Computer für Grund- und Hauptschüler sind kontraproduktiv
Hätte man 1985 zwei Gruppen von Schülern untersucht — eine mit eigenem Computer und die andere ohne —, so hätte sich klar ergeben:
Die mit Zugang zu einem PC sind in der Schule besser. Dieses Ergebnis aber wäre der Tatsache geschuldet gewesen, dass es ja genau die neugierigeren und intelligenteren waren, die damals schon an Computern interessiert waren (man sprich von
» Stichproben-Bias « deretwegen sich irreführende Aussagen ergeben).
Als man dann aber 2005 die Daten aus der damaligen PISA-Studie analysiert hat, ergab sich genau das Gegenteil:
Grund- und Hauptschüler, die einen Computer zu Hause haben, erzielen weniger gute schulische Leistung
[Ergebnis einer
Studie des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung 2005].
Der Grund hierfür: Schüler verwenden Computer heute in erster Linie zum Spielen. Für das schulische Lernen steht daher weniger Zeit zur Verfügung.
Schlimmer noch: Wer dauern multimedial Monster jagt und für ihr Abschlachten im Spiel belohnt wird, für den liegt es nahe, dass der ganz normale Schulalltag ihm vergleichsweise langweilig erscheint.
Und so wird er nicht nur Zeit fürs Lernen verlieren, sondern vor allem auch wichtige
Motivation für schulisches Lernen.
Was diesen Jugendlichen aber nicht bewusst wird:
Computerspiele sind ganz gezielt so programmiert, dass der Spielende Belohnungen erhält, um nie die Lust a, Spiel zu verlieren.
Dies zu erreichen werden seine vermeintlichen Erfolgserlebnisse keineswegs nur von seiner Geschicklichkeit abhängen, sondern ganz wesentlich auch von Pseudozufall, den die das Spiel treibenden Algorithmen
so dosieren, dass hinreichend viele Erfolgserlebnisse eintreten: Dem weniger geschickten Spieler wird halt einfach ein wenig geholfen, denn schließlich will der Hersteller des Spieles ja erreichen,
dass der Spieler noch weitere Spiele kauft. [Sp]
Kurz: Computerspiele sind für Minderjährige reines Gift.
Den Spielenden und ihren Eltern wird gar nicht bewusst,
wie man sie hier hinters Licht führt, um auf ihre Kosten Geld zu machen.
Die Lobby der Spielehersteller ist nicht zu unterschätzen:
Sie lanciert geschickt Meldungen wie z.B. "Learning by Gaming: Computerspiele kommen endlich in der Schule an".
Sogar eine Stiftung Digitale Spielekultur hat man ins Leben gerufen.
Deren Sprecherin — eine Frau Wendt — sagt: "Bisher sind wir auf Lehrerinnen und Lehrer zugegangen, mittlerweile kommen sie zu uns".
Marketingstrategen ergänzen das zur scheinbar objektiven Nachricht "Immer mehr Projekte und Initiativen rund um das Thema entstehen, immer mehr Lehrer zeigen Interesse und binden Computerspiele in ihren Unterricht ein".
Aus Sicht vieler "Experten" sei das ein überfälliger Trend. Denn dass Spiele beim Lernen helfen können, sei schon lange bekannt.
[B]
Dass Bildungspolitiker und scheinbar sogar Hochschullehrer sich beeilen, solche wissenschaftlich unhaltbarer Argumentation blind zu folgen, ist ein (recht bedenkliches) Zeichen unserer Zeit.
Und so kommt es, dass die Stiftung gemeinsam mit der TH Köln die Plattform
Digitale-Spielewelten.de schaffen konnte, auf der Methoden und Unterrichtsmaterial rund um das Thema "digitale Spiele" zur Verfügung stehen.
In welchem Umfang hier — indirekt auch mit Hilfe von Steuergeldern — einfach nur Werbung im Interesse der Spielehersteller gemacht wird, scheint niemand mehr zu hinterfragen — sehr zum Schaden unserer Kinder und Enkelkinder.
Dass man heute
zahlreiche Schulen mit teuren elektronischen Tafeln ausstattet (die instandzuhalten ebenfalls teuer ist),
aber nicht mit genügend Lehrern, zeigt, wie erfolgreich Lobbyismus sein kann — und wie wenig kompentent
so mancher Bildungspolitiker in den Kultusministerien heute zu sein scheint. Wer berät ihn da mit welch verstecktem Ziel?
Können Computerspiele süchtig machen?
Irgendwann begreifen die meisten jungen Menschen, wie wenig Sinn es macht, die eigene Zeit mit Computerspielen zu verschwenden.
Dennoch gibt es einige wenige (in Deutschland sollen es 438000 sein), die sich ihr Leben durch die Sucht zu spielen — Glücksspiele oder Computerspiele — in etwa demselben Ausmaß ruiniert haben, wie man das von Drogenabhängigen kennt:
Sucht, Vereinsamung und Verwahrlosung haben sie überwältigt und nicht selten auch ihren Angehörigen das Leben zur Hölle gemacht.
Folgende Zeilen aus
Bert de Wildt:
Digital Junkies: Internetabhängigkeit und ihre Folgen für uns und unsere Kinder (2016) zeigen,
was sich da im Extremfall ergeben kann und auch tatsächlich schon ergeben hat:
Lies auch:
Wenn Computerspielen zur Krankheit wird.
Wie intensiv spielen 15-jährige deutsche Schüler?
Eine 2009 durchgeführte repräsentative Befragung von 15168 Jugendlichen im Alter von 15 Jahren durch das Krimologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) hat ergeben, dass
- 4,3 Prozent der Mädchen und 15,8 Prozent der Jungen
- täglich mehr als 4,5 Stunden mit Computer bzw. Videospielen beschaftigt sind.
Als krankhaft spielesüchtig wurden im Rahmen dieser Studie 0,3 Prozent der Mädchen,
aber schon 3 Prozent der Jungen erkannt, was hochgerechnet auf alle deutschen Neuntklässler 14400 computerspielsüchtige Jugendliche ergibt.
Die
Ergebnisse dieser Studie aus Niedersachsen
wurden bestätigt durch Daten aus der Studie
Berliner Längsschnitt Medien, in deren Rahmen man 1156 Grundschüler aus Berlin befragt hat.
Das größte Suchtpotential hatte dem Studienergebnis zufolge das Spiel
World of Warcraft, das derzeit an Jugendliche ab 12 Jahren ausgegeben werden darf. Christian Pfeiffer, der Leiter des KFN, fordert ein komplettes Verbot dieses
Spiels für Minderjährige. Aus neurowissenschaftlicher Sicht, so Manfred Spitzer, muss man sich dem anschließen.
Quelle: Manfred Spitzer: Digitale Demenz — Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (2012, Droemer)