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Unsere Welt zu verstehen:  Hauptsatz Thermodynamik



 Beitrag 0-403
 
 

 
Zum 2. Hauptsatz der Thermodynamik

und dem

Zusammenspiel von Dichte, Entropie und Ordnung
hmsgnr0403z

 
 
Nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik kann die Entropie eines sich selbst überlassenen Systems praktisch nie abnehmen und wird maximal sein, wenn absolutes Gleichgewicht herrscht (dann also gar nichts mehr passieren kann).
 
Wie aber verträgt sich dieses Gesetz mit der Tatsache, dass der Inhalt unseres Universums zunächst ein absolut gleichmäßig verteiltes dichtes Plasma war — eine absolut strukturlose Welt — sich dann aber schnell immer reichhaltigere Strukturen — Atome, Sterne, Galaxien — entwickelt haben (Ordnung also) und die Entropie des Universums dennoch ständig nur zunahm?
 
Kann es also wirklich richtig sein, dass — wie man oft liest — Entropie ein Maß für Unordnung ist?
 
 
Helmut Satz, Prof. em. für Theoretische Physik, stellt klar:


Zitat von S. 141 in seinem Buch Kosmische Dämmerung:
 

Zunahme von Entropie ist nicht — wie mitunter behauptet wird — gleichbedeutend mit
 
Zunahme von Unordnung (= Strukturlosigkeit).

 
 
Ausführlicher (S. 136-141):
 
 
Lange Zeit wurde das scheinbare Dilemma zwischen dem Entstehen von Struktur im Universum und dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik dadurch umgangen, dass man annahm, dass sich unsere Welt zunächst in einem nicht näher definierten Zustand niedriger Entropie befand, um sich dann über die zeit hinweg immer von einem geordneten Zustand in einer zunehmend ungeordneten mit entsprechend höherer Entropie zu entwickeln — eben solange, bis es dann den sog. » Wärmetod « sterben würde, sprich: von maximaler Entropie und ohne jede Struktur sein würde.
 
Nach heutigem Wissen ist diese Vorstellung nun aber nicht mehr haltbar: Wir denken, den Zustand des Universums direkt nach dem Urknall zu kennen (strukturloeses Plasma), haben zudem gelernt, dass der Raum ständig expandiert, und fragen uns nun, ob diese Expansion das Erreichen eines Gleichgewichts (d.h. einen Zustand maximaler Entropie) denn überhaupt jemals erlaubt.
    Wenn Teilchen elektrisch geladen sind und die Zahl der positiv bzw. negativ geladenen gleich groß ist, kann bei hoher Temperatur und Dichte könnte nur ungeordnetes Plasma Zustand höchster Entropie sein. Bei niedriger Temperatur aber würden sie sich zu ladungsneutralen Gruppen (Atomen und Molekülen) zusammenfinden.
     
    Für ein Medium aus nicht oder nur schwach wechselwirkenden Teilchen ist der Zustand größter Entropie immer ein ungeordnetes, strukturloses und daher absolut gleichförmig verteiltes Gas. Wenn die Wechselwirkung infolge fallender Temperaturen aber stärker wird, kann es zu Kristallbildung kommen.

Schon 1975 hat David Kayzer den Einfluss expandierenden Raumvolumens auf den 2. Hauptsatz der Thermodynamik als mögliche Ursache für das Entstehen kosmischer Strukturen vorgeschlagen. Wird nämlich ein Behälter, der Gas im thermischen Gleichgewicht enthält, rasch vergrößert, bilden im expandierenden Gas die Expansionsrate und die Relaxationsgeschwindigkeit zwei kritische, einander entgegengesetzte Faktoren:
    Ist die Expansionsrate hinreichend klein, hat das System genügend Zeit, ständig neu maximale Entropie zu erreichen,
     
    andernfalls aber wächst die maximale Entropie rascher als die tatsächliche, so dass das System sich ständig weiter vom thermischen Gleichgewicht — absoluter Strukturlosigkeit — entfernt.

Das, so sei betont, steht in Einklang mit dem 2. Hauptsatz: Die Entropie nimmt ständig zu, erreicht aber nie das dem jeweiligen Volumen (= der jeweiligen Dichte) zugeordnete Maximum.
 


 
Quelle: Helmut Satz: Kosmische Dämmerung (2016), S. 136-141

 
 
Kommentar: Dieses Buch beschreibt glasklar der Astrophysiker aktuellstes Verständnis davon,
     
  • wie es zum Urknall kam
     
  • und wie Materie, Raum, und die heutige Struktur des Universums entstanden sind.

Lediglich Kapitel 6 des Buches — wo es um das richtige Verstehen des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik geht und seine Nicht-Anwendbarkeit auf die Evolution des Universums — könnte etwas geschickter formuliert sein. Es wird dort erklärt:

 
Dass unser Universum in seiner bisherigen Geschichte ständig an Struktur gewonnen hat, scheint dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik zu widersprechen. Das aber ist nicht so, denn:
 
Der 2. Hauptsatz — den jeder Physiker als mit Sicherheit richtig erachtet — besagt, dass die Entropie eines sich selbst überlassenen idealen Gases bei nahezu jedem Zustandsübergang zunehmen wird.
 
In populärwissenschaftliche Büchern wird Entropie als ein Maß für "Unordnung" bezeichnet, was aber nur grob richtig ist:
     
  • Mit "Unordnung" ist Strukturlosigkeit gemeint (wohingegen "Ordnung" als "von reichhaltiger Struktur" zu verstehen ist).
     
    Der Autor versucht dann zu erklären, warum Entropie und Strukturlosigkeit keineswegs immer proportional zu einander wachsen.
     
    Mich erinnert das daran, dass nach Josef Hohnerkamp Entropie uns fehlendes Wissen über den Mikrozustand eines Systems quantifiziert und daher ein relativer Begriff ist: Unterschiedliche Betrachter eines Systems können unterschiedlich viel Wissen über seinen Mikrozustand haben.
     
  • Der 2. Hauptsatz gilt nur für sog. "ideale Gase", d.h. für Systeme, deren Teile sich — abgesehen von Zusammenstößen — absolut unbeeinflusst von einander bewegen.
     
  • Gaswolken im All aber (ebenso wie das Plasma direkt nach dem Urknall) können  n i c h t  als ideales Gas eingestuft werden, da ja Elementarteilchen stets von mindestens der Gravitationskraft zu einander hin gezogen werden. Sie ist zwar extrem schwach, addiert sich aber vorzeichenlos, da Gravitation — im Unterschied zur elektromagnetischen oder auch der starken Wechselwirkung — keine ladungsabhängige Kraft ist (Summanden sich also nicht zu Null aufaddieren können).

Fazit also:

Den 2. Hauptsatz der Thermodynamik aufs Universum anwenden zu wollen, wäre falsch.
hmsgnr0260z


 


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