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Unsere Welt zu verstehen:  Mathematischer Realismus



 Beitrag 0-5
 
 


Rebecca Goldstein
 
Gödels Auffassung, dass die mathematische Wirklichkeit objektiv existiert, wird als Begriffsrealismus, als
 
 
Mathematischer Realismus
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oder mathematischer Platonismus bezeichnet.
 
Viele Mathematiker sind mathematische Realisten gewesen, und selbst jene, die sich nicht als solche bezeichnen, bekennen sich implizit zum Realismus, indem sie ihre Arbeiten als » Entdeckungen « beschreiben.
 
Der hoch angesehene Mathematiker G.H. Hardy (1877-1947) formulierte seine platonische Überzeugung in seinem Klassiker A Mathematician's Apology sehr deutlich so:


G.H. Hardy
 
Ich glaube, dass die methematische Wirklichkeit außerhalb unseres Geistes existiert, dass es unsere Aufgabe ist, sie zu entdecken bzw. zu beobachten, und dass die Theoreme, die wir beweisen und hochtrabend unsere » Entdeckungen « nennen, schlicht Aufzeichnungen unserer Beobachtungen sind. ...
 
Diese realistische Anschauung ist für die mathematische Wirklichkeit viel plausibler als für die physikalische, da bei mathematischen Objekten Schein und Sein weitgehend zusammenfallen:
  • Ein Stuhl oder ein Stern sind nicht im mindesten, was sie zu sein scheinen: Je gründlicher wir darüber nachdenken, um so verschwommener werden ihre Konturen im Dunstschleier der Sinnesempfindungen, der sie einhüllt.
  • Aber » 2 « oder » 317 « haben nichts mit Empfindungen zu tun; Ihre Eigenschaften treten um so deutlicher hervor, je gründlicher wir sie untersuchen. 317 ist eine Primzahl, nicht weil wir das meinen oder weil dies den Strukturen unseres Denkens entspräche, sondern weil es so ist, weil mathematische Wirklichkeit nun einmal so beschaffen ist.
     


Ein Mathematiker nach dem anderen hat — wie Hardy — seine platonische Auffassung bekräftigt, wonach mathematische Wahrheiten entdeckt und nicht erfunden werden ...
 
Gödels metamathematische Anschauung, sein fester Glaube an die objektive, vom menschlichen Denken unabhängige Existenz der mathematischen Wirklichkeit, stellt vielleicht die Qintessenz seine Lebenswerkes dar ...
 

Quelle: Rebecca Goldsteins Gödel-Biographie ( Piper Taschenbuch 2005, S. 43-46 )

 
 
 
 
Es gibt keinen physikalischen Realismus (!)

 
 
Dass zu dieser Überzeugung zunächst Parmenides, später aber auch Kant und Niels Bohr kamen, wusste ich. Gerade eben aber lese ich bei Josef Honerkamp, dass es auch auch Hawking so sieht und Honerkamp — selbst ein Physiker — derselben Meinung ist:

Honerkamp (2010)
 
Ein wichtiger Punkt, den Hawking in aller Klarheit betont, ist der, dass es seiner Meinung nach keinen theorieunabhängigen Realitätsbegriff gibt.
 
Diese Aussage beschreibt genau das, was Physiker im Umgang mit den physikalischen Theorien immer wieder erfahren.
 


Note: Honerkamp ist emeritierter Professor für Theoretische Physik und Autor einiger sehr lesenswerter Bücher.
Für jeden verständlich ist mindestens Die Entdeckung des Unvorstellbaren: Einblicke in die Physik und ihre Methode (2010).
hmsgnr09z


 


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