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Unsere Welt zu verstehen:  Bildungspolitiker Erkenntnis



 Beitrag 0-427
 
 

 
Warum handeln Bildungspolitiker meinungsgetrieben,

statt auf Basis gut gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis?
hmsgnr0427z

 
 
Politik — das war schon immer so — soll zu einem gerechten Ausgleich konkurrierender Interessen führen.
 
In der Bildungspolitik konkurrieren
     
  • die als Elementargewalt daherkommenden Interessen der weltweit größten Konzerne (Apple, Facebook, Google, Hersteller von Computerspielen usw.)
     
  • mit den Interessen unserer Kinder, die unsere Zunkunft darstellen, aber über keinerlei Lobby verfügen.

Umso mehr sollte Bildungspolitern klar sein, dass sie ihrer Aufgabe nicht gerecht werden, wenn sie sich einfach nur die Meinung der IT-Lobbyisten zu eigen machen, statt neutrale Wissenschaftler gezielt zu befragen — oder ihnen wenigstens aufmerksam zuzuhören, wo sie warnend ihre Stimme erheben.
 
Wie nun aber die allzu naive Argumentation der deutschen Bildungspolitiker in Sachen » Digitalpakt « zeigt, scheint ihnen gar nicht klar zu sein, wie sehr sie sich zu einem von der IT-Lobby an der Nase herumgeführten Bären machen lassen. Wo bleibt ihr eigenes Urteilsvermögen? Wissen sie denn nicht, dass man nur Argumenten glauben darf, für die es auch Beweise gibt?
 
Wie zahlreiche wissenschaftliche Studien aus unterschiedlichsten Ländern dieser Welt belegen, sollte selbst noch in Hauptschulen und Gymnasien das Prinzip gelten:

 
IT im Unterricht macht Sinn als Salz in der Suppe,
 
darf aber keinesfalls dem Wasser der Suppe entsprechen.
 

In seinem Buch Cyberkrank (2015) legt der Neurologe Manfred Spitzer anhand zahlreicher von Wissenschaftlern gefundener Untersuchungsergebnisse dar, mit welch unerwünschten, ganz gravierend negativen Nebenwirkungen man zu rechnen hat, wenn man Kinder — in der Grundschule, im Kindergarten oder daheim — zu früh mit elektronischen Geräten zu beglücken oder gar ruhig zu stellen sucht:
 
 
Je jünger die Kinder, desto verheerender die Nebenwirkungen!

 
Dass im deutschsprachigen Raum nur etwa 4% der von ihren Eltern schon früh mit Computerspielen "beglückten" Jugendlichen wegen krankhafter Spielsucht später in der Psychiatrie landen, darf nicht verharmlost werden. Nicht nur Facebook — wie einer seiner Mitgründer heute offen zugibt —, sondern auch Computer- und Videospiele sind ganz gezielt so programmiert, dass sie ihre Nutzer süchtig zu machen versuchen: Einfach nur, damit verantwortungslose Hersteller möglichst viel verdienen.
 
 
Nichts davon sagen uns die von Politikern als "Experten" eingestuften IT-Lobbyisten. Ganz im Gegenteil:
    Sie und viele von ihnen als "Experten" gelobte allzu naive Lehrer (wie etwa die Krippenerzieherin Antje Bostelmann und der Kunstpädagoge Michael Fink) wollen uns weis machen, wie hilfreich Tablet-PCs schon im Kindergarten seien, da man da ja » z.B. sogar Filme drehen und schneiden « oder » dank Bildtelefonie mit Kindern aus einer weit entfernten Kita kommunizieren « könne.
     
    Eine Dolmetscher App, so schreibt Fink, ermögliche es, » mit einem gerade eingewanderten Kind zu sprechen, und dank einer Pflanzenbestimmungs-App könne man bei einem Waldspaziergang » z.B. Bäume, Sträucher, Blumen, Pilze identifizieren und weitere Information über sie abrufen «.

Im Kindergarten? Wie soll denn das gehen? Für wie dumm hält man uns Eltern denn eigentlich?
 
Bildungspolitiker aber scheinen all das brav zu glauben um dann ins selbe Horn zu blasen.
 
    So hat z.B. das Kultusministerium in Österreich mit finanzieller Hilfe der EU das Handbuch Safer Internet im Kindergarten herausgegeben. In seinem ersten Kapitel » Die frühe Kindheit als Medienkindheit « liest man: "Keine Seltenheit mehr: Babies, die gerade das Laufen lernen finden sich am iPad der Eltern erstaunlich gut zurecht — besser vielleicht als in der eigenen Wohnung."
     
    Und hieraus folgern die Autoren, es liege auf der Hand, dass "mediale Frühförderung ein immer wichtigerer Bestandteil der Bildungsarbeit" werden müsse.
     
    Niemand — so behaupten sie — wisse zu sagen, ob die Nutzung digitaler Medien im frühen Kindesalter gut oder schlecht sei. Manfred Spitzers Bücher, aus denen klar hervorgeht, dass die Wissenschaft das sehr wohl weiß, scheinen sie nicht gelesen zu haben. Statt auf die Idee zu kommen, erst mal gründlich einschlägige wissenschaftliche Literatur zu studieren, wollen sie mit unseren Kindern und Enkelkindern ins Blaue hinein experiementieren!
     
    Sollte solch unverantwortliches Herumexperimentieren mit Kindern sich aber nicht allein schon aus ethischen Gründen heraus ganz von selbst verbieten?

Wollen wir wirklich solche Böcke zu Gärtnern machen mit dem Ergebnis, dass sie unsere Kinder schon im Kindergarten dazu anleiten, statt miteinander zu spielen nur noch in ein elektronisches Gerät zu schauen?
 
 
Hinter welch fragwürdige "Pädagogen" stellt der Staat sich hier denn eigentlich?

 
 
Bedauerlicherweise zielt auch der deutsche Digitalpakt in genau die entgegengesetzte Richtung, in die wissenschaftliche Erkenntnisse weisen. Man kann jetzt nur noch hoffen, dass die geplante (Teil-) Digitalisierung des Unterrichts in den Grund- und Hauptschulen weniger Schaden anrichten wird, als nach den Ausführungen von z.B. Manfred Spitzer zu erwarten ist — und dass insbesondere alle Kindergärten davon verschont bleiben.
 
 
Insgesamt frägt man sich:

 
Warum folgen Bildungspolitiker scheinbar blind dem subjektiven Rat der IT-Industrie,
 
wollen aber den ganz anders lautenden Rat erfahrener Lehrer, Psychologen und Neurologen gar nicht erst diskutieren?

 
 
Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer — in seiner Rolle als Spezialist für Neurodidaktik — fasst den wissenschaftlich fundierten, bisher aber ignorierten Rat wirklicher Experten zusammen wie folgt:


Spitzer ( 2015, S. 259-260 seines Buches Cyberkrank ):
 
Digitale Informationstechnik lenkt ab und schadet der Konzentration und Aufmerksamkeit. Sie behindert Bildungsprozesse, statt — wie vielfach behauptet wird — sie zu fördern.
 
Entsprechend sind die Studien zum Einsatz von Computern im Unterricht ernüchternd bis peinlich; keinesfalls rechtfertigen sie die Investition in digitale Informationstechnik.
 
Auch die oft angeführten zusätzlichen Argumente für solche Investitutionen — Medienkompetenz vermitteln und Chancengleichheit für Kinder aus sozial benachteiligten Schichten schaffen — finden in diesen Daten keine empirische Grundlage. Im Gegenteil: Computer verstärken die Bildungsunterschied zwischen Arm und Reich.
 
 
Da man um die ablenkende Wirkung eines Internetzugangs an Schulen und Universitäten längst weiß und auch die durch digitale IT verminderte Verarbeitungstiefe beim Lernen kennt, sind diese Ergebnisse nicht einmal überraschend. Ebenso wenig überrascht aus psychologischer und nerologischer Sicht, dass handschriftliche  Notizen  zu
tags: stw2501B: Bildungspolitiker+Erkenntnis+Unterricht+Wasser
Wissenserwerb förderlicher sind als das Tastaturschreiben.
 
 
Lesen und Schreiben sind zentrale Kulturtechniken. Das sichere Beherrschen der Schriftsprache [ das nach allzu leichtfertigem Herumexperimentieren einiger Bildungspolitiker heute nicht mehr selbstverständlich ist ] trägt wesentlich zum schulischen — und später auch zum beruflichen — Erfolg bei. Ein gut geführter Unterricht, der auf den neurologischen Prinzipien des Lernens, Lesens und Schreibens beruht, könnte sogar der Lese- und Rechtschreibschwäche entgegenwirken die (durch Veränderungen im Gehirn verursacht) oft schwerwiegende Konsequenzen für die individuelle Bildungsbiographie hat.
 
Davon sind wir jedoch weit entfernt: Das pädagogische Chaos in Deutschland, das sich u.A. in der völligen Beliebigkeit der Schulausgangsschrift äußert, führt mitunter sogar dazu, dass ein Schüler die erste Klasse wiederholen muss, wenn seine Eltern zwei Kilometer von Berlin nach Brandenburg umziehen. Und es wird ernsthaft darüber diskutiert, ob man nicht die Handschrift ganz abschaffen sollte, wie dies anderswo schon geschehen ist bzw. — in Finnland etwa — bald geschehen soll. Die Argumentation hierfür könnte dümmer nicht sein: Die Kinder seien motorisch dazu nicht mehr fähig, also lassen wir das weg. [Was wird wohl geschehen, wenn sich herausstellt, dass die Kinder auch in Mathematik überfordert sein werden?]
 
Weitere Auswirkung der intensiven Nutzung digitaler Medien ist ein in diesem Ausmaß beispielloser Bewegungsmangel bei der heranwachseden Generation. Seine Folgen sind Übergewicht und als Folge davon weitere Beeinträchtigungen junger Menschen (angefangen von Bluthochdruck und Diabetes bis hin zu Senk- und Plattfüßen).
 
Die Behandlung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsstörungen, Schulproblemen, Computersuchtproblemen und Übergewicht stellt eine große Herausforderung dar und dauert Monate bis Jahre. Eltern und Lehrer müssen daher frühe Anzeichen solcher Probleme ernst nehmen und rechtzeitig konsequent gegensteuern.
 
 
Investitionen in digitale Informationstechnik im staatlichen Bildungsbereich stellen demzufolge eine Verschwendung von Mitteln dar — jedenfalls, so lange die Lage derart klar ist wie heute — von den deutlichen Risiken und Nebenwirkungen einmal gar nicht zu reden.
 
An Lehrern zu sparen und zugleich Millionen für digitale IT auszugeben ist verantwortungslos und bildungsfeindlich. Es kann und darf nicht sein, dass wir die Bildung der nächsten Generation — das Fundament unserer Kultur, Wirtschaft und gesamten Gesellschaft — den Profitinteressen einiger weniger weltweit agierender Firmen überlassen. Denn die Bildung junger Menschen ist auch unsere Zukunft!
 



 


aus Notizen zu:

Was Bildungspolitiker nicht zur Kenntnis nehmen wollen


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