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Unsere Welt zu verstehen:  Wissenschaft Pseudowissenschaft



 Beitrag 0-455
 
 

 
Wie sich Wissenschaft von Pseudowissenschaft unterscheidet
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Der Experimentalphysiker Richard A. Muller (geb. 1944, Doktorvater des späteren Nobelpreisträgers Saul Perlmutter) hat es gut auf den Punkt gebracht, indem er erklärt hat, warum man Arthur Eddingtons These, der Zeitpfeil hätte irgend etwas mit dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik zu tun, als etwas einzustufen hat, das schlimmer ist als Astrologie:
 
 
Eddingtons These ist nicht falsifizierbar!

 
 
Muller argumentiert wie folgt:


Richard A. Muller (2016):
 
Die theoretische Physik darf die Bodenhaftung nicht verlieren, sondern muss darauf bestehen, dass
     
  • Theorien falsifizierbar sind
     
  • und es für akzeptierte Theorien stets neu überprüfbare experimentelle Ergebnisse gibt.

Wie wichtig das ist, zeigt Einsteins Theorie zur Brown'schen Bewegung:
 
Schon kurz nach ihrer Veröffentlichung gab es eine Reihe von Experimenten, deren Resultat Einsteins Theorie zu widerlegen schienen. Es hat ganze 4 Jahre gedauert, bis klar wurde, dass diese Experimente fehlerhaft waren. Richtig durchgeführt haben sie Einstein schließlich bestätigt (was fast schlagartig dazu geführt hat, dass man Atome und Moleküle nun allgemein als tatsächlich existierend anerkannt hat).
 
 
Zu den Theorien, die nicht falsifizierbar sind, gehören Spiritualismus, Intelligent Design, aber eben auch der von Arthur Eddington behauptete Zusammenhang zwischen Entropie und Zeitpfeil.
 
Vermutlich fallen einem noch andere ein. Unter diesen kommt die Astrologie der Möglichkeit, sie durch Beobachtung zu widerlegen, noch am nächsten:
 
Ein sorgfältiges Expirement von Shawn Carlson (bei dem ich als wissenschaftlicher Berater mitwirkte und einen Teil meines Waterman-Preises zur Erstellung der astrologischen Karten verwendete) wurde veröffentlicht im angesehenen Wissenschaftsjournal Nature [Shawn Carlson: A double-blind test of Astrology, Nature 318, Dec 1985]:
 
Shawn überprüfte die Grundthese der Astrologie, wonach der genaue Geburtszeitpunkt im Zusammenhang mit Persönlichkeitsmerkmalen stehe. Sein Doppelblindversuch hat diese These klar widerlegt.
 
An der Studie beteiligt ware mehrer angesehene Astrologen aus der ganzen Welt. (Ja, es gibt solche tatsächlich, und die meisten von ihnen haben einen Doktortitel in Psychologie.)
 
Nachdem das Ergebnis der Studie jene Astrologen widerlegt hat, waren sie schockiert und enttäuscht, aber keiner von ihnen wandte sich deswegen von der Astrologie ab (!).
 
Wissenschaft hat die Astrologie demnach falsifiziert — womit man dann Astrologen, die dennoch weiter an sie glauben, als Pseudwissenschaftler bzw. Esoteriker einzustufen hat.
 


 
Muller erklärt weiter:
 
Eddington — und praktisch alle Autoren, die zwischen Entropie und Zeitpfeil einen Zusammenhang behaupten — argumentieren gerne mit dem Beispiel einer Teetasse, die vom Tisch fällt und dann am Boden im zahlreiche Stücke zerbricht. Wer den Vorgang filmt und sich den Film dann rückwärts abgespult ansieht, sehe klar, dass der Vorgang rückwärts in unserer Welt nicht vorkommt.
 
Aber, so sagt Muller, Menschen konstruieren ja Teetassen: Sie nehmen Ausgangsmaterialien, denen hohe Entropie innewohnt (ton-haltigen Schlamm), extrahieren daraus den Ton, verfeinern das Materiel und formen schließlich Teetassen. Würde man auch diesen Vorgang filmen und dann rückwärts abgespult betrachten, so dass man dann sähe, wie eine Teetasse zu Ton und im Wasser verdünnten Ton wird, wäre die Umkehr der Zeit offenkundig.
 
Eddingtons Denkfehler bestand also darin, dass er seine These mit Beispielen zu belegen versuchte, die allzu einseitig ausgewählt waren. Damit, so Muller, habe er uns (und sich selbst) hinters Licht geführt.
 
 
Wir sind umgeben von Beispielen abnehmender Entropie: Wir schreiben Bücher, bauen Häuser, gründen Städte. Kristalle wachsen, und Pflanzen bilden großartig organisierte Strukturen. Die Entropie eines Baumes etwa ist ungeheuer viel geringer als die von Gas, Wasser oder im Wasser gelösten Mineralstoffen, aus denen der Baum entstanden ist.
 
Auch im Weltraum können wir sehen, wie Entropie — lokal jedenfalls — stark abnehmen kann: Aus dem Urplasma haben sich erst Teilchen gebildet, dann ganze Sterne mit Planeten und schließlich sogar Lebewesen.
 
 
Quelle: Richard A. Muller:  Jetzt — Die Physik der Zeit  (2018), S. 217-236
 
Die englische Originalausgabe erschien unter dem Titel » Now. The Physics of Time « (2016)


 


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