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Unsere Welt zu verstehen:  Einsteins Theorie



 Beitrag 0-113
 
 

 
Warum Einsteins Theorie im Zentrum Schwarzer Löcher versagt
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Wie genau lässt sich in Streuexperimenten die Position einzelner Teilchen bestimmen?

     
    Die Quantenmechanik — ja selbst Heisenbergs Unbestimmtheitsrelation — setzen der Genauigkeit solcher Beobachtung keine Grenzen. Unter Mit­berücksichtigung der Gravitations­kraft allerdings, stellt sich das schnell ganz anders dar.
     
    Betrachten wir dazu ein Experiment, in dem z.B. zwei Elementarteilchen miteinander kollidieren:
     
    Kommen sich die beiden Teilchen sehr nahe, so wird unterhalb eines bestimmten Abstands die Gravitationskraft stärker sein als alle anderen Kräfte.
    Schlimmer noch: Bei hinreichend kleinem Abstand Amin werden die beiden Teilchen zu einem Schwarzen Loch verschmelzen.
     
    Dies gilt für Teilchen jeder Art, also z.B. auch für Photonen oder Gravitationswellen.

 
Damit ist Amin der kleinste Abstand, den ein Teilchenbeschleuniger noch aufzulösen gestattet.
 
Versucht man, die Energie noch weiter zu erhöhen, so wird das erzeugte Schwarze Loch größer — da es dann ja mehr Energie besitzt —, und sein Ereignishorizont wächst an. Dadurch aber wird die bestmögliche Ortsauflösung, die wir erzielen können, sogar wieder schlechter.
 
Dieses Verhalt steht nicht im Widerspruch zur Quantenmechanik, zeigt uns aber, dass wir bei sehr kleinen Abständen unsere Vorstellung von Raum und Zeit neu formulieren müssen. Dies zu tun wurde die Theorie der Quantengravitation geschaffen.
 
 
Zunächst aber ist interessant, wie klein die Abstandsgrenze Amin denn nun eigentlich ist.
 
Dazu betrachtet man die Situation, in der die gravitative Anziehung zwischen zwei Elektronen ebenso groß wird wie die sie von einander abstoßende elektromagnetische Kraft.
 
Auflösung der entsprechenden Gleichung liefert die Plancksche Energie EPlanck und die dazu äquivalente Plancksche Masse
 
MPlanck  =  2.176 • 10-8 kg

 
Dies ist eine relativ große Masse, die 1016 mal so groß wie die des top-Quarks, des schwersten Elementarteilchen. Noch anschaulicher: Ein Floh wiegt ungefähr 4000 Planckmassen. Um ein Elementarteilchen auf diese riesige Energie zu beschleunigen, wäre ein Ringbeschleuniger mit dem Durchmesser unseres Sonnensystems notwendig.
 
Da Energie und Länge i.W. zueinander invers proportional sind, gibt es im Einheitensystem von Max Planck auch die Plancksche Länge
 
LPlanck  =  1.6 • 10-35 Meter

 
 
Dies ist ein extrem kurzer Abstand: Die uns bekannte Welt des Standardmodells der Elementarteilchenphysik spielt sich bei 1016 mal so großen Abständen ab.
 
Zur Planckschen Länge gehört schließlich noch die Plancksche Zeit
 
tPlanck  =  5.4 • 10-44 sec

 
das besondere an diesen 3 Planckschen Größen ist, dass sie gerade Ausdehnung und Energiedichte unseres Universums zum Zeitpunkt des Urknalls beschreiben.
 
Insbesondere lässt sich der Urknall mit Hilfe von Einsteins Theorie zeitlich nicht genauer als durch tPlanck eingrenzen.
 
Man kann lediglich noch die Temperatur angeben, die beim Urknall geherrscht haben muss. Man nennt sie die Plancksche Temperatur:
 
TPlanck  =  1.4 • 1032 Kelvin

 
 
Die Planckschen Größen markieren die Grenzen der Anwendbarkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie. Sie muss jenseits dieser Grenzen als undefiniert gelten, da dort die Wirkung von Quanteneffekten den Einfluss der Gravitationskraft als vergleichsweise unbedeutend dastehen lässt.
 
Theorien, die speziell diese Lücke zu schließen versuchen, nennt man
 
 
Quantengravitation

 
 
Da Raum und Zeit in der Quantengravitation diskret sind, erwartet man, dass die Singularitäten der Einsteinschen Theorie dort nicht mehr gegeben sein werden.
 
Die kanonische Theorie der Quantengravitation — auch Schleifen-Quanten-Gravitation genannt — wurde in den 90-er Jahren entwickelt.

     
    Sie wird kanonisch genannt, da man annimmt, dass unter ihr die Metrik von Raum und Zeit wohldefinierte Quanteneigenschaften hat und die Ortskoordinate — ganz wie in der normalen Quantenmechanik — der Heisenbergschen Unschärfe-Relation gehorcht.
     
    Sie führt zu einer diskreten, schaumartigen Raumzeit, ohne dass man hierfür die Einsteinsche Theorie fundamental abändern müsste.
     
    Die "Schleifen" der Theorie sind gravitative Kraftlinien analog den elektromagnetischen (durch Faraday entdeckten).

 
Die Schleifen-Quanten-Gravitation sagt die Existenz von Raumzeitatomen voraus, welche ein dichtes, sich ständig wandelndes Gewebe darstellen. Das Quanten-Vakuum besteht aus der paarweisen Erzeugung und Vernichtung solcher Raumzeitatome. Somit sind Raum und Zeit in dieser Theorie keine vorgegebenen Größen: Sie ergeben sich aus dem quantenmechanischen Verhalten des Quanten-Vakuums.
 
 
Der Schleifen-Quanten-Gravitation zufolge sollten weder der Urknall noch die Schwarzen Löcher singulär sein, denn die Lösungen der Gleichungen dieser Theorie weisen keinerlei Unendlichkeiten auf.
 
Und tatsächlich hat Martin Bojowald 2008 ein sehr einfaches Modell vorgeschlagen, welches den Urknall durch einen sog. » bounce « ersetzt. In diesem Modell zieht das Universum sich unter dem Einfluss der Gravitation erst zusammen bis hin zu einem Punkt, an dem seine Dichte so groß wird, dass die Quanteneigenschaft der Gravitation zu einer abstoßenden Kraftkomponente führt. Dies sei dann der Augenblick des » bounce « (des Urknalls also, der so zu einer Folge der zuvor stattge­fundenen Implosion wird). Die darauf folgende Ausdehnung, so zeigt die Theorie, wird durch Quanteneffekte verursacht.
 
In Bojowalds Version der Schleifen-Quanten-Gravitation gibt es deswegen eine Zeit vor dem Urknall.
 
 
 
Quelle: Dieter Lüst: Quantenfische, DTV 2014, S. 226-232

 


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