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Unsere Welt zu verstehen:  Euklidische Quantengravitation



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Euklidische Quantengravitation

 
 
Unter der Theorie Euklidischer Quantengravitation versteht man die Idee von Hartle und Hawking, die Zeit der Raumzeit statt durch reele durch imaginäre Zahlen zu messen.
 
Der Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass dann
  • die Minkowski-Metrik der Raumzeit zur euklischen Metrik wird
     
  • und die Zeit dann einfach nur als eine weitere Raumdimension gesehen werden kann.

Mit anderen Worten: Hawking und Hartle wollen die Sonderrolle die Zeit beseitigen.
 
Dies gelang ihnen zunächst durch einen mathematischen Trick, dem sie dann aber auch physikalische Bedeutung zumessen. Hawking erklärt das wörtlich so:


Hawking (Zitat):
 
Die Erkenntnis, dass sich die Zeit wie eine weitere Raumdimension verhalten kann, bedeutet, dass wir uns der Frage, ob die Zeit einen Anfang hat, auf ähnliche Weise entledigen können wie derjenigen, ob die Welt einen Rand hat ...
 
Wenn wir die Allgemeine Relativitätstheorie mit der Quantentheorie kombinieren, wird die Frage, was vor dem Anfang des Universums geschah, zu einer sinnlosen Frage.
 


Hartle und Hawking nannten dies die kein-Rand-Bedingung.
 
 
Raum und Zeit als von gleichem Wesen zu sehen, führt dann aber leider auch zu recht unangenehmen Konsequenzen: Die Theorie bekommt Lösungen, welche das ansonsten in der Physik stets unterstellte Postulat der Kausalität verletzen (Wurmlöcher und geschlossene Zeitkurven).
 
Hawking und Hartle denken, dass sich die mikroskopischen Quanteneffekte — also z.B. auch mikroskopische Wurmlöcher — in makroskopischer Sicht wieder herausmitteln und somit in der klassischen Physik bedeutungslos seien.
 
Andere Physiker geben zwar zu, dass die Theorie der Euklidschen Quantengravitation von ihrem mathematischen Ansatz her aussichtsreich erscheint, meinen dann aber doch, dass sie eher eine Sackgasse sei, da nicht klar ist, wie man von der imaginären Sicht wieder zurück in die reelle findet (mehr dazu in Euclidean Gravity: A lost cause).
 
Dieter Lüst betont, dass der Ansatz Euklidischer Quantengravitation weder in Konkurrenz zur kanonischen Schleifenggravitation noch zur Stringtheorie steht: Er lasse sich problemlos kombiniert mit beiden anwenden.
 
 
 
Quelle: Dieter Lüst: Quantenfische, DTV 2014, S. 245-246
 
 
Nebenbei: Die Idee, die Zeit mit der imaginären Einheit zu multiplizieren, um so die Raumzeit mit der euklidischen Metrik auszustatten, mag künstlich und unmotiviert erscheinen. Entscheidend aber ist, dass das dieses Rezept — es geht zurück auf Richard Feynman — die richtigen Antworten für die Wahrscheinlichkeiten von Teilchenreaktionen liefert. Das lässt sich sogar exakt beweisen, wie zwei mathematische Physiker, der Schweizer Konrad Osterwalder und der Deutsche Robert Schrader zeigen konnten: Die Eigenschaften einer herkömmlichen Quantentheorie, die auf der Raumzeit der Speziellen Relativitätstheorie definiert ist, lassen sich exakt aus dem Feynman-Rezept für eine korrespondierende, imaginärzeitige Raumzeit rekonstruieren.


 


aus  Notizen  zu:

Zur Natur der Raumzeit


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