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Unsere Welt zu verstehen:  Hawkings



 Beitrag 0-264
 
 

 
Zu Hawkings Überlegung

» Ist alles vorbestimmt? «
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Steven Hawking (1991):
 
Der Begriff des freien Willens gehört einer anderen Kategorie an als die fundamentalen Gesetze der Physik:
 
Wenn man versucht, menschliches Verhalten aus den Naturgesetzen abzuleiten, verstrickt man sich im logischen Paradox selbstbezüglicher Systeme. Wenn nämlich alles Geschehen — und damit auch all unser Handeln — vorhersagbar wäre, könnten wir die Zukunft kennen, und diese Kenntnis könnte bewirken, dass sie sich abändert.
 
Beispiel: Wenn Sie wüssten, welches Pferd im Grand National gewinnen wird, könnten Sie ein Vermögen machen, indem Sie darauf wetten. Doch würde diese Handlung die Wettquote verändern.
 
Das gleicht den Problemen, mit denen wir zu tun bekämen, wenn Zeitreisen möglich würden — was ich für undenkbar halte.

 


Note: So auf den ersten Blick denkt man, Hawking sei hier ein Denkfehler unterlaufen, da er ja einerseits eindeutige Bestimmtheit unseres Handelns voraussetzt, uns andererseits aber die Freiheit zugesteht, auf das Pferd zu setzen oder nicht. Tatsächlich aber ist beides miteinander verträglich:
 
Gäbe es eine physikalische Theorie — eine sog. » Weltformel «, die zeigen würde, dass alles Geschehen deterministisch ist –, so könnte sie, wie alle physikalischen Gesetze, durch ein Gleichungssystem beschrieben sein, welches (ganz ähnlich wie Einsteins Gravitationsgesetz) derartige Rückkopplung mit berücksichtigt.
 
Was dann wirklich passiert, wäre – als Lösung dieser Gleichung – durch mathematische Gesetze eindeutig bestimmt, daher widerspruchsfrei, und unser Entschluss, auf das Pferd zu setzen, wäre – anders als es aussieht – eben  k e i n  freier Wille.
 


Steven Hawking (1991):
 
Ob jemand freien Willen hat, lässt sich objektiv nur testen über die Frage, ob sein Verhalten vorhersagbar ist.
 
Nun sind wir aber aus praktischen Gründen völlig unfähig, komplett vorherzusagen, was ein Mensch tun wird: Selbst wenn wir eine Weltformel hätten, wären die Gleichungen für die hohe Zahl beteiligter Teilchen einfach zu komplex, als dass wir sie lösen könnten.
 
Wenn wir also nicht in der Lage sind, menschliches Verhalten vorherzusagen, können wir ebenso gut die operative Theorie zugrunde legen, dass Menschen freien Willen haben und für ihre Handlungen verantwortlich sind.
 
Evolutionstechnisch gesehen, ist der Glaube an den Freien Willen von hohem Überlebenswert. Es wird also wohl so sein, dass natürliche Selektion ihn verstärkt.
 
Ob das sprachlich vermittelte Verantwortungsgefühl ausreicht, unseren DNA-vermittelten Agressionstrieb so weit unter Kontrolle zu halten, dass wir uns nicht gegenseitig vernichten, bleibt abzuwarten. Wenn nicht, wird die Menschheit eine Sackgasse der natürlichen Selektion gewesen sein.
 
 
Der Titel des Essays ist eine Frage: Ist alles vorbestimmt?
 
Meine [ Steven Hawkings ] Antwort lautet JA. Sie könnte aber ebensogut NEIN lauten, da wir niemals wissen können, was vorbestimmt ist.

 


 
Quelle der Zitate: Stephen Hawking: Einsteins Traum, Expeditionen an die Grenze der Raumzeit, Rowohlt 1993, S. 127-140


 


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Freier Wille — nur begrenzt?


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