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Unsere Welt zu verstehen:  Gottesbild Meister



 Beitrag 0-510
 
 

 
Das Gottesbild des Meister Eckhart
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Mir war lange Zeit nicht klar, dass Meister Eckhart (den man gerne als Mystiker einordnet) wohl einer der wichtigsten Vertreter philosophischer Theologie überhaupt war.
 
Wie in Weischedel auf Seite 109 zu lesen ist, hat man vom Lebensgang Eckharts nur "die notdürftigste" Kenntnis:

     
    Geboren so etwa 1260 als » Eckhart von Hochheim « entstammte er einem ritterlichen Geschlecht.
     
    Schon früh trat er in das Dominikanerkloster in Erfurt ein. Soweit man vermuten kann, studierte er anschließend in Straßburg und Köln. Nachdem er Prior seines Heimatklosters geworden war, übernahm er einen Lehrauftrag in Paris und wurde 1302 Magister (weswegen man ihn dann » Meister Eckhart « nannte.
     
    Von Paris zurückgekehrt wird er zum Leiter der damals neu errichteten Ordensprovinz Sachsen ernannt, die sich von den Niederlanden bis Livland erstreckte.
     
    Zugleich wurde er Generalvikar von Böhmen, wo man ihn mit der Aufgabe einer Reform der Ordensklöster beauftragt hat. Er geht noch einmal nach Paris, übernimmt sodann die Leitung der ordenseigenen Huchschule in Straßburg und lehrte schließlich an der Universltät Köln. Er stirbt etwa 1327, sein Grab ist unbekannt.
     
    Eckharts Hinte4rlassenschaft ist umfangreich. Sie besteht aus gelehrten lateinischen Schriften sowie aus deutschen Texten und Prdigten.
     
    Das entscheidende Ereignis im Leben Meister Eckharts ist sein Streit mit der offiziellen Kirche, der sein selbständiges Denken als Gefahr erschien. Und so kam es dazu, dass man ihn — obgleich er damals einer der führenden Köpfe des Dominikaner-Ordens war, der sich ja selber in der Rolle der Inquisition hervortat — der Inquisition unterwarf.
     
    An dem Meister selbst wagte man sich zunächst nicht direkt heran: Man verfolgte zunächst Laien, die — zum gro0en Teil von Eckharts Ideen angeregt — ähnliche Gedanken aussprachen wie er. Man hat sie ertränkt oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt.Schließlich hat sich der Erzbischof von Köln dann schließlich selbst beim Papst über Eckart beschwert, was zur Folge hatte, dass man nun auch ihn vot ein Inquistitionsgericht gestellt hat. Zunächst aber wurde er absolviert, da sein Orden sich energisch für ihn eingesetzt hat und er selbst feierlich erklärte, niemals häretische Ansichten gehabt zu haben. Nach Eckharts Tode allerding erließ der Papst dann doch eine Bulle, in der er 28 Sätze des Meisters als teils ketzersch, wenigstens aber als höchst missverständlich verdammt hat.

 
 
Diese Umstände gegen Ende seines Lebens haben dazu geführt, dass Meister Eckharts Ansichten zunächst in Vergessenheit gerieten. Selbst heute noch wird sein Wirken in den gängigen Darstellungen der Geschichte der Philosophie recht stiefmütterlich behandelt (schreibt Weischedel). Insbesondere ´übersieht man immer wieder, dass sich durch die gesamte Philosophiegeschichte ein nur selten an die Oberfläche tretender "unterirdischer" Strom des mystischen Philosophierens zieht. Eckhart ist nämlich keineswegs der erste, der so dachte, wie er dachte. Ihm voran gingen Plotin aus dem dritten, Dionysios Areopagita aus dem fünften und Ereungena aus dem neunten Jahrhundert nach Christus. Nach ihm haben ebenso gedacht Nikolaus von Kues, Jakob Böhme und Franz von Baader. Auch das Denken des späten Fichte oder das von Schelling und Hegel wäre ohne jene Weise des Philosophierens, wie Meister Eckhart sie vorbildlich repräsentiert, wohl nicht möglich geworden.
 
Eckhart spricht vom » Seelengrund « und nennt ihn den Ort, an dem die Seele ursprünglich Gott erkennen kann. Diese Begegnung, so sagt er, vollziehe sich in der vollen Hingabe nicht nur des Menschens, sondern auch Gottes. Dieser sei » in dem Grunde der Seele mit all seiner Gottheit « anwesend.
 
Eckhart betrachtet Gott als » das Sein schlechthin « und wagt den ketzerischen Satz: » Alle Dinge sind Gott selber. Alle Kreaturen sind ein Sprechen Gottes «.
 
Aus der Erkennnis heraus aber, dass man Gott nicht gleichsetzen dürfe mit den Dingen, die er schuf, präzisiert er dann:
 
 
» Gott kommt nicht das Sein zu, noch ist er ein Seiendes. Er ist etwas Höheres. «

 
 
Dieses Höhere, so meint Eckhart, kann nur das Geistige, die » Einsicht «, der » Intellectus « sein. Und so kommt er schließlich zur Ansicht:
 
 
» Gott ist reine Einsicht, deren ganzes Sein das Einsehen selbst ist. «
 
 
 
Quelle: Wilhelm Weischedel: Die philosophiosche Hintertreppe (1975, 2018), S. 109-115

 
Historische Notiz:
 
Nach seinen Pariser Studien in den Jahren 1286-94 kehrte Eckhart 1302 und später noch einmal 1311 als Magister auf den Dominikaner­lehrstuhl an der Sorbonne zurück. Diese Lehrtätigkeit brachte ihm seinen Beinamen "Meister" ein. Vor ihm war die Ehre eines zweimaligen Magisteriums an der Pariser Universität nur Thomas von Aquin zuteil geworden, was Eckharts hohe akademische Reputation als einen der führenden Köpfe seiner Zeit beweist.
 
Dies sei insbesondere gegenüber Versuchen betont, ihm ein besonderes Maß an Heterodoxie oder Mystizismus zu unterstellen.
 
Mit seinen deutschen Werken wendet sich Eckhart ausdrücklich auch und besonders an die "ungelehrten Leute". Er verwirft die Vorstellung einer nur den theologisch gebildeten Lateinkundigen zugänglichen Wahrheit, die vor dem einfachen Volk zu verbergen sei. Nach seiner Überzeugung soll man auch die erhabensten Lehren der allgemeinen Öffentlichkeit verkünden, denn die Ungelehrten seien diejenigen, die der Belehrung bedürfen. Das Risiko, dass manches nicht richtig verstanden wird, sei in Kauf zu nehmen.
 
Wie Christian Jung in seinem Aufsatz Die Funktion des Nichts in Meister Eckharts Metaphysik, Salzburger Jahrbuch für Philosophie 2014, sehr deutlich macht, hat Meister Eckhart um die beiden oben zitierten Aussagen zum Wesen Gottes — genauer: um deren treffende Formulierung — ein halbes Leben lang ringen müssen. Es zeigt sich hier einmal mehr, wie zutreffend Karls Jaspers charakterisiert hat, was man unter philosophischem Denken versteht: Es besteht im Hinhören auf eine aus den tiefsten Tiefen unserer Psyche kommende "Wahrheit" — eine Art archetypisches "Wissen", das in passende Worte zu fassen sehr viel Mühe erfordern kann.
 
Letzlich hat Eckhart es nicht geschafft, dem damaligen Papst und der Inquisition klar zu machen, dass er einfach nur davon überzeugt war, dass Gottes Sein nicht vergleichbar sein könne mit dem (viel einfacheren) Sein von allem, das geworden ist oder geschaffen wurde.

 


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