bei Kindern — und damit zu geringerer sozialer Kompetenz führen muss.
Spitzer fasst zusammen:
Soziale Online-Netzwerke befriedigen unser grundsätzliches Bedürfnis nach Kontakt zu Mitmenschen.
Wer jedoch glaubt, dass diese neue Möglichkeit, Kontakte aufzubauen und zu pflegen, nur Gutes bewirke, der irrt, denn:
- Die Anonymität im Internet bewirkt, dass wir uns weniger kontrollieren und weniger um adequates Sozialverhalten bemüht sein müssen. Wer seine sozialen Kompetenzen bereits auf dem herkömmlichen Weg (face to face) erworben hat, wird durch die Netzwerke keinen Schaden nehmen. Wer hingegen — wie Kinder und Jugendliche — noch kaum Gelegenheit hatte, adequates soziales Verhalten zu entwickeln, wer also zu früh nur im Netz lebt, der hat gute Chancen, dass sein Verhalten sehr zu wünschen übrig lassen wird.
- Wie wir gesehen haben, deuten aktuelle Studien darauf hin, dass sich bei zu viel Präsenz nur im Netz, die für Sozialverhalten zuständigen Teile des Gehirns nicht normal entwickeln werden. Die Folgen sind bisher nur schwer absehbar, sollten uns jedoch zu denken geben.
- Eine dieser Folgen scheint zu sein: Junge Menschen wissen immer weniger, wo es langgeht, was sie leisten können, und was sie wollen. Je intensiver ihre Online-Präsenz, desto marginaler ihre Präsenz im realen Leben — in dem Leben also, das dann wirklich zählt.
- Das Internet ist voller scheiternder Sozialkontakte, die vom Vorgeben, dass man ein anderer sei, über Schummeln, Betrügen bis hin zu grober Kriminalität reichen. Es word gelogen, gemobbt, abgezoggt, aggressiv Stimmung gemacht, gehetzt und diffamiert, dass sich die Balken biegen! Muss es uns dann noch wundern, dass soziale Netzwerke bei so manchem zu jungen Nutzer dann zu Einsamkeit und Depression führen?
- Mangelnde Selbstregulation, Einsamkeit und Depression sind in der modernen Gesellschaft die wichtigsten Stressoren. Sie bewirken das Absterben von Nervenzellen und begünstigen langfristig die Entwicklung einer Demenz. Bei Kindern kann der Austausch von face-to-face-Kontakten durch Kontakte mit Personen, die nur übers Netz ansprechbar sind, die Gehirnentwicklung bremsen.
- Langfristig gesehen besteht die Gefahr, dass Facebook & Co zur Schrumpfung unseres sozialen gesamten Gehirns führen. So gesehen sollte man beunruhigt darüber sein, dass mittlerweile schon jeder 7-te Mensch intensiv Facebook nutzt.
Zusätzliche Tätigkeit | |
SMS | |
Chatten | |
Musik hören | |
Hausaufgaben bearbeiten | |
Telefonieren | |
Essen | |
Trinken | |
Im Durchschnitt |
Spitzer ( 2015, S. 259-260 seines Buches Cyberkrank ):
Digitale Informationstechnik lenkt ab und schadet der Konzentration und Aufmerksamkeit. Sie behindert Bildungsprozesse, statt — wie vielfach behauptet wird — sie zu fördern.
Entsprechend sind die Studien zum Einsatz von Computern im Unterricht ernüchternd bis peinlich; keinesfalls rechtfertigen sie die Investition in digitale Informationstechnik.
Auch die oft angeführten zusätzlichen Argumente für solche Investitutionen — Medienkompetenz vermitteln und Chancengleichheit für Kinder aus sozial benachteiligten Schichten schaffen — finden in diesen Daten keine empirische Grundlage. Im Gegenteil: Computer verstärken die Bildungsunterschied zwischen Arm und Reich.
Da man um die ablenkende Wirkung eines Internetzugangs an Schulen und Universitäten längst weiß und auch die durch digitale IT verminderte Verarbeitungstiefe beim Lernen kennt, sind diese Ergebnisse nicht einmal überraschend. Ebenso wenig überrascht aus psychologischer und nerologischer Sicht, dass handschriftliche Notizen zutags: stw2519S: Schule+Hilfsmittel+Nutzung+SchulenWissenserwerb förderlicher sind als das Tastaturschreiben.
Lesen und Schreiben sind zentrale Kulturtechniken. Das sichere Beherrschen der Schriftsprache [ das nach allzu leichtfertigem Herumexperimentieren einiger Bildungspolitiker heute nicht mehr selbstverständlich ist ] trägt wesentlich zum schulischen — und später auch zum beruflichen — Erfolg bei. Ein gut geführter Unterricht, der auf den neurologischen Prinzipien des Lernens, Lesens und Schreibens beruht, könnte sogar der Lese- und Rechtschreibschwäche entgegenwirken die (durch Veränderungen im Gehirn verursacht) oft schwerwiegende Konsequenzen für die individuelle Bildungsbiographie hat.
Davon sind wir jedoch weit entfernt: Das pädagogische Chaos in Deutschland, das sich u.A. in der völligen Beliebigkeit der Schulausgangsschrift äußert, führt mitunter sogar dazu, dass ein Schüler die erste Klasse wiederholen muss, wenn seine Eltern zwei Kilometer von Berlin nach Brandenburg umziehen. Und es wird ernsthaft darüber diskutiert, ob man nicht die Handschrift ganz abschaffen sollte, wie dies anderswo schon geschehen ist bzw. — in Finnland etwa — bald geschehen soll. Die Argumentation hierfür könnte dümmer nicht sein: Die Kinder seien motorisch dazu nicht mehr fähig, also lassen wir das weg. [Was wird wohl geschehen, wenn sich herausstellt, dass die Kinder auch in Mathematik überfordert sein werden?]
Weitere Auswirkung der intensiven Nutzung digitaler Medien ist ein in diesem Ausmaß beispielloser Bewegungsmangel bei der heranwachseden Generation. Seine Folgen sind Übergewicht und als Folge davon weitere Beeinträchtigungen junger Menschen (angefangen von Bluthochdruck und Diabetes bis hin zu Senk- und Plattfüßen).
Die Behandlung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsstörungen, Schulproblemen, Computersuchtproblemen und Übergewicht stellt eine große Herausforderung dar und dauert Monate bis Jahre. Eltern und Lehrer müssen daher frühe Anzeichen solcher Probleme ernst nehmen und rechtzeitig konsequent gegensteuern.
Investitionen in digitale Informationstechnik im staatlichen Bildungsbereich stellen demzufolge eine Verschwendung von Mitteln dar — jedenfalls, so lange die Lage derart klar ist wie heute — von den deutlichen Risiken und Nebenwirkungen einmal gar nicht zu reden.
An Lehrern zu sparen und zugleich Millionen für digitale IT auszugeben ist verantwortungslos und bildungsfeindlich. Es kann und darf nicht sein, dass wir die Bildung der nächsten Generation — das Fundament unserer Kultur, Wirtschaft und gesamten Gesellschaft — den Profitinteressen einiger weniger weltweit agierender Firmen überlassen. Denn die Bildung junger Menschen ist auch unsere Zukunft!