Nichts





Über nichts und das absolute Nichts

   


Wellen und Quantenradierer — eigentlich gar nichts Geheimnisvolles!

   





D i s k u s s i o n


  Beitrag 1149-106
Kann man das Nichts als eine Art Existenzfeld sehen?

 
 
Stueps aus 1149-1:
 
Hiermit postuliere ich etwas völlig Neues, nämlich ein "Existenzfeld".

Es hat folgende Eigenschaften: Es ist in sich geschlossen, und impliziert sich somit auch selbst (es hat schließlich diese Eigenschaft). Es braucht keine Zeit und keinen Raum.
Da es komplementär zur Nichtexistenz steht, steht es (dann auch gezwungenermaßen "in sich") unter Spannung. Der ständig versuchte Spannungsausgleich führt dann zu Erscheinungen wie Kräften, Strings, Quarks u.s.w.

Es wird ja in der Wissenschaft oft so gehandhabt, dass Felder zur Erklärung für irgendwelche Erscheinungen postuliert werden. Also hab ich einfach mal ein Feld für die Existenz postuliert.

Ich seh grad selbst nicht mehr durch (hab ja nicht gesagt, dass es einfach ist), bin aber mal gespannt auf eure Überlegungen.
 


Hallo Stueps,

die Physik versteht unter einem Feld eine Funktion, die jedem Punkt im Raum (oder gar jedem Punkt der Raumzeit) etwas zuordnet, das man als Wert einer bestimmten physikalischen Größe in diesem Punkt zu sehen hat. Dieser Wert kann ein Skalar sein oder ein Vektor, womit er dann selbst ein- oder mehrdimensional ist.

Das bedeutet:
  • Der Begriff Feld ist ohne einen als existent angenommenen Raum gar nicht denkbar.
  • Ein über einem Raum R definiertes Feld F erweitert den Raum um ebensoviele Dimensionen, wie die Werte des Feldes haben.
    Mit anderen Worten: Ein Feld ist etwas, das einen existierenden Raum um wenigstens eine Dimension erweitert. Sind n und m die Dimensionen von R einerseits und der potentiellen Bildmenge F(R) andererseits, bilden R + F eine n+m-dimensionale Fläche im erweiterten Raum.
    Ist F konstant Null, so ist R + F der absolut leere Raum R (hinsichtlich dessen, was F zu messen da ist).

Solltest Du jetzt auf die Idee kommen zu glauben, man könne das Nichts als einen 0-dimensionalen Raum R sehen, so wäre auch das nicht richtig: Ein Raum ohne Dimensionen ist immer noch ein Punkt, und der ist mehr als nichts.

Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 1149-130
Denkbares bewertet durch Existenzwahrscheinlichkeit

 
 
Hallo Stueps,

ich frage mich immer noch, was sich hinter deinem Konzept » Existenzfeld « denn eigentlich verbirgt.

Dass Du das Wort "Feld" verwendest, scheint mir — wie ich in 1149-106 ausführlich begründet habe — eher wegzuführen von dem, was dir da wirklich vorschwebt.

Nachdem Du jetzt in Beitrag 1149-129 sagst, dass für dich der von Thomas angesprochene "Rand der Existenz" die  M ö g l i c h k e i t  der Existenz ist — die, wie ich mal annehme,  q u a n t i f i z i e r b a r e , d.h. mit einer Wahrscheinlichkeit  b e w e r t b a r e  Möglichkeit —, könnte es der Klarheit dienen, wenn du das Wort "Existenzfeld" ersetzt durch "Existenzwahrscheinlichkeit".

Kurz: Ich vermute jetzt, dass — was dir da als "Existenzfeld" vorschwebt — eine Art Abbildung ist, die allem Denkbaren die Wahrscheinlichkeit seiner Existenz zuordnet.
Könnte ich damit recht haben?

Gruß, grtgrt


Existenzwahrscheinlichkeit  im so präzisierten Sinne
  • wäre — wie auch ein Feld — eine Bewertung, die gewissen Dingen (in deinem Fall allen  d e n k b a r e n  Dingen, im Fall des Feldes allen Punkten eines Raumes) eine quantifizierte Eigenschaft zuordnet.
  • Sie würde — wie Du in Beitrag 1149-1 als wesentlich forderst — weder Zeit noch Raum erfordern.

Wir hätten damit einen Begriff, der  a n a l o g  zum Feldbegriff definiert wäre, der alle von dir geforderten Eigenschaften hätte, und der dennoch mich (und vielleicht auch andere) nicht dadurch verwirren würde, dass er vorgibt, ein Feld zu sein.

 

  Beitrag 1149-98
Alles, etwas, nichts, und das Nichts

 
 
Bauhof aus 1149-97:
 
Man kann nur etwas mit etwas erklären, aber nichts kann man nicht mit etwas erklären. Alle deine Beispiele liefern keine saubere Definition des Begriffs nichts. Versuche doch eine akzeptable Definition des Begriffs nichts. Dann wirst du merken, dass das nicht geht. Das nichts ist eben nicht das Gegenteil von etwas.


Das sehe ich anders:

Keiner der beiden Begriffe etwas bzw. nichts wird durch irgend eine formale Theorie definiert (sicher nicht durch die Mathematik).

Man kann diese Begriffe deswegen nur rein umgangssprachlich definiert sehen — womit dann aber tatsächlich
  • nichts das Gegenteil von etwas ist und
  • etwas das Gegenteil von nichts.

Und das Nichts (als Hauptwort) bezeichnet einfach die Abwesenheit von etwas.

 

  Beitrag 1149-104
-

 
 
Henry aus 1149-100:
 
Es wird übersehen, dass nichts nicht dasselbe ist wie das Nichts, und um das Nichts geht es, ...

Das umgangssprachliche "dort ist nichts", oder "im Tank ist nichts", bedeutet die Abwesenheit von bestimmten, erwarteten Objekten, es bedeutet aber nicht, dass dort ... tatsächlich nichts ist, und schon gar nicht, dass dort das Nichts ist, denn an dem Ort, an dem "nichts ist", finden wir vielleicht das Buch nicht, das wir auf dem Regal gesucht haben, aber es ist mit Sicherheit irgendetwas dort, der Ort auf dem Regal existiert, selbst wenn der Platz leer ist, und im Tank ist z. B. immer noch Luft.

Kurz: in diesem Sinne bedeutet nichts die Abwesenheit von etwas in einer physikalischen Welt, es setzt die Existenz der Welt voraus.
 


Hallo Eugen,

zunächst mal sei festgestellt:

Was Hans-m in Beitrag 1149-99 als Definition der Begriffe nichts, etwas und alles gibt, scheint mir perfekt: Man kann es nicht besser sagen.


Dass nichts einerseits und das Nichts andererseits keineswegs dasselbe sind (wie Henry sagt), finde auch ich.

Sein letzter Satz (im Zitat oben) scheint mir (als Definition) voll kompatibel mit meiner letzten Aussage in Beitrag 1149-98 (die das Nichts zu definieren sucht).

Soweit also scheinen wir uns schon einig zu sein.


Dennoch finde ich, dass das Nichts (als das, was wir damit meinen) so nur unvollkommen definiert ist und eine wirklich vollkommene Definition wohl gar nicht existiert. Ein Grund hierfür mag sein:


Das absolute Nichts entzieht sich unserer Denkwelt,

denn auch sie existiert dort ja nicht.


Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 1149-109
Das absolute Nichts wohldefiniert zu haben ist nicht möglich

 
 
Grtgrt aus 1149-104:
 
... finde ich, dass das Nichts (als das, was wir damit meinen) so nur unvollkommen definiert ist und eine wirklich vollkommene Definition wohl gar nicht existiert. Ein Grund hierfür mag sein:


Das absolute Nichts entzieht sich unserer Denkwelt,

denn auch sie existiert dort ja nicht.

 


Man könnte es auch so sagen:

Hätten wir das Nichts erfolgreich definiert, wäre es — wenigstens als Begriff — existent. Daraus würde folgen: Das Nichts existiert und ist somit etwas (im Widerspruch zu seiner Definition). Damit scheint mir bewiesen zu sein:


Das absolute Nichts ist kein Begriff, der wohldefiniert sein kann.


 

  Beitrag 1149-110
Das absolute Nichts wohldefiniert zu haben ist unmöglich

 
Grtgrt aus 1149-109:
Man könnte es auch so sagen:

Hätten wir das Nichts erfolgreich definiert, wäre es — wenigstens als Begriff — existent. Daraus würde folgen: Das Nichts existiert und ist somit etwas (im Widerspruch zu seiner Definition). Damit scheint mir bewiesen zu sein:


Das absolute Nichts ist kein Begriff, der wohldefiniert sein kann.


 

Hallo Grtgrt,

auch damit bin ich einverstanden.

M.f.G. Eugen Bauhof
 

  Beitrag 1149-133
Der allumfassende Kosmos — ist er eine logische Unmöglichkeit?

 
 
Henry aus 1149-132:
 
Da ich nicht davon ausgehe — und der Großteil der Physikergemeinde ebenfalls nicht —, dass der Kosmos aus dem Nichts entstand, sondern möglicherweise aus einer Fluktuation des Vakuums, ...
 


Das Problem mit dieser Argumentation ist:

Wenn der Kosmos nicht aus dem Nichts entstand, muss dieses Etwas, aus dem er entstand, sich ja selbst wieder der Frage stellen, wie es zu seiner Existenz kam.
Man wäre dann also keinen Schritt weiter ...


Nebenbei: Wenn man unter dem Kosmos wirklich alles versteht, was je war, muss man ja auch jenes Etwas als einen Teil des Kosmos betrachten.
So gesehen, kann der Kosmos eigentlich niemals entstanden sein (in dem Sinne, dass vorher gar nichts da war).

Den Begriff "Kosmos" widerspruchsfrei zu definieren scheint fast so unmöglich, wie es unmöglich ist, den Begriff der "Menge aller Mengen" wohldefinert zu haben.

 

  Beitrag 1149-139
Gibt es Wirkung ohne Ursache?

 
Stueps aus 1149-136:
Ein "einfach sein" - ohne weitere Annahme - widerspricht in meinen Augen jeder Logik, und das auf schlimmste anzunehmende Weise. Nachdem alles, aber auch alles der Kausalität verpflichtet ist, ohne jede Ausnahme. Ein einfach "Nichts" dagegen würde ich ohne Weiteres akzeptieren. Mir scheint Hawkings Annahme nur scheinbar logisch, ich vermute sogar einen Zirkelschluss.

Hallo Stueps,

nicht jedem Ereignis kann auch eine Ursache zugeordnet werden. Max Born schreibt dazu auf Seite 34 seines Buches [1] folgendes:

Zitat:
Die Unmöglichkeit, alle Daten eines Zustandes exakt zu messen, verhindert die Vorherbestimmung des weiteren Ablaufs. Dadurch verliert das Kausalitätsprinzip in seiner üblichen Fassung jeden Sinn. Denn wenn es prinzipiell unmöglich ist, alle Bedingungen (Ursachen) eines Vorganges zu kennen, ist es leeres Gerede zu sagen, jedes Ereignis habe eine Ursache.

Timothy Ferris sieht das ähnlich. Er meint sogar, dass das Ursache-Wirkungs-Modell könnte auch beim Ursprung des Universums versagen. Er schreibt dazu auf Seite 299 seines Buches [2] folgendes:

Zitat:
Ähnlich gibt es in der Quantenmechanik streng genommen keine Ursache für eine bestimmte Vakuumfluktuation, wie etwa die Fluktuation, die einige Varianten der Inflationstheorie als Motor der Schöpfung betrachten, sondern die Schwankungen ergeben sich statistisch. Ein strenges Ursache-Wirkungs-Modell könnte damit sowohl in der Quantenphysik als auch bei der Betrachtung des Ursprungs der Schöpfung versagen. Möglicherweise ist dies kein Zufall, sondern ein Hinweis darauf, dass das Quantenprinzip den Schlüssel zum Verständnis der Genesis birgt.

Wenn Begriff der Ursache in der Quantenmechanik nur eingeschränkt sinnvoll ist, dann ist m.E. wohl kaum sinnvoll, den Begriff der Ursache sogar auf das gesamte Universum anzuwenden.

M.f.G. Eugen Bauhof

[1] Born, Max
Physik im Wandel meiner Zeit.
Braunschweig 1983
ISBN=3-528-08539-8

[2] Ferris, Timothy
Chaos und Notwendigkeit.
Report zur Lage des Universums.
München 2000
ISBN=3-426-27078-1
 

  Beitrag 1149-153
Der Kosmos (in der weitesten Interpretation dieses Wortes)

 
 
Henry aus 1149-150:
 
"Kosmos" steht ursprünglich für das "Geordnete", als Gegensatz zum Chaos. Klar, ich verwende es synomym zu Universum und verstehe darunter all das, was innerhalb der Raumzeit physikalisch begreifbar ist, aber das sehe ich nicht aus eigener Definition heraus so, sondern das ist "kosmologisch-physikalischer Usus".


Nun, Henry,

du verwendest die Worte "Kosmos" und "Universum" synonym.

Die Stringtheorie lehrt mich, dass man das nicht tun sollte: Unser Universum (als Raumzeit) könnte eines unter sehr vielen sein, die parallel zueinander existieren.
Sie alle zusammen würden das bilden, was ich als "Kosmos" bezeichne.

Lisa Randall geht noch weiter: Sie vergleicht Universen im Sinne der Stringtheorie mit Quallen in einem großen Meer, das sie dann "Bulk" nennt.
Auch jener "Bulk" wäre Teil dessen, was ich als den "Kosmos" bezeichne":

Für mich ist der  K o s m o s  wirklich ALLES, was existiert ("anfassbar" oder auch nur rein gedanklich).


Beispiel und Konsequenz daraus:
  • Logiker haben gezeigt, dass die logische Welt, in der wir normalerweise argumentieren, keineswegs die einzige ist. So hat ein Hochschullehrer mir mal gesagt, dass ein gewisser Cohen — ein ganz berühmter Logiker — einen Kalkül, eine formale Logik also, konstruiert habe, unter der die Menge der rationalen Zahlen NICHT mehr abzählbar ist. Wer Cantors Diagonalverfahren kennt — seinen Beweis für die Abzählbarkeit der Menge aller rationalen Zahlen — dem wird klar, dass diese seltsame Logik, wenn es sie denn wirklich geben sollte, nicht verträglich sein kann mit der, die wir als Physiker oder Mathematiker sonst nutzen (und als Standardlogik sehen).
    Die Stringtheoretiker behaupten, dass schon in der Welt der Standardlogik etwa 10500 verschiedene Typen von Universen existieren könnten (so dass keine zwei dieser Typen exakt gleiches physikalisches Geschehen erlauben). 2005 wurde nachgewiesen, dass es sogar unendlich viele sind.
    Da muss man sich jetzt also doch einfach die Frage stellen, wie viele noch ganz anderer Typen von Universen und physikalischer Gesetze denn nun unter je einer Non-Standard-Logik existieren könnten.
  • Noch krasser: Es scheint nicht ausgeschlossen, dass es unendlich viele zueinander nicht äquivalent Non-Standard-Logiken gibt.
  • Der  K o s m o s  in meinem Sinne beinhaltet auch noch all das, was in allen nur möglichen  l o g i s c h e n  Welten existieren könnte (weil all dieser Logik ja Existenz zukommt — und sei es nur gedankliche).

Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 1149-148
Wie kam es zum existent-Werden der allerersten Ursache?

 
 
Stueps aus 1149-145:
 
Henry aus 1149-132:
 
Da ich nicht davon ausgehe ..., dass der Kosmos aus dem Nichts entstand, sondern möglicherweise aus einer Fluktuation des Vakuums, ist es durchaus annehmbar, die Existenz von Raum und Zeit als FOLGE dieser Fluktuation zu betrachten.

Hallo Henry,

Ich bin auch ein Befürworter dieser Annahme. Allerdings sehe ich in diesen Fluktuationen das stetige Bestreben, zwischen Nichts und Existenz auszugleichen.
 


An Stueps & Henry:

Ich persönlich sehe die Quantenfluktuation als DEN Motor der Schöpfung — allerdings nur, soweit Schöpfung  i n n e r h a l b  unseres Universums passiert.

Versteht man unter dem Kosmos ALLES, was existiert, gibt es keine Umgebung, in der Quantenfluktion oder etwas dazu Analoges vorhanden sein könnte.
Selbst wer anderes denkt, wird sich dann fragen müssen, wie es zu solcher Fluktuation von was auch immer kam.

Kurz: Wie man auch denkt,


es bleibt immer die scheinbar unauflösliche Frage nach der Existenz (dem existent-Werden)

der  a l l e r e r s t e n  Ursache.


Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 1995-31
Zur Wechselwirkung makroskopischer Objekte mit auf sie treffenden Quanten

 
 
Sehr treffend finde ich, was Norbert Hinterberger in einem Leserbrief an die Zeitschrift "Spektrum der Wissenschaft" sagt:

Zitat von Norbert Hinterberger, Hamburg:
 
Der Teilchenbegriff ist vermutlich rein subjektiv – intersubjektiv zwar, aber eben subjektiv für den Teil der Welt, den wir klassisch sehen.

H. Dieter Zeh hat dazu wiederholt in überzeugender Weise argumentiert.

Der Welle-Teilchen-Dualismus scheint physisch diskret nicht vorhanden zu sein. Objektiv beziehungsweise physisch fundamental scheint nur die Welle zu sein.

Unter Laborbedingungen (ohne Dekohärenz) lässt sich das ja auch deutlich zeigen, wie wir hier – insbesondere in dem kleinen Film – sehen. Das Molekül wird von den Experimentatoren selbst als Materiewellenüberlagerung beschrieben, sobald wir seine Welleninterferenzen auf dem Schirm sehen. Warum lassen wir es nicht dabei?

Was uns an dieser Welle erscheint wie ein "Kollaps der Wellenfunktion" zu einem "Teilchen" an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit im Fall einer Messung, ist einfach die inzwischen recht bekannte Tatsache, dass wir mit der Messung wie mit jeder beliebigen anderen Wechselwirkung auch das zu messende System stören oder zerstören beziehungsweise zur Dekohärenz bringen.

Das heißt aber nicht, dass die Superposition » kollabiert «. Im Gegenteil: Sie ist jetzt in einer noch großräumigeren Verschränkung definiert.
 


Nebenbei: Dass Laborbedingungen Dekohärenz ausschließen können, ist natürlich nicht wirklich richtig, denn vor Neutrinos etwa kann uns wohl kein noch so gutes Labor abschirmen.

Dies bringt mich auf noch einen anderen Gedanken:

Wo ein Quantensystem von Bosonen durchquert wird, werden entsprechende Elementarereignisse es wohl nur umbauen. Zu Dekohärenz – im Sinne einer Verschränkung des Objekts mit seiner Umgebung – kommt es wohl erst dann, wenn das Objekt mit  F e r m i o n e n  kollidiert.

grtgrt
 

  Beitrag 2076-1
Wo endet eine eloktromagnetische Welle? Und wo überall existiert sie?

 
 

Nach meinem bisherigen Verständnis ist eine elektromagnetische Welle
  • einerseits eine sich ausbreitende Potentialschwankung (= eine Schwankung der Potentialhöhe im elektromagnetischen Feld des Universums vergleichbar mit der Schwankung des Wasserpegels, die in einem ruhenden See entsteht, wenn man die Wasseroberfläche mal kurz antippt),
  • andererseits aber ist sie auch eine Energieportion, deren Größe sich aus der Frequenz der Welle errechnet. Als solche ist sie Wirkungspotential, das sich nur ganz oder gar nicht abbauen kann (wobei man jedem Ort die Wahrscheinlichkeit zuordnen kann, mit der es sich dort abbauen wird).

So weit, so gut.

Spannend aber wird es, wenn man sich frägt, wo eine solche Welle — als Potentialschwankung des elektromagnetischen Feldes — denn eigentlich endet für den Fall, dass die Welle durch eine Einzelphotonenquelle erzeugt wurde und sich als Wirkungspotential noch NICHT abgebaut hat.

Wo bitte ist das Ende dieser Welle, deren Anfang (bzw. deren Front) sich von der Quelle mit Lichtgeschwindigkeit entfernt?
Kann mir das jemand sagen?


Versuch einer Antwort:

Der Vergleich mit einer Wasserwelle hinkt (in diesem Fall wenigstens), da das Antippen der Wasserobefläche ein makroskopischer Vorgang ist, der einen gedämpften Ozillator startet. Die Dämpfung bewirkt, dass jene Wasserwelle  l a n g s a m   erstirbt.

Wo eine Einzelphotonenquelle ein Photon aussendet, wird ja wohl in einem ihrer Atome ein angeregtes Elektron zurück in einen weniger energiereichen Zustand fallen, und die Energiedifferenz wird das so auf die Reise gesandte Energiepaket. Da dieser Vorgang aber — wie die Quantenphysiker meinen — instantan ist, also keinerlei Zeit in Anspruch nimmt, müssten in diesem Fall Wellenfront und Wellenende stets gleich weit von der Lichtquelle entfernt sein.


Wenn das stimmt, wäre der Ort, an dem sich das Photon nach t sec befindet,

die Menge aller Punkte, die auf irgend einem Pfad liegen, den das Licht nehmen konnte,
und die — auf diesem Weg gemessen — von der Lichtquelle den Abstand  (t sec) • c  haben.

Es wäre dann also genau so, wie Feynman sagte: Das Photon nimmt  j e d e n  ihm möglichen Weg.



PS: Dass das Photon als Welle keine Ausdehnung in Richtung Lichtquelle hat, gilt für jeden einzelnen Zeitpunkt (aber natürlich nicht über die Zeit hinweg). Ganz anders bei einer Wasserwelle: Bei ihr können Wellentäler und Wellenberge gleichzeitig eintreten.

PS: Dass das Photon mit sich selbst interferieren kann, liegt einfach daran, dass es — wegen am Rand von Hindernissen eintretender Beugung der Welle — auch Wege geben kann, die sich  k r e u z e n  (siehe z.B. das Doppelspalt-Experiment). Auch geeignet gesetzte Spiegel können zu sich kreuzenden Wegen ein und desselben Photons führen.
 

  Beitrag 2073-1
Zu Messprozess, Beobachter und Beobachtung (= Messergebnis)

 
 

Wie die Kopenhagener Deutung

im Lichte heutiger Erkenntnis verstanden werden muss



Der » Beobachter « beim Messprozess (im Sinne der Quantentheorie) braucht kein Mensch zu sein, muss aber physikalisch sein:
Er ist ein Objekt B, welches mit dem beobachteten Objekt X kollidiert in dem Sinne, dass jene Kollision eine Spur hinterlässt. Diese Spur zu betrachten ist notwendig, das Messergebnis zu erkennen.

Jede solche Interaktion modifiziert B und X, kann X aber sogar zerstören.

Sie bedeutet Umkonfiguration aller B und X enthaltenden Quantensysteme in dem Sinne, dass sich deren Wellenfunktion ändert.

Die Kopenhagener Deutung nennt das — schon damals eher irreführend — den » Kollaps der Wellenfunktion des beobachteten Objekts X « und sieht ihn als Herstellen des Zustand von X, den das Messergebnis uns signalisiert. VORSICHT also: Das Wort » Kollaps « allzu wörtlich zu nehmen, führt am richtigen Verständnis der Situation vorbei (!).

Nebenbei: Die von der Interaktion an B hinterlassene Spur kann makroskopische Ausdehnung haben, da die Interaktion Quanten erzeugen kann, die selbst wieder mit B kollidieren und so in einer Kettenreaktion weiter Modifikation von B zur Folge haben. Genau deswegen denkt man z.B. auf dem Schirm hinter den beiden Spalten des Doppelspalt-Experiments die beobachteten Quanten als schwarze Punkte zu erkennen (eine Fiktion, denn tatsächlich nimmt man hier nur den neuen Zustand der lichtempfindlichen Fläche wahr, mit der X interagiert hat: eine Spur also, die letzlich Spur einer Kettenreaktion ist und uns nur deswegen ohne Mikroskop sichtbar oder über einen Lautsprecher hörbar wird).


Historische Notiz:

Was sich hinter der Sprechweise der Kopenhagener Deutung (und vielen anderen Äußerungen von Bohr) so ganz genau verbirgt, wurde erst im Laufe der Zeit — über Jahrzehnte hinweg — klar. Möglicherweise war es ihm selbst zunächst nicht so ganz klar.

Einstein hat mal provokativ gefragt, ob die Wellenfunktion eines Objekts X schon dann kollidiere, wenn nur eine Maus das Objekt betrachtet. Everett aber wusste (etwa 1955) schon ganz genau, dass Beobachter in jenem Sinne wirklich jedes mit X interagierende physikalische Objekt ist.

Dass die Punkte auf der Photoplatte hinter einem Doppelspalt nicht einzelne Photonen zeigen, sondern stattdessen jeweils Spur einer Kettenreaktion sind, die an der Stelle stattfand, an dem ein Photon mit der Photoplatte in Interaktion trat (und so diese Kettenreaktion in Gang gesetzt hat), macht sich selbst heute noch nicht jeder klar.


Heute jedenfalls spricht alles dafür zu sagen:


Quanten sind ihrer Natur nach Wellenpaket und Energieportion, aber niemals Partikel im klassischen Sinne.


Wo uns ein Quant als Partikel (als sog. "Teilchen")  e r s c h e i n t , ist das reine Fiktion: Was wir dann nämlich tatsächlich wahrnehmen ist Spur einer Interaktion des Quants mit einem "Beobachter" im oben definierten Sinne. Solche Spur findet sich an der Stelle — und um sie herum —, an der die Interaktion stattfand, d.h. den Zustand des Quants gesetzt, bestätigt oder verändert hat, oder wo das Quant als Energieportion im Beobachter komplett aufging unter Aufgabe seiner eigenen Existenz.


Lokalisierbar ist nicht das Quant, sondern nur die Stelle, an der es entstand oder Wirkung hatte.


An welchem Ort ein Quant Wirkung haben wird ist nur mit ortsabhängiger Wahrscheinlichkeit vorhersagbar.

Das entsprechende Wahrscheinlichkeitsfeld ist durch das Quadrat der Wellenfunktion des Universums gegeben
( sowie approximativ durch die Wellenfunktion eines Quantensystems, zu dem das Quant selbst und eine geeignete Messapparatur sich zusammenfügen ).


Quanten als lokalisierbare Objekte zu sehen ist ebenso falsch wie zu glauben, das Verschwinden der Interferenz im Doppelspalt-Experiment — wenn man es so aufbaut, dass Pfadinformation existiert — sei zurückzuführen auf Informationsgewinn und einen daraus resultierenden Zwang für Quanten, jeweils nur durch einen der Spalte zu kommen (siehe 2052-7 und 2052-23 für den eigentlichen Grund des Verschwindens der Interferenz).

Siehe auch Beitrag 2052-50 und was Hendrik van Hees dort sagt.

 

  Beitrag 2052-7
Quantenradierer und Materiewellen

 
 
Okotombrok aus 2052-5:
Grtgrt aus 2052-3:
Kern dessen, was ich glaube verstanden zu haben, ist, dass senkrecht zueinander polarisierte Wellen gar nicht interferieren können. Siehst Du das auch so?

Das halte ich für irrelevant.
Quantenmechanische Versuche wie der DS-Versuch lassen sich weder wellen- noch teilchenartig, sondern nur mit dem quantenmechanischen, nicht dem Grtgrt'schen Informationsbegriff, beschreiben.


Das ist sogar sehr relevant, denn:

Im DS-Versuch die Photonen so zu markieren, dass sie Weginformation tragen, bedeutet, sie so zu polarisieren, dass aus ihrer Polarisationsrichtung ersichtlich ist, durch welchen der beiden Spalte sie kamen. Absolut zuverlässig funktioniert das aber nur, wenn an Spalt 1 in eine Richtung R1 polarisiert wird, die senkrecht auf der Richtung R2 steht, in die an Spalt 2 polarisiert wird.

Da senkrecht zueinander polarisierte Photonen sich meiner Meinung nach niemals durch Interferenz auslöschen können, ist dann aber eben auf dem Schirm hinter dem Doppelspalt gar kein Interferenzmuster mehr zu erwarten.

Wird der DS-Versuch so aufgebaut, dass er Quantenradierer sein kann, bedeutet das, dass man unmittelbar vor dem Schirm, auf dem man Interferenz finden will, einen dritten Polarisationsfilter setzt. Wenn der in eine Richtung R3 polarisiert, die genau das Mittel der beiden Richtungen R1 und R2 ist (d.h. den Winkel 45 Grad zu jeder von ihnen hat), so wird er genau die Hälfte aller ankommenden Photonen durchlassen und da sie dann sämtlich gleich polarisiert sind (in Richtung R3 nämlich), muss sich auf dem Schirm auch wieder Interferenz zeigen.

Kurz: Irgendwas Geheimnisvolles kann ich somit auch am Quanten-Radierer nicht erkennen.

Geheimnisvoll wird das Ganze für mich erst dann, wenn man statt Photonen Materiewellen (z.B. Elektronen) durch den Doppelspalt schickt. Ich weiß nämlich nicht, ob die polarisiert sein können. Andererseits wüsste ich auch nicht, wie man sich in dem Fall Weg-Information besorgen kann.

Ich wäre dankbar, wenn mir das jemand erklären könnte (Du vielleicht, Okotombrok?).


PS: Dass Okotombrok mit seinem Einwand oben falsch liegt, beweist das QuantumLab Lehrmaterial, wo in Kapitel 4 ebensfalls explizit gesagt wird: Wellen mit orthogonaler Polarisation können nicht interferieren, weshalb das Interferenzmuster verschwindet.

Mich verwirrt dann aber, dass dort auch gesagt wird: Das Experiment Quantenradierer mit hellem Licht kann trotzdem sehr gut als Analogie zu dem eigentlichen Quantenphänomen verwendet werden. Das "eigentliche Quantenphänomen" — so fasse ich die Stelle dort auf — werde durch den Interferometer nachweisbar.


In meinen Augen beweisen all diese Experimente nur, dass Photonen eindeutig Wellen sind.


Sie auch als Teilchen zu sehen,
deren jedes komplett über jeweils nur  e i n e n  der beiden möglichen Wege gekommen sein muss,
entbehrt in meinen Augen jeder Grundlage:


Denn wo Weginformation vorhanden ist, bezieht sich die ja stets nur auf eine  T e i l w e l l e  der gesamten, das Photon darstellenden Kugelwelle.


Teilchencharakter hat ein Photon wirklich nur in dem Moment, in dem es sich mit einem anderen Quant — etwa einem der Messapparatur — vereinigt: Mit ihm nämlich wird es — als  E n e r g i e p o r t i o n  — stets in vollem Umfang verschmelzen, was den Effekt hat, dass die gesamte Kugelwelle, wie drastisch sie sich auch hier oder dort durch Beugung um Hinder­nisse herum verformt haben mag, überall mit einem Schlag verschwindet.

 

  Beitrag 2052-16
Wie Photonen — ja selbst Materieteilchen — als Welle mit sich selbst interferieren

 
 
Bauhof in 2052-14:
 
Henry in 2052-8:
 
Somit ist die Wahrscheinlichkeit für eine senkrechte Ausrichtung des Spins eins gegen unendlich, womit es äußerst unwahrscheinlich ist, dass Photonen dergestalt auf dem Schirm auftreffen, dass sie sich zum einem Maximum verstärken bzw. im Minimum auslöschen, sondern es wäre eine gleichmäßige Verteilung auf dem Schirm zu erwarten. Maxima sowie Minima sind aber definitiv zu beobachten, und zwar selbst dann, wenn die Photonen EINZELN IN BELIEBIGEN ZEITLICHEN ANBSTÄNDEN DURCH DIE SPALTEN GESCHICKT WERDEN! Das heißt, die Photonen MÜSSEN MIT SICH SELBST INTERFERIEREN! Das hat mit absoluter Sicherheit nichts mit der Polarisation von Teilchen zu tun.

Hallo Henry,

ja, das trifft zu, das Maxima sowie Minima zu beobachten sind, und zwar selbst dann, wenn die Photonen einzeln in beliebigen zeitlichen Abständen durch die beiden Spalte geschickt werden.

Aber ich verstehe nicht, warum bei diesem Szenario diese einzelnen Photonen mit sich selbst interferieren müssen.


Hallo Eugen,

mir scheint, das lässt sich folgendermaßen erklären:

Ein Photon hat — als sich ausbreitende Potentialwelle — die Form einer Kugelwelle bis hin zu den Stellen, an denen Hindernisse ungehinderte weitere Ausbreitung verhindern. Wenn im Hindernis Löcher oder Spalten sind, wird sich die Welle aber wenigstens durch dieser Löcher und Spalten weiter ausbreiten. Genau genommen wirken solche Löcher und Spalten dann erneut wie Lichtquellen, von denen sich jene Welle neu konfiguriert wieder kugelförmig (im Fall eines Loches) bzw. tonnenartig (im Fall eines Spaltes) ausbreitet (wegen der Beugung am Rand der Öffnung).

De facto bedeutet das, dass sich das Photon hinter dem Doppelspalt in Form zweier Wellen ausbreitet, die gleiche Polarisation tragen und daher interferieren — man sagt dann, das Photon interferiere mit sich selbst.

Wichtig ist, dass man die Lichtwelle hier als eine de-Broglie-Welle auffasst, als eine Welle also, die orts- und zeitabhängige Wirkwahrscheinlichkeit beschreibt: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Energieportion, die das Photon darstellt, mit einer ein anderes Elementarteilchen darstellenden Energieportion interagiert.

So gesehen wird das Experiment selbst noch für massebehaftete Teilchen (an Stelle von Photonen) Interferenz zeigen müssen. Anton Zeilinger und einige seiner Mitarbeiter haben das 1999 tatsächlich verifizieren können für Teilchen, deren jedes ein aus 60 Kohlenstoffatomen bestehendes Fulleren-Molekül war (siehe Wave–particle duality of C60 molecules und Anmerkungen dazu).

Im folgenden Bild sind die sich durch den Doppelspalt ausbreitenden Energieportionen Elektronen:






Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 2052-23
Sektorwellen und warum ein Photon wirklich mit sich selbst interferieren kann

 
 
Okotombrok in 2052-21:
 
@ Grtgrt
Wenn ein einzelnes Photon mit sich selbst interferrieren kann, müsste es sich dann nicht auch selber auslöschen können?
Das ist meines Wissens noch nicht beobachtet worden.
 


Hallo Okotombrok,

meiner Vorstellung nach kommt das Photon auf den Doppelspalt zu in Form einer Kugelwelle (bzw. in Form einer Welle, die einem Kugelsektor entspricht, wenn das Photon schon vorher auf Hindernisse gestoßen ist); Statt » Kugelwelle « sollte man deswegen vielleicht besser » Sektorwelle « sagen.

Das Traversieren des Doppelspaltes macht aus dieser ankommenden Sektorwelle zwei Sektorwellen (mit Quelle in je einem der beiden Spalte).


Nun sind solche Wellen aber Potentialwellen. Daraus folgt zweierlei:
  • Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie sich irgendwo hinter dem Doppelspalt als Teilchen zeigen — sprich: mit Materie wechselwirken — wird dort am größten sein, wo das Potential, das sie darstellen, seine maximalen Werte annimmt. Das erklärt, worauf Henry uns hinweist: Interferenz wird auch dann beobachtet, wenn man die Photonen  e i n z e l n  durch den Doppelspalt schickt.
  • Da die beiden Sektorwellen, in Form derer das Photon hinterm Doppelspalt existiert, örtlich verschieden Quelle haben (eben die beiden Spalte), ist ihre Summe – als Potentialfeld gesehen – natürlich mit keiner der beiden Sektorwellen identisch, sondern Überlagerung davon (= ein Interferenmuster erzeugt durch das Interferieren eben dieser beiden Teile des Photons).
    Zu sagen, das Photon — die auf den Doppelspalt zukommende wellenförmige Energieportion — interferiere mit sich selbst, macht daher Sinn.
    Zur Selbstauslöschung des Photons könnte es so aber nur dann kommen, wenn die beiden Sektorwellen, in die es sich beim Passieren des Doppelspaltes zerlegt, gleiche Quelle hätten und dennoch nicht gleiche Form. Das aber kann nicht sein, denn es gäbe dann ja nur einen Spalt und hinter ihm nur  e i n e  Sektorwelle.

Interessant an der ganzen Geschichte ist eigentlich noch am ehesten, dass die beiden Sektorwellen Teile nur  e i n e s  Quants zu sein scheinen (da sie sich offenbar niemals in Form  z w e i e r  Teilchen zeigen, wenn sie mit der Fläche interagieren, auf der sich das Interferenzmuster zeigt.

Denkt man das weiter, kommt man zur Ansicht, dass ein Photon — das auf seiner Reise durchs All ja auf extrem viele Hindernisse treffen wird — auch aus ent­sprechend vielen Sektorwellen bestehen könnte. Die naheliegende Vermutung, dass zueinander verschränkte Photonen p1 und p2 nichts anderes als Sektorwellen eines einzigen globalen Objekts p sein könnten, muss dennoch falsch sein, da Messung von p1 dieses p1 zerstören kann  o h n e  damit auch schon p2 zu zerstören (so glaube ich jedenfalls).

Auf jeden Fall scheint richtig: Die Wellenfunktion eines Photons — deren Quadrat an jeder Stelle im All die Wahrscheinlichkeit dafür beschreibt, dass es sich dort als Teilchen zeigt — ist die Summe all seiner Sektorwellen.

Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 2052-50
Der Well-Teilchen-Dualismus nach heutiger Auffassung (das "Teilchen" als Wellenpaket)

 
 
Stueps in 2052-49:
 
... wenn ich dich zwinge, auf den Welle-Teilchen-Dualismus einzugehen, den du trotz mehrfachem Hinweis meinerseits komplett ignorierst. Meinst du, das merkt hier niemand?


Was den Welle-Teilchen-Dualismus betrifft, so glaube ich da an die beiden folgenden Aussagen (die erste von hier, die zweite ist von mir selbst):


Zitat von Hendrik van Hees (1998):
 
Der » Welle-Teilchen-Dualismus « ist ein Relikt aus den Anfängen der Quantenmechanik, welches (leider) immer noch nicht ganz in Vergessenheit geraten ist.

Heute betrachtet man die Quantenwelt ganz anders. So geht man davon aus, daß ein quantenmechanisches Objekt überhaupt keinen definierten Ort hat, solange man nicht nachschaut, wo es ist. Solange man keine Ortsmessung vornimmt, kann man nur eine Wahrscheinlichkeit dafür angeben, mit der man das Objekt an einem bestimmten Ort vorfinden wird. Wenn man dann tatsächlich mißt, so findet man entweder ein Teilchen, oder man findet keines — der Ort des Teilchens "entsteht" also quasi erst während der Messung.

Die angegebene Wahrscheinlichkeit genügt dagegen der Lösung einer Wellengleichung, etwa der Schrödingergleichung oder der Diracgleichung. Dies bedeutet nun aber nicht, daß das Teilchen selbst eine Welle ist.
 


Nur den letzten Satz in Hees' Aussage würde ich streichen, denn wer darauf besteht, ein Elementarteilchen als "Teilchen" zu sehen, der sollte zur Kenntnis nehmen, dass es eben doch eine im ganzen Universum präsente  W e l l e  ist — sie zeigt sich uns nur als Teilchen, da sie ja als Wellenpaket fast überall  f a s t  verschwindet (nur in einer extrem kleinen Region hat sie nenneswert von Null verschiedenen Wert).

Aus diesem Grund sage ich:


Zitat von Gebhard Greiter (2013):
 
Ein quantenmechanisches Objekt hat überhaupt keinen definierten Ort — es ist einfach nur Potentialwelle (ein  K r a f t f e l d  also).

Man kann nur eine Wahrscheinlichkeit dafür angeben, dass uns von einem bestimmten Ort her signalisiert wird, dass es dort per Elementarereignis mit anderen Objekten wechselgewirkt hat. Wer glaubt, ein quantenmechanisches Objekt als Teilchen registriert zu haben, hat lediglich jenes Signal registriert.
 


Eine dritte Meinung, der ich ebenfalls voll zustimme, stammt von Norbert Hinterberger, der sich damit auf H. Dieter Zeh beruft (siehe das Zitat in Beitrag 1995-31).


Gruß, grtgrt
 

  Beitrag 2052-27
Wesentliches zur Polarisation von Materiewellen

 
 

Was man schon 1929 über polarisierte Materiewellen wusste


Am 25.2.1929 begann A. Landé seinen auf der Gautagung der Phys. Ges. Tübingen gehaltenen Vortrag » Polarisation von Materiewellen « mit folgenden Aussagen:

Zitat von A. Landé (1929):
 
Es ist ... versucht worden, durch Experimente nach dem Vorbild der Optik eine Polarisation von Materiewellen herszustellen.

Solche Versuche werden insbesondere durch die Kreiselnatur der Elektronen nahegelegt; denn den zwei entgegengesetzten Einstellungen Im Magnetfeld entsprechen wellenmechanisch zwei unabhängige, d.h  n i c h t  interferenzfähige Wellen verschiedener » Polarisation «. ...

Nach dem negativen Ausfall dieser Versuche ist es nicht überflüssig, auf die Verwandtschaft von wellenmechanischer und optischer Polarisation näher einzugehen und dabei auf andere Experimente hinzuweisen, die eher ein positives Ergebnis voraussehen lassen.


Der Hauptunterschied zwischen optischer und wellenmechanischer Polarisation ist der, daß
  • in der Optik zwei linear polarisierte Wellen dann unabhängig sind, d.h. nicht miteinander interferieren, wenn sie um 90 Grad gegeneinander geneigt sind
  • zwei Elektronenwellen aber, wenn ihre Polarisationsrichtungen (oder punktmechanisch ihre Kreiselachsen) um 180 Grad differieren.

Statt mit senkrecht gekreuzten Spiegeln muss man also mit Vorrichtungen operieren, bei denen zwei antiparallele Richtungen getrennt werden können (s.u.). Beachtet man diesen Unterschied, so läßt sich die Lehre von der Polarisation ziemlich wörtlich aus der Optik ins Wellenmechanische übertragen. ...


Ein Polarisator für Materiestrahlen ist ein Stern-Gerlachscher Apparat mit inhomogenem Magnetfeld NS,
  • dessen eine Zerlegungskomponente man abblendet
  • und dessen andere man für sich untersucht (Fig.1).
Der aus diesem Polarisator austretende Strahl hat nun ... wie gleich zu sehen ... eine nachweisbare Polarisation. ...






Es möge noch kurz auf die mannigfaltigen Erscheinungen eingegangen werden, welche Atome zeigen würden, die optisch mehrere Zeemanterm-Komponenten besitzen, also im Stern-Gerlach-Apparat in mehrere (etwa 6) getrennte Strahlen zerfallen (Fig.3):

Lässt etwa der Polarisator nur den obersten Strahl durch, so wird auch in einem ihm gleich gebauten und gleich gestellten Analysator nur der oberste Strahl auftreten.

Die Frage, mit welcher Intensität eine aus dem Polarisator kommende Strahlkomponente vom Analysator durchgelassen wird, wenn letzterer um einen bestimmten Winkel φ gedreht ist, lässt sich zurückführen auf die Entwicklung von Kugelfunktionen nach Kugelfunktionen mit um φ gedrehtem Pol.
 

Note: Ebenso wie es elliptisch polarisierte Photonen gibt, so gibt es auch elliptisch polarisierte Materiewellen (A. Landé sprach auch davon).



Damit scheint mir (grtgrt) nun ganz klar, dass man auch auf Basis von Materiewellen Quantenradierer bauen kann und dass auch bei ihnen das Wegbleiben bzw. Auftreten von Interferenz seine letzte Ursache in unterschiedlicher Polarisation (bzw. Nichpolarisiertheit) der beiden Sektorwellen hat, in die sich die ankommende Materiewelle durch den Doppelspalt zerlegt.

Ab sofort also kann ich selbst im Verhalten der Quantenradierer nichts Geheimnisvolles mehr sehen.

 

  Beitrag 2052-30
Wie Einstein Photonen charakterisiert sah

 
 
Okotombrok in 2052-21:
 
Licht besteht nicht aus Photonen, ein Photon ist nur die kleinste Wirkung, die mit Licht erzielt werden kann.


Hallo Okotombrok,

ein Photon als die kleinste durch Licht erzielbare  W i r k u n g  zu sehen, scheint mir absolut falsch. Zwei Gründe dafür:
  • Etwas Kleinstes kann es nicht sein, da seine Fähigkeit, Wirkung zu erzielen, umgekehrt proportional zu seiner Wellenlänge ist und es zu jedem Photon eines gibt, was noch längere Wellenlänge hat.
  • Auch ist es nicht Wirkung, sondern mehr die Fähigkeit, Wirkung hervorzurufen (ich sage: ein Photon ist eine Energieportion).

Einstein sah die Energie des Lichts in zur Frequenz proportionalen Einheiten gequantelt, die er "in Raumpunkten lokalisierte Energiequanten" nannte, "welche sich bewegen, ohne sich zu teilen, und nur als Ganze absorbiert und erzeugt werden können" [Quelle: Albert Einstein: Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt. In: Annalen der Physik. 322, 6, 1905, S. 133, online hier.

Allerdings schrieb Einstein 1951 in einem Brief an Michele Besso auch: "Die ganzen 50 Jahre bewusster Grübelei haben mich der Antwort der Frage 'Was sind Lichtquanten' nicht näher gebracht. Heute glaubt zwar jeder Lump, er wisse es, aber er täuscht sich..."

Es kann also nicht schaden, wenn wir weiter darüber nachzudenken ...

Gruß, grtgrt

 

  Beitrag 2052-55
Über kleinste Ladungsportionen

 
Henry in 2052-52:
Das Elektron ist nicht "die kleinste Portion (Quant) der elektrischen Ladung)". Aus zwei Gründen: Ein Quark hat ein Drittel der elektrischen Ladung eines Elektrons, womit das Elektron nicht die "kleinste Portion" sein kann,...

Hallo Henry,

ich glaube, so einfach ist es dann nicht. Quarks kommen nicht frei vor, sondern nur in gebundenen Zuständen. So bilden up- und down-Quarks Neutronen oder elektrisch geladene Protonen - hier entspricht dann die Stärke der Ladung wieder der eines Elektrons. Quark-Antiquark-Paare sind elektrisch neutral, vermitteln also keine Ladung. Quark-Gluonenplasma ist nur "quasifrei". Letztlich läuft es also m.E. darauf hinaus, dass die "Portionsgröße" immer mindestens der eines Elektrons entspricht. Quarks voneinander zu trennen und zu isolieren funktioniert auch nicht: Die Energie, die dafür aufgewendet werden muss, lässt sofort z.B. neue Quark-Antiquark-Paare entstehen. So hat also ein down-Quark im Standardmodell zwar die (theoretische) Ladung -1/3, kann aber praktisch nie isoliert und isoliert beobachtet werden. So kann man m.E. durchaus dem Elektron die Eigenschaft zuschreiben, dass es das kleinste Quant elektrischer Ladung trägt.

Grüße
 

  Beitrag 2052-58
Fragen zu materieller Wirklichkeit und sog. verborgenen Variablen

 
Stueps in 2052-56:
Henry in 2052-54:
Ist materielle Wirklichkeit sozusagen eine Überlagerung von Wahrscheinlichkeiten? Schwierig in Worte zu fassen, ich will nämlich nicht die materielle Wirklichkeit infrage stellen, aber kann es sein, dass materielle Wirklichkeit nicht aus ihren "Teilchen" heraus zu erklären ist, sondern nur als Gesamtheit?

Hallo Henry nochmal,

ich würde es eher als Zusammenspiel bezeichnen. Man kann Materie im tiefsten Grunde als Manifestation von Wahrscheinlichkeiten, und dem Zusammenspiel dieser Manifestationen sehen. Diese Manifestationen scheinen jedoch ziemlich stabil - Versuche haben ergeben, dass z.B. Protonen mindestens 1031 Jahre nicht zerfallen. Ganz schön lange, wie ich finde.

Henry in 2052-54:
Sind die "verborgenen Variablen" der Quantenmechanik nicht zu finden - auch im mathematischen Formalismus nicht -, weil wir sie an der falschen Stelle suchen?

Okotombrok hat an anderer Stelle einen Link eingestellt, wo ein Physiker einen einstündigen Vortrag hält. In ihm wird auch die Bellsche Ungleichung kurz erörtert. Dort ist m.E. schön zu erkennen (wenn auch sehr schwierig zu verstehen), dass es wirklich keine verborgenen Variablen in der Quantenmechanik gibt. (Man kann diese Stelle ja mehrmals anschauen, ein Vorteil der modernen Technik). Ich war jedenfalls von der Leistung des Herrn Bell gelinde gesagt "platt", so etwas sich auszudenken, ist in meinen Augen schon fast übermenschlich.

Deinen Vergleich mit "Emergenz" finde ich übrigens prima!

Grüße

Stueps, das ist mir alles bekannt, und ich finde die Leistungen, die dahinter stecken, nicht weniger prima! Aber ich habe ausdrücklich auf eine mögliche andere Sicht hingewiesen. Das widerspricht nicht den nachweislich richtigen Überlegungen der Quantenmechanik, solange sie experimentel überprüfbar sind. Es gibt aber definitiv Auswirkungen, die sich mit unseren Mitteln nicht erklären lassen. Ein möglicher Weg, dennoch Erklärungen zu finden, liegt eben vielleicht in der Emergenz der "Teilchen" oder auch "Wellen" (andere Begriffe haben wir nun mal nicht). Verstehst du, ich will dir gar nicht widersprechen, man kann eher sagen, ergänzen. Und, nun ja, ich denke eigentlich schon sehr lange über eine "holistische" Weltsicht nach, nur fehlen mir die physikalischen bzw. mathematischen Hintergründe, also bin ich vorsichtig mit "neuen" Weltbildern. Auf die Sprünge geholfen hat mir Lauhlin - muss mal schauen, wir er genau heißt, kommt nach.