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D i s k u s s i o n



 Beitrag 0-85
Interessante Zahlen über Gesundheitsvorsorge

 
 

 
Interessante Zahlen über Gesundheitsvorsorge

 
 
Wenn sich 10.000 Raucherinnen in der Altersgruppe zwischen 30 und 40 Jahren regelmäßig (also jährlich) einer ärztlichen Untersuchung auf Früherkennung von Brustkrebs unterziehen, sterben — statistisch gesehen — statt 300 nur 297 dieser Frauen an Brustkrebs.
 
Würden sie stattdessen im Alter von 30 Jahren das Rauchen aufgeben, stürben statt 300 nur etwa 150 an Brustkrebs.
 
 
Wo also die Mammographie 3 Frauen aus jeweils 10.000 rettet, würde der Verzicht auf Nikotin ganze 150 retten (!).

 
 
Eine Mammographie kostet zwischen 25 und 50 EUR/Jahr, eine Schachtel Zigaretten aber zwischen 3,25 und 4,25 EUR (was bei 1 bis 2 Schachteln pro Tag im Jahr zwischen 600 und 1500 EUR sind).
 
 
 
Von 1000 Frauen im Alter von 55 Jahren werden ohne jährliche Früherkennungsuntersuchung 990 ihren 65. Geburtstag erleben, mit solcher Untersuchung sind es 992.
 
Diese Aussage basiert auf eher optimistischen Schätzungen, nach denen regelmäßiges Screening die Sterblichkeit um 25% (= 2.5 aus je 10 von 1000) zu reduzieren geeignet ist. Wir sehen: Bei 998 von 1000 Frauen macht die jährliche Früherkennungs-Untersuchung keinen Unterschied.
 
Das ist u.A. auch deswegen so, da sie die Erkrankung ja nicht verhindern kann, sondern nur hilft, sie frühest möglich entdecken (so dass die Heilungschancen größer sind).
 
 
Über Risiken und Nebenwirkungen wird meist nicht gesprochen, obgleich sie bei der Mammographie evident sind:
  • Es kommt ja zu einer Strahlenbelastung.
     
  • Auch die Gefahr einer positiven Fehldiagnose ist gegeben (bei einer einmaligen Untersuchung müssen 5% der Frauen damit rechnen).
     
  • Zudem kann allein schon die Angst vor der Erkrankung eben sie herbeiführen.
     
  • Und nicht zuletzt sind es die Ärzte, die diese Angst herbeiführen. Im Jahre 2007 war sogar ein Gestz vorgeschlagen worden, eine Pflicht zur Teilnahme an Krebsfrüherkennungsmaßnamen zu etablieren.

 
Bisher  k e i n e n  Nachweis für nennenswerte Wirksamkeit der Voruntersuchungen gibt es für Lungen-, Magen, Nieren-, Prostata- und Bauchspeicheldrüsenkrebs.
 
Mammographie und regelmäßige Untersuchung der Gebärmutter dagegen können die Sterblichkeit reduzieren.
 
Was Darmkrebs betrifft, so wird man 66 Personen untersuchen müssen, um 1 zu retten ( für die anderen 65 ergibt sich kein Unterschied, ganz gleich, ob sie erkranken oder nicht ).
 
Wo sich infolge von Hautkrebs Fernmetastasen an inneren Organen ergeben, wird der Patient mit Sicherheit bald (und wahrscheinlich qualvoll) sterben. Da man ihm das nicht so direkt sagen möchte, wird er dennoch behandelt — was mit dazu beiträgt, ihm für den Rest seines dann nur noch kurzen Lebens Lebensqualität zu nehmen.
 
 
Etwas komplizierter liegen die Dinge bei chronischen Erkrankungen (das sind solche, die Behandlung bis ans Lebensende erfordern):
 
Wenn man 100 Menschen mit erhöhtem Blutdruck dagegen behandelt, werden über einen Zeitraum von 10 Jahren statt 4 nur 3 daran sterben. Die Sterblichkeit wird also um 25% reduziert, was zunächst gut klingt. ABER:
 
 
Es bedeutet, dass 100 Personen mit Bluthochdruck bis an ihr Lebensende täglich Tabletten werden schlucken müssen
 
nur um alle 10 Jahre eine zu retten.

 
 
 
Quelle: Berthold Block: Krankgeheilt — warum wir Ärzten nicht alles glauben sollten, Verlag Artemis & Winkler (2010)
 
Der Autor — Dr. med. Berthold Block, geb. 1958 — arbeitet als Internist in eigener Praxis und ist Verfasser zahlreicher medizinischer Fachbücher.


 

 Beitrag 0-86
Wie — in Zahlen ausgedrückt — Sport die Lebenserwartung erhöhen kann

 
 

 
Lebenserwartung — heute und vor 150 Jahren

 
 
Die Lebenserwartung eines Kindes, das 1850 in Deutschland geboren wurde, lag bei 50 Jahren:
 
Nicht etwa deswegen, weil es damals nicht auch Leute gegeben hätte, die bis zu 100 Jahren alt wurden, sondern vor allem deswegen, weil damals sehr viele Personen recht früh — oder gar noch im Kindesalter — starben: Nur jeder zweite wurde älter als 50 Jahre.
 
Heute ist das anders: Etwa 95% aller, die es geschafft habe, wenigstens 2 Jahre alt zu werden, werden mindestens 50 Jahre alt. Erst ab etwa 65 steigt das Risiko, noch in Jahresfrist zu sterben, schnell an (um sich dann, so etwa ab einem Alter von 90 Jahren — wieder zu reduzieren).
 
 
 
Wie nun verhält es sich mit dem Nutzen körperlicher Aktivität?

 
Für Menschen, deren motorischer Kalorienverbrauch unter 3500 kcal/Woche liegt (d.h. für solche, die nicht überaus  e x t r e m  sportlich tätig sind) gilt:
 
Je mehr sich jemand regelmäßig bewegt, desto älter wird er werden.

 
 
Frägt sich nur: In welchem Ausmaß?
 
Betrachten wir dazu eine Frau, die nicht besonders sportlich, aber täglich doch gut in Bewegung ist. Sie verbrennt pro Woche etwa 600 kcal, was ihr relatives Risiko, vorzeitig zu sterben, im Vergleich zu jemand, der z.B. für den Rest seines Lebens bettlägrig ist — sich also kaum bewegt —, auf 0.8 reduziert.
 
Würde sie jetzt noch regelmäßig ins Fitness-Studio gehen und Nordic Walking machen — Sport, der einem Durchschnittsmenschen über vielleicht 20 Jahre hinweg gerade noch machbar erscheinen mag —, so würde sie etwa 1500 kcal/Woche verbrennen und damit ihr relatives Risiko, vorzeitig zu sterben, auf 0.6 reduzieren.
 
Nebenbei: 1 Std. Radfahren verbraucht nur etwa 100 kcal. Wir unterstellen also, dass sie sich so in etwa pro Woche zu 12 Stunden Radfahren zwingt.
 
Nun ist es aber so, dass für eine etwa 45 Jahre alte Frau mit BMI = 28, die weder raucht noch an einer Krankheit leidet, deretwegen sie ständig Medikamente nehmen sollte, das Risiko, in den nächsten 10 Jahren an einer Herz- oder Kreislauferkrankung zu sterben, bei 2% liegt [siehe PROCAM-Studie].
 
Wenn sie nun also durch regelmäßigen Sport ihr  r e l a t i v e s  Risiko von 0.8 auf 0.6 (sprich: um 25%) reduziert, so sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie in den nächsten 10 Jahren an Herzversagen stirbt, von 2% auf 1.5%.
 
Und so denke ich mir:
 
Regelmäßig ein Fitnessstudio aufzusuchen oder sich durch stundenlanges Joggen zu quälen lohnt sich nur, wenn man wirklich Spaß dran hat.
 
Um gesund zu bleiben, braucht man sich so was nicht wirklich anzutun: Dazu ist (ungeliebter) Sport einfach zu wenig effizient.

 
 
 
Quelle: Berthold Block: Krankgeheilt — warum wir Ärzten nicht alles glauben sollten, Verlag Artemis & Winkler (2010)
 
Der Autor arbeitet als Internist in eigener Praxis und ist Verfasser zahlreicher medizinischer Fachbücher.