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Unsere Welt zu verstehen:  Modell Struktur



 Beitrag 0-364
 
 

 
Wie man zum heutigen Modell der Struktur aller Materie kam
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Schon im 5. Jahrhundert v. Chr. waren Leukip und sein Schüler Demokrit der Meinung, alles Anfassbare müsse Summe kleinster, unteilbarer Teilchen sein.
 
Dass sie mit ihrer Auffassung recht haben könnten, begann der modernen Physik erst Ende des 19. Jahrhunderts klar zu werden:
     
  • Die entscheidenden Argumente dafür, dass Demokrits Atomidee richtig sein könnte, lieferten Experimente mit Gasentladungen in evakuierten Röhren, wie man sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts in zahlreichen Laboren durchführte. Dass die im Zuge dieser Experimente entdeckten negativ geladenen Teilchen — dann Elektronen genannt — nicht die einzigen kleinsten Teilchen sein konnten, wurde klar aus der Tatsache, dass sie elektrische Ladung trugen, Materie an sich aber elektrisch neutral ist.
     
  • 1896 hat dann Henri Becquerel entdeckt, dass Uran Strahlung aussendet. Wenig später wurde klar, dass es sich dabei in Radium verwandelt. Neben elektrisch geladenen Partikeln — Alpha- und Beta-Strahlung genannt — verließ auch energiereiche Strahlung extrem kurzer Wellebnlänge — Gamma-Strahlung genannt — das sich umwandelnde Uran. Wie etwas später klar wurde, besteht Beta-Strahlung aus Elektronen, Alpha-Strahlung aber aus positiv geladenen Helium-Atomkernen.
     
  • Insbesondere die Alphateilchen erwiesen sich als recht gut geeignet, die Struktut der Atome zu erforschen: Ernest Rutherford verwendete sie als winzige Geschosse, die er auf Materialien unterschiedlichen typs prallen lies. Hierbei erkannte er, dass die weitaus meisten dieser Geschosse das Material durchdrangen, als würde es kein Hindernis darstellen. Einige wenige aber wurde extrem stark abgelenkt, in seltenen Fällen sogar um mehr als 90 Grad.
     
    Gegen Ende 1910 war Rutherford klar, was das bedeuten musste: Der Sitz der elektrisch positiven Ladung des Atoms — heute Atomkern genannt — musste im Verhältnis zur ganzen Größe der Atome extrem klein sein.
     
    Rutherford verschiedenste Materialien und sah, dass die positiv geladenen Alphateilchen umso häufiger und stärker abgelenkt wurden, je größer die Ordnungszahl des jeweiligen Elements im Periodensystem war.
     
    Diese Beobachtung führte zu einem ersten abgesicherten Atom-Modell: Jedes Atom musste aus einem positiv geladenen Kern bestehen, der umso mehr Ladungen aufweist, je höher die Ordnungszahl des jeweiligen Elements im Periodensystem ist. Da Atome nu aber nach außen hin elektrisch neutral sind, waren im Atom wohl auch kompensierende negative Ladungen — Elektronen — vorhanden.
     
    Da sich nun aber Ladungen verschiedenen Vorzeichens gegenseitig anziehen, sah Rutherford sich gezwungen, den Elektronen kreisförmige Bewegungsbahnen zuzuschreiben, da sie sonst ja in den Kern des Atoms stürzen müssten. Damit war das Planetenmodell des Atoms geboren.
     
     
  • So ganz richtig konnte dieses Modell aber aus gleich 3 Gründen nicht sein:
       
    • Wenn sich negativ geladenen Teilchen um einen positiv geladenen Kern bewegen, müsste sich ein Dipol bilden, der ständig elektromagnetische Strahlung aussendet, so dass die Elektronen ständig Energe verlieren und daher schließlich doch in den Kern stürzen müssten.
       
    • Auch die damals schon längst bekannte Tatsache, dass in den Spektren der Gase diskrete Linien auftreten, jedes Atom also nur elektromagnetische Wellen ganz bestimmter Frequenzen abstrahlt, gab zu denken.
       
    • Heisenberg lieferte noch einen weiteren Einwand: Kein den Gesetzen der Newtonschen Mechanik folgendes Planetensystem würde jemals nach Zusammenstoß mit einem anderen in seine Ausgangskonfiguration zurückfinden. Kohlenstoff aber bleibt Kohlenstoff auch nach dem Zusammenstoß seiner Atome mit anderen.

     
  • Erst Niels Bohr gelang es, wenigstens für Wasserstoff ein widerspruchsfreies Atommodell zu entwerfen: Er vereinigte die Ideen von Rutherford, Planck und Einstein, indem er den Elektronen innerhalb des Atoms kreisförmige Bahnen zuschrieb, die sie — entgegen den Gesetzen der klassischen Physik — strahlungslos durchlaufen. Jeder Behn, so Bohr, entspricht eine bestimmte Energiestufe, die Bohr durch eine Quantenzahl charakterisierte. Nur wenn Elektronen die Bahn wechseln, geben sie Energie ab oder nehmen Energie auf.
     
  • Obgleich Bohrs Modell auch heute noch das bekannteste ist, gilt es als überholt. Es kann keineswegs alle Fragen beantworten:
       
    • Sofort nach seinem Entstehen wurde klar, dass es selbst Wasserstoff — das aller einfachste Atom — Spektrallinien kennt, die sich so nicht erklären lassen. Sommerfeld hat deswgen zusätzlich zu de hauptquantenzahlen noch Nebenquantenzahlen eingeführt, womit dann auch die Feinstruktur der Spektren gedeutet werden konnte.
       
    • Dennoch funktionierte auch das nur für Wasserstoff, für Atome also, in denen nur ein einziges Elektron den Kern umkreist.

     
  • 1932 hat dann James Chadwick ein weiteres Teilchen entdeckt: Nahzu so schwer wie ein Proton, aber ohne eletrische Ladung, nennt man es heute das Neutron.
     
  • Schon 1930 aber kam Wolfgang Pauli zur Überzeugung, dass es ein weiters — ganz besonders leichtes, auch elektrisch neutrales — Teilchen geben müsse, welches Enrici Fermi dann das Neutriono (= "kleies Neutron") nannte. Es sollte noch 25 weitere Jahre dauern, bis man es tatsächlich nachweisen konnte.
     
  • 1936 fand man in kosmischer Höhenstrahlung dann noch ein Teilchen, das — wie das Elektron — negetive elektrische Ladung trägt, aber etwa 200 Mal so schwer ist: Man nannte sie Mesonen und hat später erkannt, dass es in zweierlei Varianten auftritt: Heute nennt man sie das Myon und das Pion.
     
  • 1970 schließlich hat man Protonen mit sehr energiereichen Elektronen beschossen und so erkannt, dass alle Nukleonen (= Protonen wie Neutronen) aus 3 noch kleineren Teilchen bestehen, die nie einzeln auftreten. Man nennt sie Quarks. Neben elektrischer Ladung tragen sie auch noch sog. Farbladung (was nichts mit Farbe zu tun hatn sondern einfach nur eine hilfreiche Analogie suggerieren soll).

 
Da es neben den Materieteilchen nun aber auch noch Energieportionen gibt, die man Kraftteilchen nennt, hat man schließlich und endlich sie alle in einem einzigen Modell zusammengeführt: dem sog. Standardmodell der Elementarteilchenpysik.
 
Seine — jetzt rein geschichtlich — letzte Ergänzung erfuhr dieses Modell, nachdem Experimentalphysik das sog. Higgs-Boson nachweisen konnte: Higgs-Bosonen sind Energieportionen, die anderen Elementarteilchen sozusagen "im Weg stehen" und so Ruhemasse verleihen: Je mehr sie Teilchen einer bestimmten Art "im Wege stehen", desto mehr Ruhemasse haben Teilchen jener Art.
 
 
Interessant ist, dass jede physikalische Theorie selbst definiert, wie man sich Elementarteilchen vorzustellen hat:
     
  • Das Standardmodell sieht sie als ausdehnungslose Punkte.
     
  • Experimentalphysik (man denke an die Streuexperimente von Rutherford) sieht sie meist als Teilchen mit wenigstens grob definiertem, artspezifischen positivem Durchmesser (man nennt ihn die Compton-Wellenlänge des Teilchens).
     
  • Stringtheorie sieht sie als die einem String — einem Faden oder einer Membran — möglichen Schwingungszustände.
     
  • Quantenfeldtheorie aber sieht sie als Pakete von Wellen, die Anregung abstrakter Kraftfelder sind (jedem Typ von Elementarteilchen entspricht ein eigenes, in der gesamten Raumzeit defiertes Feld).

 
Hält man sich an das Bild der Quantenfeldtheorie, kommt man unweigerlich zum Schluss, dass
     
  • unteilbar ( atomar im Sinne von Demokrit ) wirklich nur sinusförmige Feldanregungen sind,
     
  • und alles, was man heute ein einzelnes Elementarteilchen nennt, genau genommen nur ein aus einer bestimmten Perspektive heraus gesehener Aspekt des gesamten art-spezifischen Feldes ist.

 
Wer sich dieses Bild — als das der Wirklichkeit wahrscheinlich am ehesten entsprechende — zu eigen macht, den wundert es dann auch nicht mehr, dass über die Materieteilchen hinaus auch einige der Kraftteilchen Ruhemasse haben (das Higgs-Boson und die Bosonen, welche die sog. schwache Wechselwirkung vermitteln).
 
 
Nebenbei:
 
Interessant ist, dass Teilchen, die Summe von Fermionen sind, dennoch Bosonen sein können (Spin ist additiv, und bosonisches Verhalten hat alles, was ganzzahligen Spin hat).

 


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tags: stw2178M: Modell+Struktur+Materie


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