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Unsere Welt zu verstehen:  Quantengravitation



 Beitrag 0-213
 
 

 
Quantengravitation, Raum und Zeit
hmsgnr0213z

 
 
Die klassische Physik kennt Raum und Zeit als einen absoluten, für sich selbst Sinn machenden Rahmen, in dem sich alles physikalische Geschehen abspielt.
 
Erst Einsteins Relativitätstheorie hat gezeigt, dass Zeit und Raum eher nur schattenartig existierende Sichten auf die Raumzeit sind.
 
Bis heute allerdings wird kontrovers diskutiert, ob die Raumzeit ohne die Dinge, die sie beherbergt, denn überhaupt existiert.
 
Mit anderen Worten: Man frägt sich, ob der Raum wirklich eine Art Behälter ist, in dem sich die Dinge (als Energie tragende Objekte) aufhalten oder ob er nicht vielleicht nur aus der Gesamtheit aller Beziehungen zwischen ihnen besteht (wie schon Leibniz dachte). Genauer:
     
  • Als pseudo-Riemannsche Mannigfaltigkeit ist die Raumzeit nur eine gestaltlose Menge von Punkten ergänzt um eine Topologie, die auf eine Metrik zurückführbar ist, d.h. auf eine bewertete Realtion zwischen den Dingen. Man könnte daraus folgern, dass Raumzeit und Materie (verteilte Energie) ein und dasselbe sind.
     
    Einstein jedenfalls war dieser Meinung. Im Vorwort zu Max Jammers Buch Concepts of Space (1953) schrieb er:
     
    Die Überwindung des absoluten Raumes ... wurde erst dadurch möglich, dass der Begriff des körperlichen Objekts als Fundamentalbegriff der Physik allmählich durch den des Feldes ersetzt wurde. Unter dem Einfluss der Ideen von Faraday und Maxwell entwickelte sich die Idee, dass die gesamte physikalische Realität sich als Feld darstellen lasse, dessen Komponenten von vier raumzeitlichen Parametern abhängen. Sind die Gesetze dieses Feldes allgemein kovariant, d.h. an keine besondere Wahl des Koordinatensystems gebunden, so hat man die Einführung eines selbständigen Raumes nicht mehr nötig: Was den räumlichen Charakter des Realen ausmacht, ist dann einfach die 4-Dimensionalität des Feldes. Es gibt dann keinen leeren Raum, d.h. keinen Raum ohne Feld.
     
    Und doch hatte Einstein schon 1918 einräumen müssen, dass Willem de Sitter recht hatte mit seiner Beobachtung, dass Einsteins Feldgleichung auch leere Raumzeiten — die sogar dynamisch sein können — nicht ausschließt.
     
     
  • Zudem ist die Natur der Zeit noch ungeklärt — und erscheint heute rätselhafter als jemals zuvor:
       
    • Im Präsentismus sieht man sie einzig nur existent als Gegenwart,
       
    • der Eternalismus sieht sie als unverändlich eingeprägt ins Blockuniversum,
       
    • und der Possibilismus glaubt an fixe Vergangenheit, aber offene Zukunft.
       
    • In vielen Ansätzen der Quantengravitation lösen sich Zeit und Raum sogar förmlich auf.

 
Quantengravitation ist der Sammelbegriff für alle bislang vorhandenen, teils recht unterschiedlichen Ansätze, die Relativitätstheorie und die Quantentheorie zu vereinheitlichen, d.h. beide als Grenzfälle einer dann insgesamt widerspruchsfreien Theorie der Quantengravitation zu erkennen.
 
Mit ihr — so hofft man — werden dann viele der heute noch offenen brennenden Fragen der Physik geklärt sein.
     
  • Wegen der durch Heisenberg entdeckten Unbestimmtheitsrelation lässt sich nun aber feststellen, dass es keinen Sinn zu machen scheint, von beliebig kleinen zeitlichen oder räumlichen Abständen zu sprechen (weswegen denn auch die Planckzeit und die Plancklänge als Abstände gelten, unterhalb derer man nur noch von » Prägeometrie « und » Quantenschaum « sprechen kann (Schlagworte, die John Archibald Wheeler vorschlug).
     
    So wie Einsteins Theorie zeigt, dass Raum und Zeit nicht klar auseinander zu halten sind (weswegen man die » relativ « nennt), so zeigt Heisenbergs Unschärferelation, dass sich auch Energie und Zeit bzw. Ort und Impuls auf zunehmend kleinerer Skala immer weniger klar unterscheiden lassen.

 
Und so steht fest: Eine Theorie der Quantengravitation zu finden, wird zwingend notwendig sein.
 
Sie wird zeigen, aus welch fundamentaleren Entitäten Raum und Zeit zusammengesetzt sind. Ob es nun Spin-Netzwerke oder Strings und Branen, oder andere ein- oder zweidimensionale Gebilde sind, mit Hilfe derer man jene Entitäten am besten wird modellieren können, ist heute noch völlig offen).
 
Absehbar scheint nur, dass sich Raum und Zeit unterhalb der Planckskala in einer Art Rauschen auflösen, worin es eindeutige regelmäßige Oszillationen nicht mehr gibt — und somit auch keine » Uhren « mehr.
 
Die Einsicht der Relativitätstheorie jedenfalls, nach der es keine Hintergrund-Raumzeit zu geben scheint, und auch keine lineare Zeit, entlang der alles fließt, dürfte sich bestätigen.
 
Es wird sich wohl zeigen, dass selbst der Raumzeit nur eine schattenhafte, emergierende Existenz zukommt.

 
 
Carlo Rovelli — Mitentwickler der Schleifengravitationstheorie — drückt es so aus:

Carlo Rovelli (Zitat):
 
Auch wenn ich es nicht beweisen kann, bin ich überzeugt, dass Zeit nicht existiert:
 
Ich denke, dass es eine Möglichkeit gibt, das Funktionieren der Natur zu beschreiben, ohne die Begriffe Raum und Zeit zu verwenden. Raum und Zeit werden nur  n ä h e r u n g s w e i s e  sinnvoll bleiben — ganz so, wie auch der Begriff » Wasseroberfläche « nur grob Sinn macht (wie erkennt, wer versucht, sich die Wassermoleküle vorzustellen: Sieht man genau hin, gibt es keine klar definierte Wasseroberfläche).
 
Ganz ähnlich verhält es sich mit Zeit und Raum: Beide sind nur makroskopische Näherungen — Illusionen, die unser Bewusstsein geschaffen hat, sich die Realität zu erklären.
 


 
 
Quelle: Rüdiger Vaas: Jenseits von Einsteins Universum (2016), S. 258-277.


 


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