Quantenzustand und Hilbertraum
Einer der wichtigsten Begriffe der Quantenphysik ist der der
Observablen (womit eine beobachtbare physikalische Größe gemeint ist).
Auch was man unter einer quantenphysikalischen
Messung versteht, will gut verstanden sein:
In der Sprache der Quantenphysik ist mit jeder Messfrage ein Operator verbunden, und die möglichen Zustände nach der Messung — jene also,
die
auch aus der Sicht der k l a s s i s c h e n Physik eintreten können —, werden stets
Eigenzustände des Operators sein.
Genauer:
In Heisenbergs Matrizenarithmetik entspricht jede Observable einer Matrix und jeder Quantenzustand einem Vekor in einem Hilbertraum, der
— je nach Komplexität des betrachteten Quantensystems — beliebig viele Dimensionen haben kann (auch unendlich viele:
Hat man ein Quantensystem, so wird sich der ihm zugeordnete Hilbertraum als das Tensorprodukt der Hilberträume der einzelnen Quanten
darstellen).
Multiplikation eines Quantenzustandes mit einer Matrix (man sagt: einem
Operator) modelliert Zustandsübergang.
Die Komponenten der Vektoren und Matrizen sind komplexe Zahlen.
Wenn ein Operator mit einem Vektor multipliziert wird, kann es vorkommen, dass der sich ergebende Vektor sich vom ursprünglichen nur in seiner Länge unterscheidet.
Man nennt diesen Streckfaktor dann einen Eigenwert des Operators.
Als Observable zugelassen sind nur Operatoren, die ausschließlich reelle Eigenwerte haben.
Präziser gesagt:
Nur jeder selbstadjungierte Operator entspricht einer Observablen.
Da Matrizenmultiplikation nicht kommutativ ist,
macht es (im Ergebnis) sehr wohl einen Unterschied, in welcher Reihenfolge man Observable beobachtet.
Unter komplementären Observablen versteht man solche, deren Operatoren nicht miteinander kommutieren.
Es kann dann kein Messapparat existieren, mit dessen Hilfe die entsprechenden beiden physikalischen Größen gleichzeitig erfragbar wären.
Beispiele: Komplementär zueinander sind Ort und Impuls, Energie und Zeit, aber auch unterschiedliche Komponenten des Drehimpulses.
Die meisten Experimente in der Quantenphysik werden nicht mit einzelnen Teilchen (z.B. Atomen) durchgeführt, sondern mit einer großen Menge
gleicher oder unterschiedlicher Teilchen. So verwendet man z.B. für den Nachweis des Photoeffekts nicht ein einzelnes Photon, sondern
einen Lichtstrahl aus unzähligen Photonen.
Nun kann es aber durchaus sein, dass alle diese Teilchen sich im selben Zustand befinden.
In diesem Fall — so fordert die Quantenphysik — müssen sie wie ein einziges Quantenobjekt behandelt werden (was die Dimension des
Hilbertraumes drastisch reduziert).
Das Verhältnis zweier Zustände eines Quantensystems wird durch Projektionswahrscheinlichkeiten beschrieben:
Wenn beispielsweise ein in einen Polaristator einlaufendes Photon einen Zustand hat, der senkrecht auf dem des Polarisators steht, wird seine "Projektion"
auf den vom Polarisator geforderten Zustand Null sein.
Ein Quantensystem Q ist durch eine gewisse Anzahl von Basiszuständen Z genau dann vollständig beschrieben,
wenn sie zueinander orthogonal sind
und die Summe der Projektionswahrscheinlichkeiten p(Q,Z) exakt 1 ist.
Z u s a m m e n f a s s u n g :
- Der Zustand eines Quantensystems ist beschreibbar durch eine Richtung im Hilbertraum (d.h.
durch eine Gerade, welche durch den Ursprung führt
(genauer: durch die vom Nullvektor verschiedenen Elemente eines Teilraumes,
der — wie etwa eine Polarisationsebene — auch mehr als nur eine Dimension haben kann).
Als normierte Darstellung eines Zustandsvektors Z gilt die Strecke s(Z), die Durchschnitt dieser Geraden mit dem Inneren der 1-Sphäre ist.
- Jede Messapparatur entspricht einem Operator mit einen reellen Eigenwert.
- Die Projektionswahrscheinlichkeit — d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass ein im Zustand Z auf die Messapparatur treffendes Quantensystems hierdurch
den von der Messapparatur geforderten Zustand bekommt —
ist gegeben durch L/2 , wo L die Länge der Projektion der Strecke s(Z) auf den Eigenraum der Messapparatur bezeichnet.
Mit anderen Worten: Sie ist gegeben durch cos2(φ) , wo φ der Winkel zwischen den Vektoren oder Ebenen ist, die den Zustand
der Messapparatur bzw. den des Quantensystems v o r der Messung beschreiben.
Entsprechend einer Konvention, die sich eingebürgert hat, nennt man Zustandsvektoren oft
ψ und schreibt sie
entweder als Zeilenvektor
<ψ| (Bra-Vektor) oder als Spaltenvektor
|ψ> (Ket-Vektor).
Vorsicht aber: Die Komponenten des Bra-Vektors sind konjugiert komplex zu denen des Ket-Vektors, so dass
<ψ|φ> das Skalarprodukt von ψ und φ bezeichnet.
Insbesondere besteht die Diagonale der Matrix
<ψ|ψ> nur aus reellen Zahlen, deren Summe 1 ist. [Jeder Zustandsvektor ψ
gilt als so normiert, dass sein Endpunkt im Hilbertraum auf der 1-Sphäre liegt. Die Zahlen in der Diagonale der Matrix sind deswegen die
Projektionswahrscheinlichkeiten auf die Basisvektoren des Hilbertraums.]
Fragen ...
Die Dimension des Hilbertraumes eines Quantensystems ist gegebene durch die Tatsache, dass er aufgespannt sein muss durch die Menge aller Vektoren, die
Eigenvektor wenigstes eines Operators sind, der einer denkbaren Messapparatur entspricht und wenigstens einen reellen Eigenwert hat. Die solchen
Eigenwerten zugeordneten Eigenräume nennt man
die dem Quantensystem möglichen Zustände.
Betrachtet man eine Menge Q nicht miteinander verschränkter Quanten, so ist der Hilbertraum von Q isomorph
zum Tensorprodukt (dem kartesischen Produkt) der Hilberträume der einzelnen Quanten.
Mehr zu diesem Thema — u.A. auch eine Beweis für Heisenbergs Unschärferelation — findet sich in einem
Vorlesungsskript von
K. Fritsche.