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Unsere Welt zu verstehen:  Dunkle Materie



 Beitrag 0-133
 
 

 
Wie man versucht, sog. » Dunkle Materie « zu erklären
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Die empirische Beweislage zugunsten dunkler Materie ist mittlerweile erdrückend:
 
Verschiedene astronomische Beobachtungen in Kombination mit Messwerten zur kosmischen Hintergrundstrahlung haben dazu geführt, dass man die heute vorhande Menge dunkler Materie recht genau zu beziffern weiß:
 
Die uns bekannte Materie — solche, die Licht ausstrahlt — stellt nur etwa 1/6 aller im All vorhandenen Gravitationsquellen dar.

 
 
Konkrete Indikatoren für Dunkle ( d.h. mit Licht  n i c h t  wechselwirkende ) Materie sind:
     
  • Die Sterne rotieren um galaktische Zentren zu schnell, ganz so, als ob da mehr Masse in der Galaxie wäre als wir sehen.
     
  • Galaxien in Galaxienhaufen bewegen sich so, als wären da deutlich mehr Massen beteiligt.
     
  • Gravitationslinseneffekte treten auch dort auf, wo wir keine Massen sehen.
     
  • Im Bulletcluster messen wir den Massenschwerpunkt an anderer Stelle als wir sichtbares Gas sehen.
     
  • in der kosmologischen Hintergrundstrahlung gibt es eine Resonanz, die nur mit zusätzlicher Masse zu erklären ist, die nicht elektromagnetisch wechselwirkt.

 
Galaxien scheinen eingebettet in jeweils eine Wolke dunkler Materie. Was aber ist dunkle Materie?
 
Zahlreiche mögliche Antworten auf diese Frage sind bisher als falsch erkannt worden.
 
 
Insbesondere kann man inzwischen mit Sicherheit ausschließen, dass dunkle Materie sich aus nicht leuchtenden Himmelskörpern zusammensetzt:
    Beweis hierfür sind Berechnungen zu Kernreaktionen im frühen Universum — dem etwa 380.000 Jahre alten Universum. Die nämlich sagen die derzeitige Dichte leichter chemischer Elemente, etwa die Dichte von Wasserstoff, Deuterium, Helium und Lithium, recht genau voraus, und diese Zahlen stimmen hervorragend überein mit dem, was Astronomen beobachten. Diese Übereinstimmung gilt als einer der spektakulärsten Erfolge der Urknalltheorie.
     
    Da diese Ergebnisse recht empfindlich reagieren auf leicht abgeänderte Annahmen über die damals vorhandene Menge an Protonen und Neutronen, sind sie unvereinbar mit der Annahme, dass Dunkle Materie einfach nur gewöhnliche, nicht leuchtende Materie sein könnte.
     
    Aus Planeten und kleinen Sternen bestehen kann die Dunkle Materie deswegen nicht. Untersuchung von Gravitationslinsen bestätigen das.

 
Noch nicht entschieden ist über zwei andere Hypothesen, deren eine von den Kosmologen und deren andere von den Kernphysikern kommt:

     
  • Möglichkeit 1:
     
    Die jede Galaxis einhüllende Wolke dunkler Materie könnte aus einer Vielzahl Schwarzer Löcher bestehen. Man hat keine klare Vorstellung davon, wie sie entstanden sein könnten. Diese Möglichkeit aber widerspricht nicht den Beobachtungen.
     
     
  • Möglichkeit 2:
     
    Dunkle Materie könnte aus Teilchen bestehen, die wir noch nicht kennen. Nennen wir sie DM-Teilchen. Sie müssten

       
    • massereich und stabil sein
       
    • und dürften keinerlei Ladung tragen (weder elektrische Ladung noch Farbladung im Sinne der QCD).

     
    Man stellt sich das so vor:
     
    Als das Universum noch sehr heiß und sehr dicht war, gab es recht häufig Kollisionen aller möglichen Teilchen, aus denen dann auch solche hervorgingen, die deutlich energiereicher waren als die von uns heute beobachteten.
     
    Als Folge der Ausdehnung des Raumes kühlte das Universum sich dann ab, so dass Kollisionen dann immer seltener die Kraft hatten, die schweren DM-Teilchen zu erzeugen. Da man annimmt, sie seine stabil, konnten sie dann nur noch durch Annihilation (sehr heftigen Zusammenprall) ausgelöscht werden. So ein Zusammenprall aber wurde immer unwahrscheinlicher, so dass DM-Teilchen dann — grob gesprochen — irgendwann weder zerstört noch neu geschaffen wurden. Physiker nennen das einen » Freeze out «.
     
    Die theoretische Physik kann die nach diesem (bisher nur hypothetischen) Freeze-out verbliebenen Reste berechnen und so die Menge der im heutigen Universum noch vorhandenen DM-Teilchen hinsichtlich ihrer physikalischen Eigenschaften vorhersagen. Man kommt so zum Ergebnis, dass DM-Teilchen über die schwache Kraft wechselwirken und eine Masse im Bereich von 0.1 bis 1 TeV haben sollten. Vertreter dieser Theorie nennen sie daher WIMPs weakly interacting massive particles «). Der LHC im CERN scheint gerade noch stark genug, sie zu entdecken.
     
    Für diese Theorie spricht, dass, falls unsere Welt supersymmetrisch sein sollte, die für diesen Fall vorhergesagten Neutralinos Kandidat für DM-Teilchen sein könnten:
     
    Ein WIMP nämlich ist einem Neutralino recht ähnlich, sollte aber auch deutlich mehr Masse haben — vermutlich bis hin zum 100-fachen einer Protonenmasse.
     
    Wie Neutrinos durchdringen WIMPs die Erde fast ohne jeden Zusammenstoß mit deren Teilchen. Die Bezeichnung » Dunkle Materie « wäre dann irreführend, denn dunkle Körper absorbieren Licht, ohne welches zu emittieren.
     
    Obgleich weit mehr dunkle als gewöhnliche Materie zu existieren scheint, wären WIMPs sehr dünn verteilt: In jedem Qubikkilometer Raum um uns herum erwartet man etwa ein halbes Milliardstel Gramm dunkler Materie. Sie umgibt uns wie eine Art extrem schwacher Geruch.
     
    Mit ihrer hohen Geschwindigkeit von etwa 1 Million km/h würden WIMPs, wenn sie mit einem Atomkern kollidieren, etwas Energie abgeben. Die aber ist so gering, dass man einen 1018 Tonnen (= 1% der Mondmasse) schweren Detektor bauen müsste, um mit der Stärke dieser Strahlung eine herkömmliche 100-Watt-Birne zu betreiben.
     
    Man sucht WIMPs deswegen mit Vorrichtungen tief unter der Erde, muss die Detektoren aber auch dort gegen die natürliche Radioaktivität des Felsgesteins abschirmen, da die deutlich intensiver ist als das erwartete Signal dunkler Materie. Mehr dazu in Kirko Stimmer: Suche nach WIMPs.
     
    Die Vermutung, dunkle Materie bestehe aus WIMPs, stützt u.A. eine Beobachtung aus 2015.
     
     
  • Möglichkeit 3: Bisher unbekannte große Gaswolken
     
    Am 18.4.2015 registrierte das Parkes-Radioteleskop in Australien einen nur eine Millisekunde andauernden Ausbruch von Radiostrahlung im All.
    Es war schon das 17. Mal, dass so ein Radioblitz beobachtet wurde. Bisher aber wusste niemand, woher sie kamen. Weil sie nur extrem kurz andauern, wurden sie oft erst Monate oder Jahre später in aufgezeichneten Daten entdeckt.
     
    Dieses Mal aber haben die Astronomen in Australien Kollegen auf der ganzen Welt sofort benachrichtigt, und so kam es, dass von mehreren Erdteilen aus sechs Tage lang ein Nachglimmen des Blitzes beobachtet werden konnte. Dies hat dazu geführt, dass man feststellen konnte: Der Blitz kam aus einer von uns etwa 6 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie. Er könnte entstanden sein bei einem Zusammenstoß zweier Neutronensterne.
     
    Noch interessanter: Die Astronomen konnten feststellen, dass die Strahlung auf dem Weg zu uns gebrochen wurde. Und so entdeckten die Forscher bisher unbekannte heiße Gaswolken zwischen uns und der Galaxie, aus der der Blitz kam. Die Dichte dieser Wolken passt zur bislang vermissten Materie.
     
    Quelle: Christian Endt: Astronomen finden verborgene Materie, SZ vom 26.2.2016

 
 
Quelle i.W. Gian Francesco Giudice: Qdyssee im Zeptoraum — Eine Reise durch die Physik des LHC, Springer 2012, S. 304-312.


 


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